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Neue Solidarität
Nr. 43, 24. Oktober 2024

Vergeltung ist kein Weg zum Frieden –
Die Welt braucht eine Friedensordnung!

Von Jason Ross und Alexander Hartmann

Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels wartet die Welt mit Schrecken auf die angekündigten Militärschläge Israels gegen den Iran. Aber es gibt auch Grund zur Hoffnung: Der Großteil der Welt, angewidert von der Untätigkeit der alten westlichen Mächte und der Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen, denkt über neue Formen der internationalen Beziehungen nach. Die Diskussionen über eine Umgestaltung des UN-Sicherheitsrates nehmen an Fahrt auf, und die relativ neue Plattform der BRICS zieht Länder aus der ganzen Welt an.

Welche Rolle sollten solche internationalen Institutionen und einzelne Länder spielen? Die transatlantischen Staaten brauchen dringend eine umfassende Neuorientierung – allen voran die Vereinigten Staaten. Während die USA Billionen von Dollar für Kriege und Waffen verschwenden, ist ihre eigene Infrastruktur in einem katastrophalen Zustand. Man denke nur an die jüngsten Hurrikan-Überschwemmungen in Nord-Carolina, bei denen über hundert Menschen ums Leben kamen. Schätzungen zufolge hätten bis zu 90% der Todesfälle durch einen besseren Hochwasserschutz verhindert werden können.

Die fatalen Folgen der grünen Ideologie zeigen sich auch in Florida, wo die Hochwasserschutz-Verantwortlichen eine Wiederherstellung von „natürlichen Lebensräumen“ mit einem Rückbau der Infrastruktur zur Wasserregulierung vorhaben. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Wenn der Mensch vernünftig handelt, verbessert er die Umwelt durch den Aufbau von dem, was wir „Infrastruktur“ nennen, und schafft so eine nachhaltige, künstliche Umwelt, die der unberührten Natur weit überlegen ist. Die Vereinigten Staaten müssen sich dringend wieder auf die Prinzipien der Amerikanischen Revolution besinnen und aufbauen, was im Inland und international gebraucht wird, anstatt tödliche Konflikte mit Rußland, China und dem Iran zu schüren.

Man denke an die Situation in Südwestasien: Die Lage im Libanon wird der im Gazastreifen immer ähnlicher. Israels Evakuierungsbefehle gelten dort inzwischen für mehr als ein Viertel des Landes, und selbst die UN-Friedenstruppen sind nicht sicher. Ministerpräsident Netanjahu hat US-Präsident Biden zwar versichert, im Iran nur militärische Ziele anzugreifen, aber das bleibt zweifelhaft. Die iranischen Atomanlagen, die Israel seit langem im Visier hat, sind unterirdisch und verteilt über das ganze Land – ein einzelner Angriff könnte sie nicht zerstören, es sei denn, Israel würde seine Atomwaffen einsetzen.

Aber Vergeltung ist kein Weg zum Frieden! Wie der Westfälische Friede von 1648 gezeigt hat, kann die Lösung für unlösbar erscheinende Probleme nur aus der Zukunft kommen – aus der Vorstellung von einer Welt, wie sie sein sollte, anstatt in der Vergangenheit zu verharren. Diese großartige Lektion findet sich schon in den Eumeniden des Aischylos.

Während die etablierten westlichen Medien so tun, als würde Präsident Putin die Welt in einen nuklearen Konflikt treiben, ist die Atomkriegsübung Steadfast Noon der NATO in vollem Gange, wo mehrere Länder den Einsatz von Kernwaffen (gegen Rußland) üben. Wie würde die Welt aussehen, wenn man Billionen statt in tausende überflüssige Atomwaffen in Infrastruktur investiert hätte?

Ein Blick auf die Prioritäten Chinas genügt. Sein Rang im globalen Innovationsindex steigt ständig, es investiert mehr als eine halbe Billion Dollar jährlich in Forschung und Entwicklung. Gleichzeitig übernimmt China auch Verantwortung bei den diplomatischen Initiativen zur Entschärfung der Konflikte.

So hat Chinas Spitzendiplomat Wang Yi am 14. Oktober mit den Außenministern Israels und des Iran telefoniert, wie die Global Times berichtet. Wang sagte dem israelischen Außenminister Katz, daß China einen sofortigen, vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln fordert. China betrachte jedes Menschenleben als wertvoll, unabhängig von Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit. Gewalt mit Gewalt zu beantworten, führe zu keiner Lösung. Die Palästinafrage sei ein zentrales Thema in der Region und eine Zwei-Staaten-Lösung der Weg in die Zukunft. Wang forderte Israel auch auf, die Sicherheit und den Einsatz von UN-Personal im Südlibanon zu gewährleisten.

Am selben Tag führte Wang Gespräche mit dem iranischen Außenminister Seyyed Abbas Araghchi. Araghchi sagte, der Iran schätze Chinas Einfluß in internationalen Angelegenheiten und begrüße dessen Unterstützung bei der Lösung der Situation durch diplomatische Mittel. China habe eine wichtige Rolle bei der Versöhnung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gespielt und setze sich nun für ein zweites Treffen des trilateralen Gemeinsamen Ausschusses China-Iran-Saudi-Arabien ein.

Wir brauchen ein neues Paradigma!

Aber es reicht nicht, die akuten Konflikte zu entschärfen, wir müssen das geopolitische Paradigma überwinden, das derartige Konflikte erzeugt. Auch das ist in China ein großes Thema. Am 13. Oktober erschien in der halboffiziellen Global Times eine Stellungnahme des Redaktionsausschusses, worin das Scheitern der Weltordnung der Ära seit dem Zweiten Weltkrieg offen angesprochen und die Schaffung eines „neuen Paradigmas“ in den internationalen Beziehungen gefordert wird.

Der Artikel beginnt mit einem Zitat aus einer Rede des Generaldirektors der Abteilung für Rüstungskontrolle des chinesischen Außenministeriums, Sun Xiaobo, der am 10. Oktober vor einem UN-Ausschuß für Abrüstung und internationale Sicherheit eine „Welt ohne Atomwaffen“ forderte. Die Global Times kommentiert dies: „Die internationale Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg, einschließlich der nuklearen Abschreckungsstrategie des Kalten Krieges, hat die grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit Atomwaffen nicht angemessen behandelt. Das Konzept der Gegenseitig Zugesicherten Zerstörung mag zwar direkte Konflikte zwischen Atommächten verhindert haben, aber es ließ die Welt ständig im Schatten der nuklearen Bedrohung leben.“

Die Redakteure verweisen auf die sich verändernde globale Dynamik, die beispielsweise dazu geführt habe, daß die NATO in Asien eine größere Rolle spielt. „Die Ursachen von Krieg und nuklearer Proliferation sind komplex und vielschichtig. Sie sind nicht nur auf die Waffen selbst zurückzuführen, sondern auch auf tiefgreifende geopolitische Spannungen und historische Mißstände. Um diese Probleme wirksam anzugehen, brauchen wir ein differenziertes Verständnis der globalen Sicherheitsdynamik, das über vereinfachende ‚Wir gegen sie‘-Narrative hinausgeht.“

Die bestehenden Sicherheitsmechanismen könnten die Gefahr eines Atomkriegs nicht beseitigen. „Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Herangehensweise an die globale Sicherheit“, so die Global Times. „Es reicht eindeutig nicht aus, nur über die zerstörerischen Folgen eines Atomkriegs zu diskutieren. Statt dessen müssen wir ein einheitliches, umfassendes, kooperatives und nachhaltiges Sicherheitskonzept anstreben. Dieser Ansatz erkennt an, daß in einer vernetzten Welt die Sicherheit eines Landes untrennbar mit der Sicherheit aller verbunden ist.“

Der Kommentar schließt: „Durch Förderung des Verständnisses, Stärkung der Zusammenarbeit und Bekämpfung der Konfliktursachen können wir auf eine Welt hinarbeiten, die frei vom Schatten der nuklearen Bedrohung ist – eine Zukunftsgemeinschaft der Menschheit, die Sicherheit durch kollektives Engagement für den Frieden schafft.“

Gipfeltreffen der SCO

Auch andere große Nationen Eurasiens sehen die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Umdenkens. Dies zeigte sich beim Treffen des Rates der Staats- und Regierungschefs der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO-CHG) in Islamabad.

In seiner Begrüßungsrede rief der pakistanische Ministerpräsident Shehbaz Sharif am 16. Oktober dazu auf, die Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) auszuweiten. Dies werde die regionale Handelskooperation verbessern und „die Vision eines vernetzten Eurasiens“ fördern. „Vorzeigeprojekte wie Präsident Xi Jinpings Gürtel und Straße, der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor … sollten ausgeweitet werden, wobei der Schwerpunkt auf dem Ausbau der Straßen-, Schienen- und digitalen Infrastruktur liegen sollte, um die Integration und Zusammenarbeit in unserer Region zu fördern.“ Man sollte solche Projekte nicht durch ein enges politisches Prisma betrachten, sondern „in unsere kollektiven Verbindungskapazitäten investieren, die für die Förderung der gemeinsamen Vision einer wirtschaftlich integrierten Region von entscheidender Bedeutung sind“.

Der indische Außenminister Subrahmanyan Jaishankar sagte: „Es ist eine Binsenweisheit, daß Entwicklung und Wachstum Frieden und Stabilität erfordern. Und wie in der Charta dargelegt, bedeutet das, daß die ,drei Übel‘ [Terrorismus, Extremismus, Separatismus] entschlossen und kompromißlos bekämpft werden müssen. Wenn grenzüberschreitende Aktivitäten von Terrorismus, Extremismus und Separatismus geprägt sind, ist es unwahrscheinlich, daß sie gleichzeitig Handel, Energieflüsse, Konnektivität und den Austausch zwischen den Menschen fördern.“ Indische Medien sahen darin eine verschlüsselte Botschaft an Pakistan und China, daß alte Konflikte überwunden werden könnten.

Indiens langjähriger Einwand gegen die BRI ist, daß der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC) durch das von Pakistan besetzte Kaschmir führt. Deshalb ist es bemerkenswert, daß Jaishankar nun als erster indischer Außenminister seit fast einem Jahrzehnt Pakistan besucht hat, als er die indische Delegation beim SCO-CHG-Gipfel leitete.

Das zeigt: wenn man die gemeinsamen Interessen der Menschheit in den Mittelpunkt stellt, werden Konflikte lösbar. Es ist höchste Zeit, daß auch die Regierungen des Westens das begreifen.

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