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Von Dennis Small und Alexander Hartmann
Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, einer der ranghöchsten Diplomaten des Landes, äußerte sich am 4. August in einem Interview mit dem Fernsehsender Rossija-1 sehr ernüchternd. Über das Verhältnis zu den USA und zur NATO verkündete er: „Die Ära der einseitigen Zugeständnisse Moskaus ist nun endgültig vorbei.“ Er berichtete von „extrem beunruhigenden“ Terror-Plänen gegen Rußland – darunter offenbar ein Komplott der von den USA unterstützten ukrainischen Regierung zur Ermordung von Präsident Putin.
Am bedeutsamsten war jedoch Rjabkows Aussage: „Das Problem ist, daß es keine Sicherungen mehr gibt.“ Die jüngste Stationierung von F-16-Kampfflugzeugen der NATO in der Ukraine habe einer unbegrenzten Eskalation gegen Rußland Tür und Tor geöffnet. „Das Problem ist die Eskalation… Schläge auf russisches Territorium sind erlaubt. Die Beteuerungen der Amerikaner, sie hätten keine solchen Entscheidungen getroffen und Kiew keine Einwilligungen dazu gegeben, sind wertlos.”
Wie um Rjabkow zu bestätigen, unternahmen nur zwei Tage später etwa tausend ukrainische Elitesoldaten einen großen Vorstoß tief in die russische Region Kursk.
Die Reaktion der USA war, das Kiewer Regime kritiklos machen zu lassen, was es will. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte am 7. August vor Reportern: „Wir werden uns weiterhin darauf konzentrieren, sicherzustellen, daß sie [die Ukrainer] das haben, was sie brauchen, um sich zu verteidigen. Und ich möchte hinzufügen, daß sich an unserer Politik, Angriffe oder Anschläge innerhalb Rußlands zu ermöglichen oder zu unterstützen, nichts geändert hat, abgesehen natürlich von dem, was wir ihnen in der Vergangenheit mit von den USA gelieferten Waffen erlaubt haben, nämlich auf unmittelbare Bedrohungen jenseits der Grenze zu zielen.”
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, antwortete TASS auf die Frage, ob die Ukraine in der Region Kursk von den USA gelieferte Waffen einsetzen könne: „Nichts an unserer Politik hat sich geändert, und die Aktionen, die sie heute unternehmen, sind kein Verstoß gegen unsere Politik.“
Auch die Europäische Union unterstützt den ukrainischen Angriff auf die Region Kursk. Im Gespräch mit der Presse erklärte der Sprecher der Europäischen Kommission, Peter Stano, am 7. August, die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen, „auch durch einen Schlag gegen den Aggressor auf seinem Territorium“.
Noch deutlicher war der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marcus Faber (FDP). In Postings auf seinem X-Account (worüber die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform erfreut berichtete) schrieb er: „Der Entlastungsangriff der Ukraine nach Kursk ist da völlig legitim und militärisch sinnvoll… Den ukrainischen Verteidigern kann man nur viel Erfolg wünschen, auch bei Kursk.“
Der ehemalige US-Vizeaußenminister für Europa, Daniel Fried, der jetzt beim Atlantic Council in Washington arbeitet, besaß sogar die Frechheit und verglich diesen Einmarsch der Ukraine mit „einem anderen riskanten und erfolgreichen Überfall, nämlich George Washingtons Überquerung des Delaware im Dezember 1776“. Fried phantasierte weiter, die Aktion beweise „Gerissenheit, Kühnheit und Hartnäckigkeit gegenüber einem überlegenen Feind“, was „strategische Bedeutung“ haben könnte. Die einzige reale strategische Bedeutung der ukrainischen Kursk-Aktion könnte jedoch sein, daß sie eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, die uns in einen thermonuklearen Krieg führt.
Die Regierung in Kiew fühlt sich jedenfalls ermutigt, noch aggressiver vorzugehen. Mychailo Podoljak, Berater von Andrij Jermak, dem Leiter von Präsident Selenskyjs Präsidialamt, schrieb am 8. August: „Absolut ruhig, ausgewogen, objektiv und auf der Grundlage eines Verständnisses für den Geist des Völkerrechts und die Grundsätze der defensiven Kriegsführung – das ist die internationale Reaktion auf die Ereignisse in der Region Kursk der RF [Russischen Föderation]. Unerwartet, aber äußerst aufschlußreich und anschaulich. Einige haben es nicht bemerkt. Anderen ist es egal. Die meisten stimmen stillschweigend zu... Jetzt betrachtet ein großer Teil der Weltgemeinschaft die Russische Föderation als legitimes Ziel für alle Operationen und Waffentypen.“
Die Büchse der Pandora für systematische, von der NATO unterstützte Land- und Luftangriffe auf russisches Territorium ist damit geöffnet. Es ist wirklich so, als hätte jemand sämtliche Sicherungen kurzgeschlossen. Rjabkow sprach eine Warnung aus, die bitter ernst genommen werden sollte: „Alle Waffen und Kräfte, die im Zusammenhang mit der SMO [militärischen Sonderoperation] gegen uns eingesetzt werden, sind legitime Ziele für uns. Und diejenigen, die in Washington, in Brüssel, in Warschau oder wo auch immer sitzen, die nur auf sich selbst hören, sollten sich in Acht nehmen.“
Und bekanntlich ist der ukrainische Kriegsschauplatz nicht der einzige, von dem eine existentielle Gefahr für die Menschheit ausgeht. Beinahe ebenso groß ist die Gefahr, daß der israelische Völkermord in Gaza und die Provokationen in Südwestasien einen Weltkrieg auslösen.
Ein weiteres Merkmal der strategischen Zusammenbruchskrise im Westen ist die Kriegszensur und die Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Beides wird in der gesamten westlichen Welt rasch ausgeweitet, um zu verhindern, daß in irgendeinem Winkel des Imperiums etwas anderes als das offizielle „Narrativ“ auch nur geflüstert wird. Die Bemühungen, offene Kritiker einzuschüchtern und mundtot zu machen, werden zusehends verstärkt; zwei Beispiele in den USA sind der ehemalige UN-Waffeninspekteur Scott Ritter und die ehemalige Kongreßabgeordnete Tulsi Gabbard, die auch Präsidentschaftskandidatin und Vizevorsitzende des Parteivorstands der Demokraten (DNC) war.
Am 7. August wurde Ritters Haus im Bundesstaat New York vom FBI und der Landespolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Auslandsagenten-Gesetz (Foreign Agents Registration Act, FARA) durchsucht. Beschlagnahmt wurden vor allem elektronische Geräte, um seine Kommunikation auszuspionieren. Kurz darauf mußte Ritter wegen Morddrohungen eine geplante Buchlesung absagen.
Gabbard, Oberstleutnant der Reserve der US-Armee, wurde Opfer eines Programms der Verkehrssicherheitsbehörde TSA (Transportation Security Administration) namens „Ruhiger Himmel“ (Quiet Skies), das gewöhnlich gegen Terrorverdächtige angewandt wird. Ihre Bordkarten bei Flügen wurden mit der Bezeichnung SSSS („Secondary Security Screening Selection“) versehen, deshalb wurden Gabbard und ihr Ehemann an jedem Flughafen mehrfach für umfangreiche zusätzliche Sicherheitskontrollen aufgehalten. Die unappetitlichen Durchsuchungen („sie quetschen oder tasten Unterwäsche, BH, Trainingskleidung, jeden Zentimeter jedes Kleidungsstücks ab“) verursachten mehrfach Verspätungen bis zu 45 Minuten. Gabbard wurde also wie eine Terrorverdächtige behandelt.
Der Zweck solcher Schikanen ist offenkundig politischer Natur.
Wie wir immer wieder betonen, ist die Weltkriegsgefahr untrennbar mit dem Kollaps des westlichen Finanzsystems verbunden. Der Börsenkrach am Schwarzen Montag, dem 5. August, wirft ein Schlaglicht auf diese andere Front. Er wurde ausgelöst durch Verwerfungen im globalen „Carry Trade“. Der funktioniert so, daß Spekulanten sich auf westlichen Märkten Dollars zu niedrigen Zinsen leihen und damit auf Dollar lautende Anleihen von verzweifelten Ländern des Globalen Südens kaufen, die dafür durchschnittlich 8,5% Zinsen bezahlen müssen. Das hat in fast einem Dutzend Ländern eine gewaltige finanzielle und politische Krise ausgelöst.
Ein Mitarbeiter (Senior Research Fellow im Global Economy and Finance Program) der führenden Londoner Denkfabrik Chatham House, David Lubin, schrieb in einem Artikel am 30. Juli: „Ein bemerkenswertes Phänomen ist dieser Tage allein schon die Anzahl von Regierungen in wirtschaftlich schwachen Ländern, die harte Wirtschaftsreformen durchführen… Argentinien, die Türkei, Ägypten, Ecuador, Nigeria und Pakistan etwa führen alle in unterschiedlichem Maße eine schmerzhafte Wirtschaftspolitik ein.“ – Man könnte auch Bangladesch und Äthiopien erwähnen.
Der Autor verschweigt jedoch, daß eine wichtige Komponente dabei der gezielte Angriff gegen Länder ist, die Mitglieder der BRICS und ihrer Neuen Entwicklungsbank (NDB) sind oder Interesse an einem Beitritt äußern. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine gezielte finanzielle Kriegsführung.
Der Hintergrund ist, daß aus den Entwicklungs- und Schwellenländern jährlich weit über tausend Milliarden Dollar netto in das anglo-amerikanische Finanzsystem fließen und das System für seinen Fortbestand auf diese Plünderung angewiesen ist. Sonst würde das Kartenhaus der Finanzspekulanten, dessen Umfang Experten inzwischen auf bis zu 4 Billiarden Dollar schätzen, in sich zusammenfallen. Deshalb sind die Bestrebungen des Globalen Südens, mit dem Dollar-basierten Spekulationssystem zu brechen, für das anglo-amerikanische Establishment eine existentielle Bedrohung. Und jede Regierung, die sich gegen die Plünderung wehrt, wird mit allen Mitteln bekämpft – auch wenn das den endgültigen Zusammenbruch des westlichen Systems nur aufschieben, nicht aber verhindern kann.
Die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, hat die Lösung aufgezeigt: Der Westen muß von seiner zerstörerischen Politik abgebracht werden! Wie sie letzte Woche in einem Internetforum sagte:
„Ich denke, das erfordert eine außerordentliche Mobilisierung vieler Menschen und vieler Kräfte in der ganzen Welt, um die Situation zu verändern... Das Neue Paradigma bedeutet, an die eine Menschheit zu denken: wie wir in hundert Jahren zusammenleben werden, wie wir all die vermeintlich so wichtigen Konflikte überwinden können; und ernsthaft daran denken, was uns als Menschheit eint.“
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