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Von Botschafter a.D. Dr. Seyed Hossein Mousavian
Man hat mich gebeten, einen kurzen Bericht über die jüngsten Gespräche zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten zu geben. Um es kurz zu machen: Wie wir alle wissen, gab es bisher drei Verhandlungsrunden. Die erste Runde fand am 12. April in Maskat statt, die zweite Runde am 19. April in Rom. Nach diesen beiden Verhandlungsrunden erklärten beide Länder offen und offiziell, die Verhandlungen seien sehr konstruktiv und positiv verlaufen. Ehrlich gesagt, waren die Fortschritte in diesen Verhandlungen viel größer als erwartet.
Soweit ich weiß, basieren die vereinbarten Grundsätze auf folgenden Punkten:
Dies waren die drei wichtigsten Punkte, um die größten Bedenken auszuräumen und den USA zu versichern, daß der Iran nicht nach einer Atombombe strebt. Im Gegenzug erklärten sich die USA bereit, die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm aufzuheben.
Nach der zweiten Runde in Rom am 19. April war beschlossen worden, unverzüglich am 23. April technische Gespräche auf Expertenebene aufzunehmen. Die beiden Expertenteams sollten einen Entwurf für eine Vereinbarung ausarbeiten, in der die Grundsätze zwischen dem Iran und den USA festgelegt werden sollten. [Der US-Sonderbeauftragte] Steve Witkoff und [der iranische Außenminister] Abbas Araghtschi sollten sich am 26. April in Oman treffen, um diesen Entwurf fertigzustellen und hoffentlich zu unterzeichnen. Die Omanis bereiteten sich auf die Unterzeichnung vor, und die Fortschritte waren sogar so erfolgreich, daß Präsident Trump nach der zweiten Runde öffentlich erklärte, er halte die Verhandlungen für sehr erfolgreich und gehe davon aus, daß dort eine Einigung erzielt werde. „Es wird passieren, ich bin mir ziemlich sicher, daß es passieren wird.“ Der US-Präsident war fast sicher, daß das Abkommen unterzeichnet würde. Doch ein oder zwei Tage vor dem Treffen der technischen Teams in Oman rief [Israels] Ministerpräsident Netanjahu Präsident Trump an. Und unmittelbar nach diesem Telefonat haben die USA die Reise des US-Expertenteams nach Oman verschoben.
Wir wissen nicht, ob das auf Wunsch von Netanjahu geschah oder was genau passiert ist, jedenfalls wurde die Reise von der US-Seite verschoben. Daraufhin gab Ministerpräsident Netanjahu eine öffentliche Erklärung ab, in der er sagte, er habe Präsident Trump mitgeteilt, daß man dem Iran nicht erlauben dürfe, Uran anzureichern, und das einzige für Israel akzeptable Abkommen sei das „Libyen-Modell“.
Wir alle wissen, was das Libyen-Modell ist: Das Libyen-Modell umfaßte, daß die libyschen Nuklearanlagen vollständig abgebaut wurden. Nach diesem Abbau hat die NATO Libyen angegriffen und das Land zerstört. Genau dieses Modell hat Ministerpräsident Netanjahu öffentlich als das einzige für Israel akzeptable Modell bezeichnet.
Trotzdem einigte man sich darauf, die dritte Verhandlungsrunde am 26. April in Oman abzuhalten, obwohl die für den 23. April geplanten Treffen der technischen Teams abgesagt worden waren.
In der Zwischenzeit geschah jedoch folgendes: Es kam zwar zu einer dritten Verhandlungsrunde, aber es stellte sich heraus, daß die USA ihre Position geändert hatten. Bei diesem Treffen traten viele Schwierigkeiten auf, und es war klar, daß die USA einige erhebliche Rückzieher machten in Bezug auf das, was in der ersten und zweiten Verhandlungsrunde bereits vereinbart worden war. Dennoch einigte man sich darauf, sich am 23. Mai wieder zu treffen. Aber seit dem 26. April, vor dem 23. Mai, kam es zu neuen Komplikationen. Denn US-Außenminister Marco Rubio erklärte in einem Interview öffentlich, der Iran müsse die Urananreicherung vollständig einstellen; der Iran müsse US-amerikanischen Inspektoren Zugang zu allen iranischen Nuklearanlagen gewähren; und der Iran müsse sich vom Terrorismus distanzieren und auf Urananreicherung und auf Langstreckenraketen verzichten.
Ich war ehrlich überrascht. Der US-Außenminister behauptete, die einzigen Länder auf der Welt, die Uran anreichern, seien diejenigen, die Atomwaffen besitzen. Wenn der Iran keine Atomwaffen wolle, dürfe er auch keine Urananreicherung betreiben, weil es keinen anderen Nicht-Atomwaffenstaat mit Anreicherungskapazitäten gebe. Das ist ein großer Irrtum, denn jedermann weiß, daß Japan, Argentinien, Brasilien, Deutschland, die Niederlande und Spanien über Anreicherungsanlagen verfügen, aber keine Atomwaffen besitzen. Es gibt also viele Nicht-Atomwaffenstaaten, die friedliche Anreicherung betreiben, ohne Atomwaffen zu besitzen.
Ich war wirklich schockiert, daß der Außenminister eine solche Aussage machte, daß nur Atomwaffenstaaten Anreicherung betreiben und sonst keine anderen Länder. Er rechtfertigte seine Position praktisch damit, daß der Iran Anreicherung betreiben wolle, um Atomwaffen zu bauen.
Dazu kommt Präsident Trumps Entscheidung, daß alle Käufe von Erdöl oder petrochemischen Produkten aus dem Iran sofort eingestellt werden müssen. Jedes Land und jede Person, die Öl oder petrochemische Produkte aus dem Iran kauft, wird sofort mit sekundären Sanktionen belegt. Sie dürfen keine Geschäfte mit den USA machen, wenn sie Geschäfte mit dem Iran machen.
Das war eine sehr schockierende und überraschende Entscheidung, denn die Verhandlungen waren gerade in vollem Gange und man hatte sich gerade auf die Grundsätze geeinigt. Man wollte sich treffen und eine Vereinbarung über die Grundsätze unterzeichnen. Aber der US-Präsident hat sich nicht nur vor den Verhandlungen auf die Politik des „maximalen Drucks“ festgelegt, sondern auch während der Verhandlungen den Druck und die Sanktionen auf das höchstmögliche Niveau verschärft.
Charlie Kirk [ein Pro-Trump-Aktivist] hat vor zwei Tagen einen Tweet gepostet und schrieb darin, daß die Foundation for Defense of Democracy (FDD) – jeder weiß, daß es sich dabei um die Israel-Lobby handelt – die Operation gegen Witkoff anführt. Sie rufen offen dazu auf, daß Leute in der US-Regierung Präsident Trump untergraben und das Abkommen mit dem Iran stoppen sollen.
Noch interessanter ist, daß Donald Trump jun. schrieb: „Die Neocons des Deep State diffamieren Steve Witkoff, weil sie versuchen, die außenpolitische Agenda meines Vaters zu untergraben. Das Establishment will den ewigen Krieg.“
Das hat der Sohn des Präsidenten vor ein oder zwei Tagen getwittert.
Ein weiterer interessanter Beitrag war das Interview der Direktorin der Nationalen Geheimdienste, Tulsi Gabbard, mit Megyn Kelly. Sie sagte, daß die Falken Druck auf Trump ausüben, um ein friedliches Atomabkommen mit dem Iran zu verhindern. Sie verwies auf die FDD und sagte, diese wolle die USA in einen Krieg mit dem Iran hineinziehen. Die US-Geheimdienste seien der Ansicht, daß es ein Abkommen auf der Grundlage von Verifizierungen sein sollte; die maximale Verifizierung sei das beste Ziel, um zu garantieren, daß das iranische Atomprogramm friedlich bleibt. Und daß das, worauf sich Steve Witkoff mit seinem iranischen Amtskollegen geeinigt habe, auf Verifizierungen basiere – maximale Stufe der Verifizierung, uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der IAEO, Beschränkung der Anreicherung unter 5%, Ausfuhr aller Bestände an hochangereichertem Uran usw.
Ich weiß nicht, ob Sie es gelesen haben, aber Senator Ted Cruz hat in einem Interview mit Fox den Präsidenten der Princeton University aufgefordert, mich zu entlassen, weil ich eine friedliche Atomdiplomatie mit dem Iran vorschlage, die einen Krieg zwischen den USA und dem Iran verhindert. Er hat auch das Heimatschutzministerium aufgefordert, mich aus den USA auszuweisen.
Aber ich habe ihn in einem Tweet zu einer öffentlichen Debatte eingeladen. Ich habe vorgeschlagen, daß wir eine öffentliche Debatte abhalten und das Urteil dem amerikanischen Volk überlassen. Ich habe ihm geantwortet, falls er das Angebot nicht annimmt, würde ich ihn mindestens bitten, einige der Bücher und Artikel zu lesen, die ich in den letzten 15 Jahren während meiner Arbeit an der Princeton University geschrieben habe. Dann sieht man, daß dort immer im Mittelpunkt steht, Frieden zwischen dem Iran und den USA zu schaffen; eine friedliche Lösung der iranischen Atomkrise auf der Grundlage des Atomwaffensperrvertrags zu finden; zu verhindern, daß Amerika in noch einen verheerenden Krieg im Nahen Osten hineingezogen wird; Frieden, Stabilität und Sicherheit im Persischen Golf zu fördern; und den Nahen Osten von allen Massenvernichtungswaffen zu befreien.
Ich habe den Senator auch daran erinnert, falls er es vielleicht nicht weiß, daß ich 2007 wegen Spionage im Iran verhaftet wurde. Ich wurde inhaftiert und mußte 2009 das Land verlassen. Es besteht dort immer noch eine Haftstrafe gegen mich, die mir die Einreise in den Iran verbietet. Dennoch appellierte ich an ihn, Präsident Trumps Bemühungen um eine friedliche Lösung des Streits mit dem Iran in der Atomfrage nicht zu behindern. Die beiden Staatschefs des Iran und der USA lehnen Atomwaffen im Iran ab; daher bestehen gute Chancen für den Frieden. Weniger als einen Tag später antwortete Senator Cruz auf meine Einladung; er lehnte sie ab und schrieb: „Sie sollten aus den USA ausgewiesen werden.“
Angesichts all dieser widersprüchlichen Aussagen [über die Ankündigung neuer Sanktionen] – von Außenminister Marco Rubio, von Geheimdienstdirektorin Tulsi Gabbard und von Präsident Trump – weiß ich wirklich nicht, wie die amerikanische Politik in der nächsten Verhandlungsrunde sein wird. Aber ich bin zuversichtlich.
Ich habe keinen Zweifel daran, daß der Iran niemals ein Abkommen akzeptieren wird, wenn man ihm seine legitimen Rechte aus dem Atomwaffensperrvertrag vorenthält, wozu auch die friedliche Anreicherung von Uran gehört, wie sie andere Länder wie Brasilien und Argentinien praktizieren – selbst wenn die Folgen weitere Sanktionen oder Krieg sind. Wenn Witkoff das vereinbarte Abkommen auf der Grundlage von Verifizierungen fortsetzen will, würde der Iran die Verhandlungen fortsetzen und einer Einigung zustimmen.
Weitere Beiträge der Internationalen Friedenskoalition (IPC)
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