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Neue Solidarität
Nr. 48, 28. November 2024

Ein historischer Wandel vollzieht sich:
„Der Westen hat nicht mehr das Sagen“

Von Alexander Hartmann

Es ist unbestreitbar, daß die Welt heute am Rande eines thermonuklearen Krieges steht, der nur durch das umsichtige Handeln von Entscheidungsträgern für den Frieden abgewendet werden kann. Noch einschneidender als diese Gefahr ist allerdings der historische Wandel, der sich im gesamten Globalen Süden – und zunehmend weltweit – vollzieht. Der G20-Gipfel in Brasilien endete am 19. November mit einem Sturm der Entrüstung unter den Möchtegern-Kolonialherren der Welt. Die Vertreter Deutschlands, Frankreichs und der USA beschwerten sich darüber, daß im Abschlußkommuniqué Rußland nicht genug wegen des Ukraine-Krieges verurteilt wird – das wurde so arrangiert, als ihre Vertreter nicht im Saal waren und der brasilianische Präsident Lula die vorzeitige Veröffentlichung des Dokuments veranlaßte. Wie Bloomberg in seiner Berichterstattung über den Gipfel feststellte: „Wenn Rio etwas gezeigt hat, dann, daß der Westen nicht länger das Sagen hat.“

Im Anschluß an den G20-Gipfel reiste der chinesische Staatspräsident Xi Jinping zu einem Staatsbesuch mit Präsident Lula in die Hauptstadt Brasilia, wo sie die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf eine neue Ebene hoben (siehe Artikel in dieser Ausgabe). Sie erweiterten die bestehende umfassende strategische Partnerschaft zu einer „Zukunftsgemeinschaft für eine gerechtere Welt und einen nachhaltigen Planeten“. Die beiden Präsidenten unterzeichneten Dutzende von Wirtschaftsabkommen und riefen eine Arbeitsgruppe ins Leben, die in den kommenden zwei Monaten die Pläne für einige der größten kontinentalen Projekte konkretisieren soll. Mit Blick auf die Vielfalt der Zusammenarbeit sagte Lula: „Was China und Brasilien gemeinsam tun, hat Auswirkungen auf die ganze Welt.“ Und er betonte: „In einer Welt, die von bewaffneten Konflikten und geopolitischen Spannungen heimgesucht wird, stehen für China und Brasilien Frieden, Diplomatie und Dialog an erster Stelle.“

Die Welt verändert sich dramatisch vor unseren Augen. Am 14. November feierten Xi und die peruanische Präsidentin Dina Boluarte die Eröffnung des gigantischen Hafens von Chancay in Peru, der endlich die neokolonialen Fesseln des iberoamerikanischen Kontinents lockern wird; am 20. November scheiterte eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats für einen Waffenstillstand im Gazastreifen wieder nur am Veto der USA; am 21. November erließ der Internationale Strafgerichtshof einen internationalen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu wegen Kriegsverbrechen – alle diese Entwicklungen zeigen eine Welt im Umbruch, und wie einige verzweifelt versuchen, diesen aufzuhalten.

Krieg gegen Rußland soll „irreversibel“ gemacht werden

Zuletzt wurde die Strategie sehr deutlich, den Stellvertreterkrieg gegen Rußland in der Ukraine quasi „Trump-sicher“ zu machen. Die Biden-Administration verweigerte jeden offiziellen Kommentar zu der brisanten Enthüllung, daß sie der Ukraine nun doch erlaubt, US-Langstreckenraketen gegen international anerkanntes russisches Territorium einzusetzen – diese Raketen können nur von US-Spezialisten mit Hilfe von US-Satellitendaten programmiert werden. Doch die Antwort wurde mit Taten gegeben, als die Ukraine am 19. November eine Raketensalve auf die russische Region Brjansk abfeuerte. Am selben Tag unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin ein Dekret zur Aktualisierung der russischen Atomwaffendoktrin, worin es heißt: „Eine Aggression gegen Rußland, die von einem Nicht-Atomwaffenstaat ausgeht, an der aber ein Atomwaffenstaat beteiligt ist oder die von einem Atomwaffenstaat unterstützt wird, stellt eine gemeinsame Aggression dar.“

Am nächsten Tag startete die Ukraine einen weiteren Angriff auf Rußland, diesmal mit britischen Storm Shadow-Raketen, obwohl Großbritannien wiederholt erklärt hatte, es habe dafür keine Genehmigung erteilt. Das bizarre Spiel der bewußt zweideutigen Eskalation geht also weiter, man überläßt es dem atomar bewaffneten Rußland, die Absichten des Westens zu „erraten“ und nach eigenem Ermessen zu reagieren. Der ukrainische Präsident Selenskyj ließ am Abend des 19. November die Katze aus dem Sack, als er zugab, daß die Erlaubnis erteilt worden sei und die Ukraine nun das russische Militär angreifen werde, „wo immer es sich befindet“.

Die Biden-Administration – oder wer auch immer derzeit in Washington das Sagen hat – macht sich auf den verrückten, verzweifelten Weg, die USA so in einen Krieg gegen Rußland zu verwickeln, daß Donald Trump oder irgendein anderer Präsident das nicht mehr rückgängig machen kann. Die Verantwortlichen setzen damit nicht nur skrupellos das Leben und die Zukunft aller Menschen auf der Erde aufs Spiel, sie mißachten auch völlig den verfassungsgemäßen Prozeß der friedlichen Machtübergabe an die neugewählte Regierung. Dafür zieht die Regierung Biden alle Register, wie die Entscheidung über die Langstreckenraketen zeigt – und wenig später hat sie sogar die Lieferung der weltweit geächteten Antipersonenminen (Landminen) an die Ukraine freigegeben.1

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wurde bei seiner Pressekonferenz am 19. November nach dem G20-Gipfel in Rio, also noch vor dem Raketenangriff auf Kursk am 20. November, auf die Medienberichte über Bidens Genehmigung des Einsatzes der ATACMS-Raketen angesprochen. Er machte die Position Rußlands deutlich:

Die nächste Frage an ihn bezog sich darauf, daß Putin an dem Tag den Beschluß zur Änderung der russischen Nukleardoktrin unterzeichnet hatte: Ob die Welt nach der amerikanischen Entscheidung und dem ersten Angriff auf russisches Territorium heute auf eine nukleare Antwort Rußlands vorbereitet sein müsse? Lawrow antwortete:

Lawrow verwies auf die rücksichtslose Rhetorik einer nuklearen Eskalation, die ab 2022 von Großbritannien, Deutschland und Frankreich ausging, und fuhr fort:

Welchen Weg schlägt Trump ein?

Werden Europa und die USA unter Trump sich in den hoffungsvollen historischen Prozeß einreihen, der sich rund um den Globus abspielt? Können die westlichen Länder ihr besseres historisches Erbe wiederentdecken – oder werden sie die Welt in den Ruin treiben, um den Aufstieg der „anderen“ zu verhindern? Diese Fragen standen noch nie so sehr im Mittelpunkt des Interesses und bieten uns eine einzigartige Gelegenheit, für Lösungen zu kämpfen.

Wir brauchen dringend ein übergeordnetes Leitprinzip für die Regierungen der Welt und ihr Handeln. Deshalb veranstaltet das Schiller-Institut am 7. und 8. Dezember eine außergewöhnliche internationale Online-Konferenz unter dem Titel „Im Geiste Schillers und Beethovens – Alle Menschen werden Brüder“ (siehe Einladung zur Konferenz in dieser Ausgabe). Die beste Vorbereitung auf diese Konferenz und die anschließenden Aktivitäten der LaRouche-Bewegung ist das Studium der „Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur“.3


Anmerkungen

1. Die 1997 vereinbarte Konvention gegen den Einsatz, die Lagerung, die Produktion und den Handel mit Landminen (Ottawa-Vertrag) wurde inzwischen von 164 Ländern ratifiziert, aber nicht von den Vereinigten Staaten.

2. Erklärung von 03.01.2022: Joint Statement of the Leaders of the Five Nuclear-Weapons States
on Preventing Nuclear War and Avoiding Arms Races
.

3. Helga Zepp-LaRouche, Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur.

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