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Zum Themenkomplex EU/Lissabon-Vertrag gab es mehrere Fragen, die Helga Zepp-LaRouche bei ihrem Internetforum am 21. Juli beantwortete. Zwei davon sind hier wiedergegeben.
Eine Frage von schwedischen Aktivisten gegen den EU-Vertrag (übersetzt aus dem Englischen): „Schweden hat jetzt die Präsidentschaft der EU, und die Regierung tut so, als ob der Lissaboner Vertrag schon in trockenen Tüchern wäre und als ob die Iren gar nicht dagegen abgestimmt hätten. Es wird sogar diskutiert, wer der neue EU-Präsident sein soll. Wir fragen: Ist der Lissaboner Vertrag schon tot, oder sollen wir unseren Widerstand in Form von wöchentlichen Demos fortsetzen? Und zweitens: In Schweden gibt es eine Diskussion darüber, den Euro einzuführen, der dann die Schwedische Krone ersetzen würde. Was ist Ihr Rat als Kanzler-Kandidatin und Bürgerin, die die Währungsreform in Deutschland miterlebt hat, Frau Zepp-LaRouche? Was sind Ihre Erfahrungen, und wie würden Sie uns in Schweden raten, damit umzugehen?“
Die zweite Frage kam aus dem Publikum: „Hallo, mein Name ist Sandra Müller, ich bin aktiv gegen den Lissaboner Vertrag. Uns Jugendlichen wird immer und überall erzählt, wie unentbehrlich die EU für den Frieden, für den Wohlstand und für die Demokratie wäre. Komischerweise gibt es sehr viele Kriege gerade an den Grenzen der EU, es gibt steigende Arbeitslosigkeit, und mit der Zeit begann ich mich zu fragen, ob nicht auch die Demokratie nur noch eine leere Worthülle ist. Der Lissaboner Vertrag und die Art und Weise, wie er ratifiziert wird, hat mich nur in meinen Zweifeln bestätigt, und deshalb habe ich meinen Kampf dagegen aufgenommen. Wir haben letztes Jahr demonstriert, wir waren in Irland und sehr erfolgreich; dieses Jahr wird es wieder eine Demo geben, am 15. September hier in Berlin, und es werden noch mehr Leute nach Irland fahren. Meine Frage ist: Was wäre ihr erster Schritt als Kanzlerin, um zu einem friedlichen sozialen Europa zu gelangen, vielleicht sogar ohne die EU in der heutigen Form?“
Helga Zepp-LaRouche: Das Argument der Befürworter der EU-Bürokratie, daß nur durch den EU-Vertrag und die europäische Integration der Friede erhalten werden könnte - das klingt natürlich immer sehr gut. Dabei besteht natürlich die Verdrehung darin, daß der Erste und der Zweite Weltkrieg angeblich von Nationalstaaten gemacht wurde. Aber in Wirklichkeit waren es die Imperien, und die EU war auf den bestem Weg, selber so ein Imperium zu werden. Sogar Herr [Robert] Cooper selbst und ich glaube auch Solana haben zugegeben, daß die EU ein „Imperium“ sei, mit der bisher größten Ausdehnung.
Besonders kritisch wird die Sache natürlich, wenn man betrachtet, daß gerade jetzt in Großbritannien Tony Blair als EU-Präsident für zweieinhalb Jahre vorgeschlagen worden ist. Ich meine: Tony Blair - das ist wirklich ungeheuerlich! Das ist derjenige, der 1999 eine Rede in Chicago gehalten hat, bei der er gesagt hat, das System des Westfälischen Friedens sei vorbei, man müsse also in das „nachwestfälische“ System übergehen.
Der Westfälische Friede war der Beginn des internationalen Völkerrechts; er definierte das Prinzip, daß das Interesse des Anderen als Grundlage das eigene Handeln bestimmen soll, und beendete 150 Jahre von Religionskriegen in Europa. Das ist es, worauf die UN-Charta fußt, und wenn man jetzt sagt, das Interesse des Anderen und die staatliche Souveränität seien nicht länger die Grundlage, dann ist das nicht anderes als ein Vorwand für internationale Interventions-Truppen, die dann unter dem Vorwand von Menschenrechten, Naturkatastrophen oder sonstigen Sachen auf der ganzen Welt eingesetzt werden sollen, was eine Militarisierung bedeutet.
Dazu kommt natürlich, daß ausgerechnet Herr Blair wirklich der letzte ist, der EU-Präsident werden sollte, wenn wir überhaupt einen haben sollten, weil er bekanntermaßen der Autor des Irak-Krieges ist! Er ist derjenige, der die gefälschten Informationen vom MI-6 zirkuliert hat, über den angeblichen Bedrohungszustand, daß innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen vom Boden des Irak aus jede Stadt in der Welt bedrohen könnten.
Das hat sich ja als Lüge herausgestellt, und mir ist nicht bekannt, daß Herr Blair dem je widersprochen hat, daß er diese Fälschung in Gang gesetzt hat. Außerdem wird er jetzt untersucht von verschiedenen Institutionen - wegen BAE, Verstrickungen in verschiedene saudische Geschäfte, 11. September, das ist im Augenblick alles in Amerika Teil einer Untersuchung, wobei offizielle Dokumente der Regierung benutzt werden. Da würde ich Ihnen dringend empfehlen, das auf unserer Internetseite nachzulesen. Das sind alles Gründe dafür, warum Herr Blair besser in den Ruhestand gehen sollte, anstatt auf solche aberwitzigen Ideen zu kommen...
In Bezug auf die Einführung des Euro würde ich Schweden wirklich abraten, weil die Euro-Zone gerade dabei ist, auseinander zu fliegen. Die Verschuldung einiger Staaten - wie Griechenland, Portugal, Irland - ist so groß, daß diese Länder viel höhere Zinsen zahlen müssen für Kredite, und es ist sowieso eine Frage, wie lange diese Länder es sich noch leisten können, in der EU zu bleiben. Die Frage ist auch, wie lange der deutsche Steuerzahler für die verzockten Banken in Spanien und anderswo aufkommen will; wenn es sich realisieren läßt, dann will er das sicher sehr schnell ändern.
Ansonsten ist ja die Idee, man sei europafeindlich, nur weil man gegen den Lissaboner Vertrag ist, vollkommen falsch. Man kann sehr wohl europafreundlich sein, und ein Europa der souveränen Republiken vertreten, ein Europa der Vaterländer, wie de Gaulle das genannt hat, wo souveräne Staaten zusammenarbeiten, für eine gemeinsame Mission, für gemeinsame Ziele der Menschheit. Warum kann nicht Europa zum Beispiel einen Beitrag leisten, um Afrika zu entwickeln? Und zwar wirklich zu entwickeln und nicht so wie jetzt, wo alle möglichen Forderungen nach Menschenrechten eigentlich nur als Vorwand für Interventionen in die inneren Angelegenheiten benutzt werden?
Europa könnte als Verbund von souveränen Republiken stark sein und zusammenarbeiten, ohne eine supranationale Bürokratie mit einem Europa-Parlament, das Steuerzahlergelder verspeist, aber ansonsten kaum irgendeine eigentliche Funktion hat. Wir können ein Gremium schaffen für Vertreter souveräner Länder, die zusammenarbeiten; man braucht keine supranationale Bürokratie darüber zu schalten, das ist einfach unnötig.
Ich glaube, daß Europa überhaupt nur überleben wird, wenn wir uns eine gemeinsame Aufgabe in dieser Welt geben. Das ist im Augenblick nicht im Bewußtsein der Leute, aber ich denke mir, wenn wir uns nicht ändern als Nation, als Bevölkerung, mit unseren Werten, die im Augenblick katastrophal sind. Ich meine, wenn die Leute sich einmal einen Spiegel vorhalten würden, was in unserem Volk vor sich geht, ist zum Schämen.
Wenn wir uns nicht schnell ändern, dann ist meine Vision von der Zukunft so: Ich weiß nicht, ob Sie diese Bilder kennen von einem Imperium - dem Reich der Khmer -, das ungefähr um das Jahr 1000 untergegangen ist, und dort wachsen jetzt Lianen, Palmen und Schlingpflanzen. Und meine Idee ist, daß das Brandenburger Tor in einigen Jahrzehnten genauso aussieht; daß dann auch da genauso Efeu und Bäume wachsen, weil das deutsche Volk genauso untergegangen ist.
Das möchte ich nicht, ich möchte, daß wir es in eine andre Richtung bringen. Aber man soll nicht so arrogant sein, zu denken, wenn wir jetzt in ein dunkles Zeitalter abstürzen, daß Europa nicht untergehen kann. Es ist nicht auszuschließen. Und deshalb denke ich, daß wir die Politik vollkommen ändern müssen, wir müssen uns im Grunde an unsere beste Tradition erinnern als Volk der Dichter und Denker, wie Nikolaus von Kues, Kepler, Leibniz, Lessing, Mendelssohn, Bach, Beethoven, Riemann, Gauß, Einstein. Wir haben doch eine so reiche Tradition, aber es ist nicht in den Köpfen, und das müssen wir ändern. Wir müssen unser großes Denken wieder lebendig machen in den Köpfen, und dann haben wir alle Ressourcen, die wir brauchen.