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In der zweiten Folge ihres „Live-Dialogs mit Helga Zepp-LaRouche“1 sprach die Vorsitzende des Schiller-Instituts und der Bürgerrechtsbewegung Solidarität am 8. Januar mit dem amerikanischen früheren UN-Waffeninspektor und Antikriegsaktivisten Scott Ritter, der bekannt dafür ist, daß er kein Blatt vor den Mund nimmt. Im Mittelpunkt stand die Frage, was von der kommenden Präsidentschaft Donald Trumps in Amerika zu erwarten und zu hoffen ist.
Ritters Einschätzung dazu lautete:
„Ich denke, wir werden sehen, daß Präsident Trump ein Präsident sein wird, der in jeder Hinsicht die Spielregeln ändert. Das ist keine Präsidentschaft wie jede andere; es ist nicht das, was das Duopol in Amerika normalerweise hervorbringt – jemand aus dem Establishment…
Trump sagt, daß er nicht der Weltpolizist sein will. Das bedeutet, daß er nicht nur keine Kriege im Ausland führen will, sondern auch nicht will, daß die CIA Konflikte im Ausland schafft, in denen die Vereinigten Staaten vielleicht kämpfen müssen. Er hat zu Recht mehrfach gesagt: Die größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten sind die Vereinigten Staaten selbst.
Das bedeutet, unser Verhalten in der Welt ist das Problem. Und die Lösung besteht nicht nur darin, dieses Verhalten zu beenden, sondern auch, die Organisationen umzustürzen, die dieses Verhalten fördern und begünstigen. Die CIA ist eine solche Organisation – der Tiefe Staat, die Art und Weise, wie sich das Establishment in die Gestaltung der amerikanischen Politik einmischt.“
Ritter fuhr fort:
„Er will auch Strukturen im Ausland zerschlagen, die lange für Amerika als unantastbar galten, wie die NATO. Ich glaube nicht, daß die NATO unter der Trump-Regierung noch lange fortbestehen wird… Anstelle der ,größten Einigkeit, die wir je erlebt haben‘, sehen wir schon tiefe Risse, tödliche Risse in der europäischen Regierungsarchitektur. Und Trump wird das ausnutzen; Trump wird sein Bestes tun, um sich aus den Verstrickungen der NATO, der Europäischen Union und anderer Vertrags- und Bündnisstrukturen, die es mit dem Ausland gibt, zu lösen.“
Man solle aber nicht denken, daß die USA unter Trump die Souveränität anderer Länder mehr achten würden als unter seinen Vorgängern, betonte Ritter:
„Trump respektiert die Souveränität von niemandem außer den Vereinigten Staaten. Das ist die Realität mit Trump. Aber die Welt sagt, sie will Veränderung. Nun gibt es Veränderung. Sie glauben doch nicht, daß Amerika jemanden hervorbringen kann, der zu den Veränderungen fähig ist, die Sie begrüßen, und der dann noch sagt: ,Ich halte mich an das Völkerrecht. Ich halte mich an die regelbasierte Weltordnung.‘ Verstehen Sie? Donald Trumps Amerika trennt sich von der regelbasierten Weltordnung. Es ist eine Scheidung! Die Ehe zwischen den Vereinigten Staaten und Europa ist vorbei, beendet. Scheidungen sind immer häßlich.“
Auf Zepp-LaRouches Frage, was das für die Bundestagswahl in Deutschland bedeutet, antwortete Ritter:
„Deutschland muß verstehen: Die Welt, wie Sie sie kennen, gibt es nicht mehr. Sie sind in den letzten drei bis vier Jahrzehnten unter dem Schutz, dem Schirm der Vereinigten Staaten aufgewachsen. Das ist aus und vorbei. Trump wird damit Schluß machen.“
Allerdings schloß Ritter nicht aus, daß Trump bei bestimmten Problemen mit einigen Regierungen in Europa zusammenarbeitet, z.B. mit Giorgia Meloni aus Italien, Viktor Orban aus Ungarn, Robert Fico aus der Slowakei und anderen Kräften mit einer kritischen Haltung zur rußlandfeindlichen Politik und zur Europäischen Union.
„Aber das sollte man nicht ,transatlantisch‘ nennen, auch wenn es geographisch so erscheint, denn die transatlantischen Beziehungen sind mit Amerikas Verhältnis zur NATO und zur Europäischen Union verbunden. Gemeint ist eine Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Italien, den Vereinigten Staaten und Ungarn, den Vereinigten Staaten und der Slowakei, den Vereinigten Staaten und Österreich. Unabhängige Nationen, Nationen, die sich aus dem intellektuellen Gefängnis der Europäischen Union befreit haben.
Wenn also nun in Deutschland gewählt wird, möchte Deutschland dann als Deutschland eine Beziehung zu den Vereinigten Staaten haben? Eine Beziehung, die die Vereinigten Staaten respektieren würden? Oder bleibt Deutschland ein Gefangener dieses künstlichen Gebildes namens Europäische Union und dieses gescheiterten Bündnisses namens NATO? Wenn Deutschland Teil der Europäischen Union und der NATO sein will, dann wird es Probleme mit den Vereinigten Staaten bekommen. Wenn Deutschland aber sagt: ,Nein, wir sind unabhängig; wir sind fähig, unseren eigenen Weg zu gehen, und unser Weg kann sich mit dem euren decken, wenn es um Stabilität in Europa und Frieden mit Rußland geht‘, dann werden die Vereinigten Staaten meiner Meinung nach bereit sein, mit euch zu reden.“
Auf die Frage nach der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland antwortete Ritter:
„Donald Trump respektiert Stärke… Ein selbstbewußtes Deutschland, das aufsteht und sagt: ,Ich glaube an das, was für Deutschland am besten ist‘ – das würde Trump respektieren. Trump respektiert kein Deutschland, das sich der Europäischen Union und der NATO unterordnet. Trump hat keine Verwendung für dieses Deutschland – aber Trump respektiert starke unabhängige Stimmen.“
Ritter riet seinen deutschen Hörern angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl:
„Ich denke, die deutsche Geschichte wird sich auf jeden Fall ändern. Die Frage ist, ob sie sich weiter in Richtung Katastrophe entwickeln wird. Das ist die Richtung, in die Sie sich gerade bewegen. Was Sie die Ampel nennen – ich nenne es die gescheiterte Regierung von Olaf Scholz –, hat Deutschland auf eine Ausfahrt gelenkt, die in die Katastrophe führt. Aber es gibt eine Chance, Deutschland auf der Autobahn in Richtung Erfolg zu halten. Doch dafür müssen Sie den Fahrer wechseln. Das bedeutet, daß diese Wahlen eine wirkliche Veränderung bringen müssen, keine bloße Umformulierung der gescheiterten Politik, sondern eine völlig neue Politik, eine neue politische Richtung.“
Helga Zepp-LaRouche betonte ihrerseits:
„Aber da sind noch zwei Faktoren, die man, glaube ich, sehen muß. Das eine ist: Die Menschen in dem, was man den kollektiven Westen nennt, haben im Grunde keine Ahnung von den dramatischen Veränderungen, die im Globalen Süden, bei der Globalen Mehrheit stattgefunden haben. Da ist eine Renaissance von antikolonialistischem Geist, wie er noch nie vorher da war… Da ist im Augenblick eine absolute Entschlossenheit, ein neues Wirtschaftssystem zu bauen, das auf einer Win-Win-Perspektive basiert, das auf der Idee der Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz basiert: auf einem Respekt für die Souveränität des anderen, Nichteinmischung in die sozialen Umstände des anderen Staates usw. Und das ist eigentlich ein Modell, das für Afrika, Asien und selbst für einige lateinamerikanische Staaten ganz klar die Idee gebracht hat, daß es viel profitabler ist, mit China zu kooperieren als mit den USA, wenn man von den USA quasi nur als Flugzeugträger benutzt wird… Die Länder, die mit China kooperieren, merken plötzlich: Sie kriegen Straßen, Schnellbahn, Industrieparks, generell Infrastruktur, Ausbildung ihrer Studenten. Und da ist ein Prozeß im Gang…, das ist eigentlich alles eine Blowback-Reaktion gegen die Instrumentalisierung des Dollars als Waffe der Sanktionen usw.“
Sie fuhr fort:
„Die Länder des Globalen Südens sind zu dem Schluß gekommen, daß der Westen – zumindest der Westen mit dem neoliberalen Paradigma, wovon Trump ja abweicht – ein untergehendes System ist. Und sie sind fest entschlossen, ihre eigene Ordnung zu bauen.
So sagen viele asiatische Staaten, sie kommen aus 5000 Jahre alten Kulturen, sie beleben diese alten Traditionen und nehmen daraus eine Gewißheit, ihre Zukunft selbständig gestalten zu können. Das ist ein anderer Geist! Das kann man überhaupt nicht vergleichen mit der Diskussion, die z.B. in Europa geführt wird oder in den Vereinigten Staaten. Aber es ist eine Realität, und die beflügelt diese Staaten. Und ich hielte es für eine absolut tragische Entwicklung, wenn wir im Westen es nicht schaffen würden, uns auf dieses Ende des Kolonialismus zu beziehen…
Es wäre die Idee, daß die USA endlich aufhören, die Sonderbeziehung mit England als Basis ihrer Politik zu betrachten, sondern zu den Idealen der Amerikanischen Revolution zurückkehren. Nicht nur George Washington und Benjamin Franklin, sondern vor allem auch in der Außenpolitik von John Quincy Adams, der ja gesagt hat, es ist nicht die Aufgabe der USA, ,ins Ausland zu gehen und Monster zu verfolgen‘, sondern wir brauchen eine Allianz gleichberechtigter Republiken, mit denen wir kooperieren.
Deshalb denke ich, die Zukunft der nächsten etwa 50 Jahre wird ganz entscheidend davon abhängen, ob wir es im Westen schaffen, uns unserer eigenen besten Traditionen zu erinnern und diese Exzesse des neoliberalen Modells – einschließlich seiner kulturellen Komponente, die ja lautet, alles ist erlaubt und es gibt überhaupt keine Standards mehr –, daß wir das begradigen und dann von dem gleichberechtigten Standpunkt mit diesen Völkern in Eurasien, in Afrika, auch Lateinamerika kooperieren. Und ich denke, das ist eine kulturelle Komponente der strategischen Lage, die höchstwahrscheinlich das wichtigste von allem ist.“
Den Mitschnitt des 75-minütigen Gesprächs finden Sie (mit Simultanübersetzung) im Internet unter: https://schillerinstitute.com/de/blog/2025/01/07/
alh
Anmerkung
1. Am 1.1. sprach Helga Zepp-LaRouche mit dem ehemaligen CIA-Analysten und Mitbegründer der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) Ray McGovern. Der „Live-Dialog mit Helga Zepp-LaRouche“ ist immer mittwochs ab 18:30 MEZ sowohl auf der Internetseite des Schiller-Instituts als auch auf der Internetseite der BüSo (mit Simultanübersetzung englisch-deutsch).
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