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Neue Solidarität
Nr. 34, 19. August 2009

Erst Deflation, dann Hyperinflation: Globaler New Deal, bevor es zu spät ist!

Von Helga Zepp-LaRouche

Betrachtet man die Wirtschaftsdaten genauer, erkennt man, daß keineswegs das „Ende des freien Falls“ abzusehen ist. Auf die jetzige kurze Phase der Deflation wird sehr bald eine hyperinflationäre Explosion der Preise folgen. Nur durch eine Konkurssanierung der Banken und große Programme zum Wiederaufbau der Realwirtschaft kommen wir aus der Krise.

Wenn diverse „Ökonomen“ und Kommentatoren das vom Bundesamt für Statistik bekanntgegebene Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um sagenhafte 0,3% nun als das „Ende des freien Falls“ deklarieren, dann ist dies genauso endgültig, wie der Absturz eines Bergsteigers, der noch einmal für einen Augenblick an einem Felsvorsprung in tausend Meter Höhe hängen bleibt, ehe er seinen Sturz nach unten fortsetzt. Die statistische Aussage über 0,3% Wachstum reflektiert nicht die Realität, die sich dynamisch verhält. Es bleibt bei der Prognose: Nach der jetzigen kurzen Phase der Deflation wird es sehr bald zu einer hyperinflationären Explosion der Preise kommen. Außerdem wird es spätestens Ende September/Anfang Oktober zu einem Krach kommen, der alles bisher dagewesene als Picknick erscheinen lassen wird.

Obwohl der Zusammenhang mit den Auswirkungen der Zusammenbruchskrise offensichtlich ist, verhalten sich die deutschen Medien in Bezug auf die landesweite Revolte der amerikanischen Bevölkerung gegen die Obama-Administration ebenso realistisch, wie das Kind, das sich die Augen zuhält und meint, es sei nun unsichtbar. Nur weil man selber blind ist, heißt dies noch lange nicht, daß die Realität verschwindet. Auch wenn die Medien in Deutschland versuchen, den Schwarzen Kanal von Karl-Eduard von Schnitzler zu imitieren: Die Weltgeschichte ist in eine neue Phase eingetreten.

Der Versuch der Verhaltens-Ökonomen in der Regierung Obama, einen Teil der Kosten für die Rettungspakte für die maroden Banken durch brutalste Kürzungen im Gesundheitssektor zu finanzieren, ist gescheitert. Die amerikanische Bevölkerung befindet sich in einem revolutionären Aufstand. Was die Menschen in Rage gebracht hat, ist die Tatsache, daß viele Millionen von ihnen Job und Haus verloren haben, während den Banken Billionen Dollars an Steuergeldern hinterher geworfen wurden; vor diesem Hintergrund brachten die Vorschläge zur staatlich verordneten Kostendämpfung am Lebensende - sprich Euthanasie - das Faß zum überlaufen. Und diese veränderte Lage in den USA wird auch die Situation im Rest der Welt bestimmen.

Ungeachtet des winzigen Aufschwungs von 0,3% im zweiten Quartal, von dem selbst das Statistische Bundesamt sagt, genaue Zahlen würden wegen der unterschiedlichen Meldungen  verschiedener Sektoren erst in vier Jahren vorliegen, belegen die Zahlen der einzelnen Branchen einen beispiellosen Kollaps. So berichtet der führende Stahlproduzent Thyssen-Krupp einen katastrophalen Rückgang des Absatzes um 34% und der Aufträge sogar um 48%. Nun will der Konzern seine Werft Bloom & Voss, die bisher u. a. für die Bundesmarine produziert hat, an einen Scheich in Dubai verkaufen. Aber auch viele andere Industriezweige bauen massiv Stellen ab.

Die französische Finanzministerin Lagarde führte das für Frankreich ebenfalls mit 0,3% angegebene Wachstum richtigerweise auf kurzfristige und kurz wirkende Maßnahmen wie Abwrackprämie, Kurzarbeit und Steuernachlaß für untere Einkommensschichten zurück. Eine noch größere Explosion steht bevor, wenn diese Maßnahmen in Herbst und Winter an ihr Ende kommen. Alle traditionellen Exportmärkte Deutschlands befinden sich weiter im Abschwung, in der Eurozone, in die über 50% der Exporte gehen, schrumpfte die Wirtschaft im 2. Quartal um 4,6%. Chinas Exporte gingen im Juli um 23% im Verhältnis zum Vorjahr für den 9. Monat in Folge zurück, die Importe um -15%. Die amerikanische Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Für die deutsche Exportwirtschaft sieht es, von Mini-Ausnahmen abgesehen, also schlecht aus.

Angesichts der offensichtlichen Deflation in der gesamten Euro-Zone bezweifeln viele die Gefahr einer kommenden Hyperinflation. In der Tat gab es einen Preisrückgang von 1,4% in Spanien, 0,6% in Deutschland, 0,7% in Frankreich und sogar 5,4% in Irland. Aber gerade wenn man die enorme Dimension des Kollapses der Produktion betrachtet, und vor allem den dramatischen Rückgang beim Schiffsbau, der Produktion von Containern und Lastwagen in Rechnung stellt, wird deutlich, daß es nicht sehr lange dauern wird, bis es zu einer spürbaren Verknappung von Gütern kommt.

Die gegenwärtige Deflation rührt daher, daß Firmen, Ketten und Händler zumindest teilweise ihr Inventar zu Dumping-Preisen losschlagen, um sich in einem schrumpfenden Markt gegenüber der gleichermaßen unter Druck geratenen Konkurrenz zu behaupten. Der Preiskampf der Discount-Ketten bezüglich der Milchprodukte wird zur Folge haben, daß viele Milchbauern ihre Höfe nicht halten können, und wenn die Kühe erst einmal weg sind, wird es auch keine Milch mehr geben. Aber auch andere Güter werden nach dem massiven Jobabbau, der von der Industrie jetzt geplant wird, aus den Regalen verschwinden oder knapp werden. Wenn die Bevölkerung diese Verknappung erkennt, werden nicht nur Spekulanten anfangen, mit diesen Waren zu spekulieren, auch normale Leute werden dann Waren in ihren Kellern horten, und die Deflation wird sich dann sehr schnell in eine steigende Inflation verwandeln.

Aber der Elefant im Wohnzimmer, den die meisten Kommentatoren übersehen wollen, ist die enorme Größe der öffentlichen Verschuldung, die die Regierungen durch die Rettungspakte für marode Banken den Steuerzahlern aufgebürdet haben. Die offizielle Verschuldung des US- Haushalts liegt bei gegenwärtig 13 Billionen, was 100% des Bruttosozialproduktes entspricht, aber die gesamten Staatsschulden betragen sagenhafte 56 Billionen, also 4,3 mal die Höhe des BSP.

Angesichts dieser Lage müßten die USA erheblich mehr Staatsanleihen verkaufen, doch dieser Markt schrumpft gerade. Wer soll diese Anleihen kaufen? Japan? Saudi Arabien? China? Wohl kaum, jedenfalls nicht im erforderlichen Umfang, denn China ist ohnehin schon in Sorge, ob die USA in der Lage sein werden, die rund 800 Milliarden zu honorieren, die China in der Form verschiedener US-Titel besitzt. Die Fähigkeit der USA, ihre enormen Defizite zu finanzieren, wird nicht mehr von langer Dauer sein, da  inzwischen 48 von 50 US-Staaten bankrott sind.

Nur ideologisch verbohrte Leute haben die Illusion, daß eine Desintegration der USA und des Dollars eine inneramerikanische Angelegenheit bliebe, und z.B. die Euro-Zone sich unbeschadet von einem solchen Zusammenbruch erholen könnte. In Wirklichkeit würde nicht  nur China, sondern das gesamte Weltwirtschafts- und Finanzsystem ins Chaos gestürzt. Die politischen und sozialen Auswirkungen wären verheerend, die Welt würde in ein dunkles Zeitalter abstürzen.

Die Zahlen für die EU sind ebenfalls historisch beispiellos, und sie nehmen sich nur im Vergleich zu  den USA geringer aus. Aber alleine in dem Zeitraum zwischen Oktober 2008 bis Mitte Juli 2009 hat die EU staatliche Garantien für Banken von 2,9 Billionen Euro genehmigt, und damit 31,2% der Wirtschaftsleistung. An der Spitze liegen dabei Dänemark, das 259,4% seines BSP, und Irland, das 231,8% seines BSP als Staatsbeihilfen erhalten hat, Italien hingegen nur 1,3%. Die Praxis zeigt, daß oftmals bis zu 90% dieser Garantien in Anspruch genommen werden. Dazu wurden noch Rekapitalisierungsmaßnahmen für Banken in Höhe von 313 Milliarden Euro durch die Kommission genehmigt. Die Staatsschulden sind auch in Europa enorm gestiegen.

Der italienische Abgeordnete Di Pietro, der sich durch seine Teilnahme an dem Britannia-Treffen von 1992 einen unrühmlichen Namen gemacht hat, sagte dieser Tage für den Herbst ein „Armaggeddon“ voraus. Angesichts eines BSP im freien Fall, kleiner mittelständischer Unternehmen in großer Not und Tausender von Arbeitsplätzen in Gefahr drohten massive soziale Unruhen.

Und dies keineswegs nur in Italien. Denn ungeachtet des Kleinst-Aufschwungs von 0,3% in Deutschland und Frankreich besteht kein Zweifel daran, daß die Arbeitslosigkeit beträchtlich ansteigen wird, die Kreditklemme sich ausweiten wird, die Industrie nicht investiert und die Exportmärkte weiter einbrechen. Es ist also abzusehen, daß die ganze wirtschaftliche, politische und soziale Lage innerhalb weniger Wochen völlig aus dem Ruder laufen kann.

Wenn man in der Geschichte zurückblickt, kann man erkennen, daß es in bestimmten Situationen immer nur kurze Zeitfenster gegeben hat, innerhalb derer Katastrophen hätten verhindert werden können. Waren diese Chancen vertan, nahmen die Unglücke ihren Lauf.

Wir sind genau in einer solchen Situation. Nur wenn innerhalb der nächsten Wochen das Programm, das Lyndon LaRouche und die BüSo vorschlagen, auf die Tagesordnung gesetzt wird, kann ein Absturz verhindert werden. Wir brauchen ein ordentliches Konkursverfahren für Banken, die durch Anhäufung von Giftmüll faktisch insolvent geworden sind, wir brauchen staatliche Garantien für alle Bereiche des Gemeinwohls, die aus dem alten System in ein neues Bretton-Woods-System hinübergerettet werden müssen.

Franklin D. Roosevelt hat Amerika mit seinem New Deal in den dreißiger Jahren aus der Depression herausgeführt. Wir können heute viele Aspekte seines Programms, z.B. den Schutz der Eigenheimbesitzer vor Zwangsversteigerungen, die Konkurssanierung der Banken und den Ausbau der seit Jahren vernachlässigten Infrastruktur als Motor für Vollbeschäftigung und Wiederaufbau der produktiven Wirtschaft, einfach kopieren. Und wir sollten uns an unseren eigenen Aufbauwillen erinnern, mit dem wir Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg innerhalb weniger Jahre aus einem Trümmerfeld in ein Wirtschaftswunderland verwandelt haben. Dies geschah unter anderem mit Hilfe der KfW, die nach dem Vorbild von Roosevelts Reconstruction Finance Corporation aufgebaut wurde.

Über diese Fragen brauchen wir jetzt dringend eine öffentliche Diskussion. Ich stehe dafür zur Verfügung.

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