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Neue Solidarität
Nr. 33, 12. August 2009

Das Paradox der Ökologen: Ein hessisches Beispiel

Das Beispiel der Schiffahrt auf Weser und Fulda zeigt, daß man eine funktionierende Infrastruktur braucht - sogar, um die Umwelt zu schützen.

Kürzlich machte ein nordhessischer Unternehmer den Vorschlag, den einst intensiv genutzten Hafen von Kassel wiederzubeleben. Seine Maschinenfabrik in Hessisch Lichtenau produziert tonnenschwere Bauteile, und derzeit muß jedesmal, wenn entsprechende Teile von oder zu seiner Fabrik geliefert werden, die Autobahn bei Kassel für den Schwertransport gesperrt werden, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Schon jetzt werden die Rohlinge - wohl meist aus Bremerhaven - mit dem Schiff nach Hannoversch Münden angeliefert, wo sie derzeit auf LKW umgeladen und dann über Autobahn und Landstraße nach Hessisch Lichtenau verbracht werden; die Erzeugnisse der Fabrik gehen dann den umgekehrten Weg.

Früher wäre es kein Problem gewesen, diese Teile bis Kassel zu verschiffen: Die Fulda war bis dorthin als Wasserstraße für die damals üblichen Schiffsgrößen ausgebaut, und der Edersee sorgte für das notwendige Wasser unter dem Kiel - bis man in den achtziger Jahren plötzlich der Meinung war, man brauche die Industrie nicht mehr, und die Weser solle lieber als Umweltparadies touristisch genutzt werden. Man hörte auf, die Weser auszubaggern, und baute die Schleusen an der Fulda oberhalb von Hannoversch Münden um, sodaß dort nur noch kleine Schiffe - im wesentlichen Sportboote und Yachten - passieren können. Und das Wasser des Edersees will man heute lieber touristisch nutzen, als für so profane Dinge wie die Stromerzeugung oder die Regulierung der Wassertiefe für die Schiffahrt.

Nun ließ der betreffende Unternehmer prüfen, ob ein Transport seiner Teile mit dem Schiff bis Kassel möglich sei. Man stellte fest, daß dies für Teile bis 200 t Gewicht machbar ist, wenn man entsprechende Spezialschiffe verwendet; für größere Teile müßten die Schleusen jedoch wieder erweitert werden. Dies will der Unternehmer nun beantragen, und schon melden sich weitere Interessenten, die unter diesen Umständen ebenfalls geneigt wären, den Kasseler Hafen zu nutzen.

Aber auch dann wird er bis auf weiteres das Problem haben, daß die Passage bei niedrigem Wasserstand - eben weil die Weser seit langem nicht mehr ausgebaggert wird - nur möglich ist, wenn durch Ablassen des Wassers aus dem Edersee eine Flutwelle erzeugt wird, auf der die Schiffe über die Untiefen hinweg kommen. Und da kommt er in Konflikt mit den Touristik-Interessen.

Die Ironie ist, daß es sich bei den Produkten der besagten Maschinenfabrik häufig um Bauteile für die von den Ökologen so heiß geliebten Windmühlen handelt. So zeigt sich: Selbst beim Umweltschutz kann man die Grundregeln der Realwirtschaft nicht außer Acht lassen, auch wenn sich gewisse „68er“ dieser Realität nicht gerne stellen.

Betrachtet man diese Grundregeln der Realwirtschaft in dem betreffenden Fall genauer, zeigt es sich, daß der ganze Riesenaufwand insofern leider weitgehend verschwendet ist, weil die dabei erzeugten Windkraftwerke nur mit sehr geringem Wirkungsgrad arbeiten - schon aus dem offensichtlichen Grund, daß sie einen großen Teil der Zeit entweder nicht genug oder zuviel Wind in den Flügeln haben, um Strom produzieren zu können.

Man mag darüber spekulieren, ob der betreffende Fabrikant sich nur deshalb mit dem Bau von Teilen für Windkraftwerke befaßt, weil - wenigstens in Deutschland - derzeit kaum Nachfrage nach Bauteilen z.B. für Kernkraftwerke besteht. Sein Betrieb könnte jedenfalls mit Sicherheit auch vergleichbare Bauteile für andere Dinge herstellen, die mit einer höheren Effizienz arbeiten als Windmühlen. Aber er braucht dafür entsprechende Aufträge. Solange die ausbleiben, ist er geradezu gezwungen, Windkraftwerksteile zu bauen.

Wir alle müssen ihm jedenfalls dankbar sein für seine Initiative, die Schiffahrt - die umweltfreundlichste und in diesem Fall tatsächlich auch effizienteste und billigste Transportmethode - wiederzubeleben; und natürlich auch dafür, daß er in Zeiten wie diesen das Know-how und die Qualifikation seiner Mitarbeiter erhält, die wir künftig für vernünftigere Zwecke nutzen können, sobald in unserer Gesellschaft dafür wieder eine ausreichende Mehrheit vorhanden ist.

Für diesen Gesinnungswandel arbeitet die BüSo schon lange, auch ohne ausdrücklichen Auftrag des Wählers. Wir haben immer davor gewarnt, daß ein Festhalten an der Utopie der nachindustriellen Welt in dem Maße die Substanz unserer Wirtschaft aufzehren mußte, wie die bestehende Infrastruktur aufgrund mangelnder Investitionen verfällt. Nun steht -  möglicherweise noch in den Wochen bis zur Bundestagswahl - ein Totalkollaps der Wirtschaft ins Haus, der die nachindustrielle Ideologie auch hartnäckiger „68er“ zutiefst erschüttern dürfte.

Dann brauchen wir eine Mehrheit im Bundestag, die bereit ist, mit den Utopien der Ökologen zu brechen und die Weichen für den Wiederaufbau unserer Realwirtschaft zu stellen. Da sich leider alle etablierten Parteien dem grünen Ökowahn unterworfen haben, ist die BüSo momentan die einzige Partei, die mit dieser Krise umzugehen versteht. Eine Wahl der BüSo in den Bundestag würde den etablierten Parteien jedenfalls signalisieren, daß sich der Wind gedreht hat - und es ist zu hoffen, daß sie dann, wie gewohnt, ihre Fahnen in diesen Wind hängen.

Dann werden wir die Weserschiffahrt brauchen. Und der nordhessische Unternehmer wird dann sicher bald Teile für effizientere Maschinen herstellen.

Alexander Hartmann, Landesvorsitzender BüSo Hessen

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