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Neue Solidarität
Nr. 34, 22. August 2024

„Wir müssen unser verdammtes Imperium beenden“

Von Oberst Wilkerson

Oberst a.D. Lawrence Wilkerson, Oberst der US-Armee im Ruhestand und ehemaliger Stabschef von US-Außenminister Colin Powell, sagte auf dem Treffen der Internationalen Friedenskoalition am 9. August 2024 folgendes.

Vielen Dank, daß ich hier sein darf. Es ist mir ein Vergnügen – ich denke, das ist das richtige Wort – heute hier bei einem so bedeutenden Forum zu sein, und das an diesem besonderen Tag.

Ich denke, Anastasia [Battle, Moderatorin], Sie und Helga haben die einzelnen Situationen, mit denen wir heute konfrontiert sind, sehr gut beschrieben. Ich möchte etwas weiter ausholen und darüber sprechen, was meiner Meinung nach die wichtigste existentielle Bedrohung in der heutigen Welt ist. Ich möchte ein wenig darüber sprechen, wie wir meiner Meinung nach in diese Lage geraten sind und wie wir aus dieser Lage herauskommen könnten.

In diesen Zeiten irrsinniger Kriege in Übersee, die Helga sehr gut aufgezählt hat und die von Amerika bis zum äußersten gefördert und unterstützt werden; in Zeiten, in denen die USA innenpolitisch so unruhig sind wie seit 1860 nicht mehr; in Zeiten, in denen alle drei Zweige unserer Regierung eine extrem schlechte Führung an den Tag legen, sollten wir einen Moment innehalten und eine Bilanz ziehen. Wie meine beiden Vorrednerinnen bereits angedeutet haben und Helga mehr als nur angedeutet hat, steht vielleicht sogar unsere Existenz auf dem Spiel.

Die Geschichte der Imperien des Menschen ist für mindestens 3000 Jahre gut dokumentiert, und zumindest skizzenhaft für etwa 2000 weitere Jahre. Diese Zeitspanne ist minimal im geologischen Sinne, schließlich gibt es den Menschen seit 300.000 Jahren und seit mindestens 50.000 Jahren in nennenswertem Umfang. Aber in diesem Zeitraum von 5000 Jahren sind Hunderte von großen und kleinen Imperien gekommen und gegangen.

Das ist ein wichtiger Punkt: Alle sind verschwunden – vergangen, weg! – außer dem jüngsten, dem amerikanischen – historisch gesehen ein sehr junges Imperium, von 1945 bis heute, also etwa 75 Jahre.

Alle früheren Reiche – das mächtige mongolische, das noch mächtigere mogulische, das ost- und weströmische, das persische, das muslimische, das britische (von dem es hieß, daß die Sonne darin nie unterging), das sowjetische und hunderte kleinere – sind verschwunden! Sie haben sich in Rauch aufgelöst! Alle hatten ihre hellen Tage und in vielen Fällen auch ihren finsteren Untergang. Mit einigen ging es relativ sanft bergab, wie bei den Briten, andere endeten katastrophal, wie das militärisch geschmiedete Dritte Reich unter Adolf Hitler. Aber von diesen vielen früheren Imperien hatte kein einziges – null, nada – die Technologie entwickelt, um sich selbst und den Rest der Menschheit zu zerstören. Keines!

Ja, viele hatten vorausschauende Propheten, die den Zorn ihrer jeweiligen göttlichen Vorsehung heraufbeschworen, um die völlige Zerstörung des Reiches vorherzusagen, die sie predigten und prophezeiten. Aber bei allen solchen religiösen oder quasi-religiösen Prognosen schien es, daß ihre Gottheiten niemals viel mehr Macht hatten, als ihre politischen Mächte zu unterstützen und ihren Einfluß auf die Massen zu stärken – bis das amerikanische Imperium kam. „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten“ lautet ein Satz, der manchmal Robert Oppenheimer, dem Vater der Atombombe, zugeschrieben wird und der eigentlich von Vishnu aus der Bhagavad Gita stammt. Apokryph oder nicht, was Oppenheimer betrifft, fassen die Worte recht gut zusammen, was das Manhattan-Projekt und Oppenheimer erreicht haben und womit wir heute leben und vielleicht auch sterben werden: Ein einziges U-Boot mit einer ballistischen Rakete trägt genügend Waffen, um die Welt, wie wir sie kennen, zu zerstören.

Ein einziges U-Boot! Sollten die Explosion und die daraus resultierende Strahlung nicht ausreichen, würde der nukleare Winter den Rest erledigen. Der Himmel bewahre uns davor, einen nuklearen Schlagabtausch auch nur in Erwägung ziehen, bei dem alle oder fast alle der Tausenden und Abertausenden von Atomwaffen – 10.000 in zwei Ländern – eingesetzt werden, unter den inzwischen neun Atomwaffenstaaten, angefangen bei den riesigen Beständen der USA und Rußlands bis hin zu dem kleinen, aber tödlichen Nordkoreas.

Und was hat Amerika, mein Land, in den letzten 22 Jahren getan, um die Gefahr eines solchen atomaren Schlagabtauschs zu verzehnfachen? Ganz zu schweigen von den unmittelbaren Problemen, die wir jetzt im Nahen Osten und in der Ukraine im Herzen Europas haben?

Wir, die Amerikaner, haben fast im Alleingang jede Vertragsregelung kaputtgemacht, vom Raketenabwehrvertrag (Anti-Ballistic Missile Treaty, ABM-Vertrag) über den Vertrag über die nuklearen Mittelstreckenwaffen (Intermediate Nuclear Force Treaty, INF-Vertrag) – ein sehr wichtiger Vertrag, der sehr gut auf die Ukraine anwendbar ist – bis hin zum neuen Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen (New START Treaty). Diese Verträge sorgten wenigstens für ein zaghaftes, anfälliges Gleichgewicht und für eine Zurückhaltung gegenüber dieser schrecklichen und inzwischen weitverbreiteten Schöpfung des amerikanischen Imperiums: den Atomwaffen.

Ich wiederhole: Kein Imperium in der gesamten Menschheitsgeschichte hat jemals die Mittel entwickelt, um sich selbst und die menschliche Ethnie zu vernichten – keines, bis Amerika kam. Natürlich hätten andere das mit der Zeit auch getan, kein Zweifel. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß wir es getan haben! In der Tat, wir haben das vollbracht! Und schlimmer noch, es gibt nichts daran herumzudeuteln, daß wir jetzt für die Aufhebung aller Atomwaffenverträge verantwortlich sind.

Was bedeutet das für uns alle? Wie ich bereits zu Beginn meiner Ausführungen sagte, führt es uns in die gefährlichste Welt, die eine imperiale Macht je geschaffen hat. Noch schlimmer ist, daß wir es dabei mit der wichtigsten imperialen Macht der Welt, Amerika, zu tun haben, die schreckliche und sinnlose Kriege organisiert. Ein Land ohne Führung, ohne innere Ruhe und sogar ohne gesunden Menschenverstand: Das ist die Situation, in der wir uns heute befinden. Es wäre das Thema einer köstlichen Shakespeare-Komödie, oder vielleicht einer Tragödie, wenn es nicht so existentiell ernst wäre.

Nachdem ich nun mein düsteres Bild der Situation in Bezug auf diese tödlichen Waffen gezeichnet habe, sollte ich wahrscheinlich innehalten und etwas Hoffnung machen. Das fällt mir schwer, denn ich kenne die Dummheit der Führung in Washington, ich habe sie persönlich erlebt, in einer Weise, die mich nie mehr losläßt und mich bis zu meinem Tod begleiten wird. Die Regierung von George W. Bush war voll von den Problemen, die ich soeben nur allgemein und kurz beschrieben habe.

Aber im Namen des Optimismus möchte ich etwas Hoffnung geben, ich selbst habe Hoffnung. Die Antwort ist die Demokratie – dieses müde, schwer angeschlagene, hart umkämpfte Regierungskonzept, das unsere Gründerväter so sehr liebten und schätzten, unabhängig davon, wie sehr sie es anfangs mit Sklaverei und Landadel kontaminiert haben mögen. Die Menschen in diesem Land müssen sich gegen ihren drohenden Selbstmord wehren! Die Menschen müssen widersprechen, widersprechen, widersprechen und protestieren und protestieren. Sie müssen lausige Politiker rauswählen, neue heranbilden und wählen, die deren Platz einnehmen, und immer weiter protestieren! Sie müssen sektiererische politische Bewegungen als das zurückweisen, was sie sind: nicht anderes als eine moderne Variante der düsteren Propheten von einst, die letztendlich nichts anderes taten, als die imperiale Herrschaft zu stärken – und die übrigens auch ihre Milliardäre hatten.

Wir müssen anständige, mitfühlende Männer und Frauen finden, die die „nützlichen Idioten“ ersetzen – das war Bibi Netanjahus Ausdruck. Die wahren nützlichen Idioten saßen vor ihm im Kongreß der Vereinigten Staaten, und sie taugen für die abscheulichsten, hinterhältigsten und gefährlichsten Motive und Handlungen des Imperiums, Männer wie Lindsey Graham und Frauen wie Marjorie Taylor Greene, und die müssen wir durch viel bessere ersetzen! Mark Twain sagte einmal in einem seiner vielen humoristischen Momente: „Es gibt eigentlich keine eindeutig amerikanische Verbrecherklasse – außer dem US-Kongreß.“ Heute würde Twain sicher noch einen draufsetzen.

Wir müssen uns für Veränderungen einsetzen und unablässig und direkt gegen die häßliche Fratze des Imperiums kämpfen. Und wir müssen auf jede erdenkliche Art und Weise und auf jeder Ebene in der Heimat des Imperiums, hier im sogenannten Land der Freiheit, unermüdlich daran arbeiten, den Kurs des Imperiums zu ändern! Auch damit das Imperium möglichst sanft und mit wenig Schaden den Weg bergab nimmt und endet, wenn wir das schaffen.

Wir müssen diese dummen, endlosen Kriege beenden, von denen jeder einzelne das Potential hat, sich bis zum Einsatz von Atomwaffen auszuweiten! Wie gerade gesagt wurde, gibt es in unseren Streitkräften Offiziere, die – wie in den frühen 1950er Jahren, als sie es nicht besser wußten – über den Einsatz, den Nutzen von Atomwaffen diskutieren.

Eine Möglichkeit besteht darin, sich ständig für die Reduzierung der unglaublichen 700-800 Überseestützpunkte dieses Imperiums einzusetzen, die diese Kriege ermöglichen und in gewisser Weise sogar auslösen! Wir machen uns auf der ganzen Erde breit! Da können uns nicht einmal die Briten das Wasser reichen. Und es verseucht das Gefüge unserer Nation, wenn wir uns auf diese Weise breitmachen.

Eine weitere wichtige Anstrengung, die meine Bemerkungen hoffentlich nahelegen, muß darin bestehen, mit Nachdruck für neue Nuklearverträge einzutreten, und zwar diesmal unter Einbeziehung aller Atomwaffenstaaten, auch des weltweiten Pariastaates, der heute in Gaza einen Völkermord begeht, Israel. Auch wenn heulend und schreiend – sie müssen in das neue Atomwaffenregime hineingebracht werden!

Ich hoffe, Sie haben das Bild verstanden. Wir alle, die wir uns Sorgen machen, und das sind viele, müssen unsere Republik und unsere Demokratie zurückgewinnen und unser verdammtes Imperium beenden! Und zwar schnell, nicht langsam. Ich danke Ihnen.

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