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Von Stewart Battle und Alexander Hartmann
Die Ereignisse bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) in New York sind symbolisch für den derzeit stattfindenden globalen Wandel.
Einerseits gibt es die offizielle Anerkennung eines palästinensischen Staates durch immer mehr Staaten – inzwischen mehr als 80% der UN-Mitglieder –, darunter auch viele der engsten Verbündeten der USA und Israels. Zwar hat dies den Völkermord des fanatischen israelischen Regimes an den Palästinensern in keiner Weise verlangsamt, dennoch „markiert es einen grundlegenden Wandel in einer Welt, die zuvor Israel verteidigt hat“, wie es die ehemalige Spitzenpolitikerin der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Dr. Hanan Aschrawi, formulierte. Es war keine Überraschung, daß dieses Thema die Diskussion bei der Generalversammlung am 23. September beherrschte, und es besteht kein Zweifel mehr daran, daß sich die Meinung der Weltöffentlichkeit unwiderruflich gedreht hat.
Auf der anderen Seite waren da die selbstherrlichen Äußerungen von US-Präsident Donald Trump. In seiner langen Tirade versuchte Trump mit metaphorisch geschwollener Brust, die Welt von der Bedeutung der Vereinigten Staaten und dem durchschlagenden Erfolg seiner Politik zu überzeugen. Er behauptete sogar, mit der Anerkennung eines Staates Palästina würde man nur den Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 „belohnen“, und er sei der einzige, der weiß, wie man Kriege beenden kann.
Noch besorgniserregender war ein Beitrag Trumps auf Truth Social am späten Nachmittag, in dem er behauptete: „Putin und Rußland stecken in GROSSEN wirtschaftlichen Schwierigkeiten und es ist jetzt die Zeit für die Ukraine, zu handeln.“ Die Ukraine „ist in der Lage, zu kämpfen und die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen“, so Trump (oder wer auch immer seine Beiträge verfaßt).
Zweifellos haben einige Kriegstreiber und Rußlandhasser in Europa diese Äußerung gefeiert. Die Frage ist jedoch, wie relevant solche Zurschaustellungen von amerikanischem Chauvinismus heutzutage noch sind und ob sie auf der Welt noch viel bewirken. Wäre Amerika wirklich „die unverzichtbare Nation“, wie Joe Biden verkündete und offenbar auch Trump meint, dann hätte es sicherlich die Macht, den Gang der Geschichte nach eigenem Ermessen zu lenken. Aber schon ein kurzer Blick auf die Welt zeigt, daß das immer weniger der Fall ist.
Dies zeigt sich nicht nur auf der UN-Vollversammlung, wo die Mehrheit der Welt Israels Ausreden für die Tötung Unschuldiger klar zurückweist. Es zeigt sich auch am wachsenden Einfluß der Institutionen der Globalen Mehrheit, wie den BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Diese Länder, die sechs Milliarden Menschen, drei Viertel der Weltbevölkerung, vertreten, schaffen neue politische, wirtschaftliche und staatliche Institutionen, die sich der Kontrolle des Westens entziehen.
Traditionell ist der brasilianische Präsident der erste Staatschef, der vor der UN-Vollversammlung spricht. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva brachte in seiner Rede die Sichtweise zum Ausdruck, um die sich die Mehrheit der Welt heute einigen möchte:
„Die am Ende des Krieges gegründete UNO symbolisiert den höchsten Ausdruck des Strebens nach Frieden und Wohlstand. Heute jedoch sind die Ideale, die ihre Gründer in San Francisco inspirierten, bedroht wie noch niemals zuvor in ihrer Geschichte.“ Die Welt stehe vor „einer internationalen Unordnung, die sich durch wiederholte Zugeständnisse an Machtpolitik auszeichnet. Angriffe auf die Souveränität, willkürliche Sanktionen und einseitige Interventionen werden zur Norm.“
Auch sein Land Brasilien sei „einseitigen und willkürlichen Maßnahmen gegen unsere Institutionen und unsere Wirtschaft“ ausgesetzt. Er nannte die Vereinigten Staaten nicht namentlich, aber seine Erklärung, Brasilien werde „als unabhängige Nation und als Volk, das frei von jeglicher Vormundschaft ist, weiterbestehen“, wurde mit viel Applaus aufgenommen.
Solide Demokratien seien „mehr als nur ein Wahlritual“, sondern müßten die grundlegendsten Rechte der Menschen garantieren: Nahrung, Sicherheit, Arbeit, Wohnen, Bildung und Gesundheit. Pointiert fügte er hinzu, „wenn sie ihre Türen verschließt und Migranten für alle Übel der Welt verantwortlich macht“, dann „verliert die Demokratie“. Er warnte auch: „Armut ist ebenso ein Feind der Demokratie wie Extremismus.“
In Bezug auf die zahlreichen Kriege und Konflikte auf der Welt ging Lula auf die drohende Gefahr einer Intervention der USA in Venezuela unter dem Vorwand der „Drogenbekämpfung“ ein. Drogen bekämpfe man am effektivsten durch Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Einschränkung des Waffenhandels. Und tödliche Gewalt in Situationen, die keine bewaffneten Konflikte sind, komme einer Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren gleich. „Der Dialog in Venezuela darf nicht abgebrochen werden.“ Andererseits biete das jüngste Treffen von Trump und Putin in Alaska Hoffnung auf eine Verhandlungslösung des Ukrainekonflikts, eine „realistische Lösung… unter Berücksichtigung der legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien“.
Für die Vorgänge in Gaza hatte Lula klare Worte: „Keine Situation ist symbolischer für den unverhältnismäßigen und illegalen Einsatz von Gewalt als Palästina… Nichts, absolut nichts, rechtfertigt den anhaltenden Völkermord in Gaza. Dort sind unter Tonnen von Trümmern zehntausende unschuldige Frauen und Kinder begraben. Auch das humanitäre Völkerrecht und der Mythos der ethischen Überlegenheit des Westens sind dort begraben. Dieses Massaker hätte nicht stattgefunden ohne die Mitschuld derjenigen, die es hätten verhindern können.“ Er lobte ausdrücklich „diejenigen Juden, die sich innerhalb und außerhalb Israels gegen diese kollektive Bestrafung aussprechen“.
Präsident Lula schloß mit den Worten: „In der Zukunft, die Brasilien sich vorstellt, gibt es keinen Platz für eine Neuauflage ideologischer Rivalitäten oder Einflußsphären. Konfrontationen sind nicht unvermeidlich. Wir brauchen Regierungen mit einer klaren Vision, die verstehen, daß die Weltordnung kein Nullsummenspiel ist… Die Stimme des Globalen Südens muß gehört werden!“
Damit setzte Lula den Ton für die folgenden Erklärungen.
Der indonesische Präsident Prabowo Subianto verdeutlichte in seiner Rede – kurz nach der Trumps – die Herangehensweise der Globalen Mehrheit, indem er auch an die Gründungsprinzipien der Vereinigten Staaten erinnerte:
„Es ist in der Tat eine große Ehre, in diesem ehrwürdigen Plenarsaal der Vollversammlung zu stehen, inmitten von Staats- und Regierungschefs, die fast die gesamte Menschheit vertreten. Wir alle unterscheiden uns in Bezug auf Rasse, Religion und Nationalität, doch wir versammeln uns hier als eine einzige Menschheitsfamilie. Wir sind in erster Linie als Mitmenschen hier – jeder von uns ist ,gleich geschaffen und ausgestattet mit den unveräußerlichen Rechten auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück'. Diese Worte der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten haben demokratische Bewegungen auf allen Kontinenten inspiriert – darunter die Französische Revolution, die Russische Revolution, die Chinesische Revolution sowie Indonesiens eigenen Weg in die Freiheit. Sie führten auch zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. ,Alle Menschen sind gleich geschaffen’ war das Credo, das den Weg zu beispiellosem Wohlstand und Würde auf der Welt ebnete.“
Nach dieser Einleitung verurteilte Subianto den Völkermord in Gaza und den heutigen Zusammenbruch des Völkerrechts, er erinnerte aber auch an die Gründungsprinzipien der USA.
Dies ist mehr als ein rhetorischer Trick oder eine beschwichtigende Geste – schließlich hatte schon Indonesiens Präsident Sukarno auf der historischen Konferenz von Bandung 1955 daran erinnert, daß die Amerikanische Revolution die erste erfolgreiche antikoloniale Revolution der Geschichte war. Dieser Ansatz, an die besseren Traditionen jedes Landes zu erinnern – ganz besonders im Westen, der seine eigenen vergessen hat –, ist entscheidend, wenn die Welt ihren Weg in die Zukunft finden will.
Subianto schloß: „Ich bin überzeugt, daß die Führer der großen Weltzivilisationen – der Zivilisationen des Westens, des Ostens, der amerikanischen Zivilisation, der europäischen Zivilisation, der indischen Zivilisation, der persischen Zivilisation, der chinesischen Zivilisation und der islamischen Zivilisation – der Rolle, die die Geschichte von ihnen fordert, gewachsen sein werden. Wir alle hoffen, daß die Führer der Welt große Staatskunst, große Weisheit, Zurückhaltung und Bescheidenheit in ihrer Führung der Welt zeigen werden.“
Was ist also zu tun? Kann der gefährliche und leichtsinnige Konfrontationskurs, den Trump und andere im Westen verfolgen und der am Ende in die thermonukleare Konfrontation führen muß, gestoppt werden?
Helga Zepp-LaRouche, die Gründerin des Schiller-Instituts und der Internationalen Friedenskoalition, betont immer wieder nachdrücklich, daß das sehr wohl möglich ist. Aber nur, wenn die Nationen des Westens ihre besseren Traditionen wiederentdecken und zu neuem Leben erwecken, indem sie kleinliche Rechthaberei und Ideologien, die oft von britischen imperialistischen Fraktionen hineingetragen wurden, dauerhaft überwinden.
Das ist das Prinzip und der Geist der Erklärung des Schiller-Instituts „Die Nationen des Westens müssen mit der neuen Weltwirtschaftsordnung kooperieren!“1 Unterzeichnen und verbreiten Sie diesen Appell, und werden Sie selbst zu einem Vermittler grundlegender zivilisatorischer Ideen!
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