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Aus der Neuen Solidarität Nr. 51/2008

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Wie Deutschland Industrienation bleiben kann

Statt endloser Bankenrettungspakete mit wenig Aussicht auf Erfolg brauchen wir ein großes staatliches Investitionsprogramm zur Wiederankurbelung und zum Ausbau der realen Industrieproduktion sowie der damit verbundenen Bereiche Transport und Forschung.

Der Weltwirtschaftskollaps hat jetzt eine politische Dynamik, die für Entwicklungen sorgt, die man vor ein paar Wochen wohl kaum erwartet hätte - darunter sind erfreuliche, aber auch unerfreuliche Überraschungen. Zu den unerfreulichen gehörte jenes merkwürdige Zusammentreffen in London am 8. Dezember, zu dem unter dem Thema „Vorbereitung des EU-Gipfels“ der englische Premierminister den französischen Präsidenten, nicht aber die Bundeskanzlerin und schon gar nicht den italienischen Ministerpräsidenten eingeladen hatte. Aus Berliner Regierungskreisen ließ sich hierzu ein nicht genannter höherer Beamter mit der Bemerkung in der Presse zitieren, ohnehin sei der selbsternannte Weltfeuerwehrmann Gordon Brown niemand, mit dem man unbedingt reden, auf den man unbedingt hören müsse, denn dem sei als britischer Finanzminister offenbar völlig entgangen, wie sich die Krise am Londoner Finanzplatz zugespitzt hat.

Falls Angela Merkel den Montag dafür genutzt hat, statt sich über Brown und Sarkozy zu ärgern, den deutschen Konjunkturgipfel am Sonntag danach gründlich vorzubereiten, dann ist ihr Fernbleiben aus London kein Verlust gewesen. Und so wie die Bürokratie der EU arbeitet, ist der Europa-Gipfel von der Substanz ohnehin geringer zu bewerten als der deutsche „große runde Tisch“ bei der Kanzlerin. Wenn die Runde bei Angela Merkel wirklich eine Wiederbelebung der „konzertierten Aktion“ der ersten Großen Koalition vor 40 Jahren ist, dann ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg, auf dem allerdings noch etliche große Schritte zu beschreiten sind. Die für ihre „Politik der kleinen Schritte“ bekannte Bundeskanzlerin muß also lernen, große Schritte zu machen. Sie muß es vor allem deshalb schnell lernen, weil die produktive Industrie und die Arbeitnehmer große Erwartungen in die Regierung setzen („Mittelstandschirm“, Hilfe für die Automobilindustrie usw.).

Daß die europäische Ebene der Diskussion so weit weg von der wirtschaftlichen Realität ist - was sich an der Obsession des gerade abgehaltenen EU-Gipfels in Sachen „Emissionsreduzierung“ zeigt -, liegt aber auch an Frau Merkel, die wichtigere Themen auf die Tagesordnung hätte schieben können und sollen. Auf schon vor Monaten vorgebrachte Vorschläge des italienischen Finanzministers Tremonti zur Abschaffung des eigentlichen Problems, nämlich der Finanzderivate, hätte die Kanzlerin, hätte der Bundesfinanzminister positiv reagieren müssen; und auch Sarkozy fand bei der Vorbereitung zum Washingtoner Weltfinanzgipfel am 15. November bei der Bundeskanzlerin nicht die Unterstützung, die sein Vorstoß zum Verbot der karibischen und anderen Steueroasen, in denen die Derivate blühen und gedeihen, verdient hätte. Und trotz einiger englandkritischer Töne hört man von Finanzminister Steinbrück eigentlich auch nicht viel mehr als: „Es ist kein Geld da, ich habe nichts zu verteilen; alle möglichen Leute wissen es angeblich besser, ich hab dafür keine Zeit, ich muß Politik machen.“

Zum Politikmachen gehört aber ein Konzept, und das sucht man bisher bei der Bundesregierung vergebens. Einige Ansätze sind zwar erkennbar, aber es geht wie üblich nur in ganz kleinen Schritten voran, falls dem ersten zaghaften Schritt überhaupt ein zweiter folgt. Einer dieser Ansätze war Angela Merkels Rede vor zwei Wochen auf der DEHOGA, als sie den privaten Banken androhte, wenn die ihre Kreditblockade gegen den Mittelstand nicht aufhöben, müsse die Regierung zusammen mit der Industrie eben eine neue Bank zur Finanzierung von Produktion und Beschäftigung gründen.

Ganz abgesehen von dieser Drohung braucht Deutschland ohnehin so eine Bank, und dabei sollte es sich nicht um eine etwas umgemodelte Bundesbank oder Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) handeln, sondern um eine richtige Bank zur Finanzierung der Realwirtschaft. Es reicht nicht aus, über staatliche Banken wie die KfW sich Geld auf den freien Kapitalmärkten zu besorgen wie bisher - was überdies in diesen Zeiten gar nicht mehr funktioniert, weil die Hedgefonds das ganze Kapital von den Märkten absaugen. Der Staat, das heißt die Regierung und der Bundestag, müssen Kredite schaffen für die langfristige Finanzierung der Industrie, für Infrastrukturprojekte, für Forschung, und dazu gehört eine Bank, die der nationalen Souveränität unterliegt und nicht den Mucken des freien, spekulativen Finanzmarktes.

Den Einstieg in eine souveräne Kreditschöpfung kann die Bundesrepublik ohne Verzögerung beginnen mit der Wiederanwendung des wichtigsten Gesetzes, das die erste Große Koalition 1967 mit dem Stabilitätsgesetz auf den Weg brachte. Zur Überwindung der damaligen Rezession erdacht, gab das Gesetz der Bundesregierung ein Instrument an die Hand, Kredite zur ausschließlichen Förderung von Investitionen, Produktion und Beschäftigung aufzunehmen - damals im Umfang von bis zu 5 Milliarden Mark im Jahr. Innerhalb von 18 Monaten wurde damals wieder annähernde Vollbeschäftigung erreicht und die deutsche Wirtschaft aus der Rezession geholt. Das Stabilitätsgesetz müßte, den heutigen, viel gewaltigeren Anforderungen entsprechend, einen wesentlich höheren Kreditrahmen erhalten, und die Bundesregierung müßte zusammen mit dem Bundestag das Direktrecht auf produktive Kreditschöpfung erhalten, wobei die Bundesbank, dann als wirkliche Nationalbank, lediglich als Mittler zum übrigen Bankenwesen und zur Realwirtschaft fungierte.

Das Stabilitätsgesetz von 2009

Konkret könnte das so ablaufen: Der Bundestag beschließt nach einer Vorlage der Bundesregierung Maßnahmen zu Sicherung des deutschen Maschinenbaus, dem zum Ausgleich für die verlorenen Zulieferungen an die Automobilindustrie eine neue Rolle beim Aufbau einer Fertigung für ein nationales Transrapidnetz zukommt. Hierfür stellt der Staat Kredit im Umfang von 80-100 Mrd. Euro für die ersten zwei Jahre der Umstellung bereit, danach jeweils 30-40 Mrd. für die weiteren Jahre, in denen nach einigen Vorarbeiten der Bau auch eines gesamteuropäischen Transrapidnetzes in Angriff genommen wird. Der Kredit läuft über mindestens 10 Jahre oder sogar 15-20 Jahre bei möglichst geringen Zinsen, mit den Rückzahlungen soll nicht vor Ablauf von fünf Jahren nach Erhalt des Kredits begonnen werden. Vergleichbare Abkommen müssen mit den jeweiligen europäischen Regierungen, die am Bau des Netzes teilnehmen, geschlossen werden.

Dies Maschinenbauprogramm wäre Teil eines nationalen Programms im Umfang von 200 Mrd. Euro - so wie die BüSo es seit Jahren fordert, und das nationale Programm wäre eben kein Bankenrettungspaket mit wenig Aussicht auf Erfolg (weil das Derivatproblem unangetastet bleibt), sondern ein Programm zur Wiederankurbelung und zum Ausbau der realen Industrieproduktion sowie der damit verbundenen Bereiche Transport und Forschung.

Der gesamte Kreditbedarf wird vom Staat geschöpft und schließt, zumal diese Projekte dem Gemeinwohl und der Steigerung der Gesamtproduktivität dienen, den freien Markt als Akteur aus. Wohl können sich private Banken an der Finanzierung beteiligen, aber nur zu Bedingungen, wie sie gerade beschrieben wurden.

Viele, wenn nicht die meisten privaten Banken werden die laufende Kollapskrise ohnehin nur überleben, wie die amerikanischen Banken die Große Depression von 1929-33 überlebt haben, nämlich als Finanzinstitute im Rahmen eines staatlich vorgegebenen Programms zum Wiederaufbau von Produktion und Beschäftigung - der New Deal von Franklin D. Roosevelt. Für Spekulation mit Derivaten und Commercial Papers und dergleichen ist da kein Platz mehr.

Es versteht sich von selbst, daß auch international ein verläßlicher Rahmen hierfür geschaffen werden muß, und da ist der Bundespräsident zu ermutigen, der Bundeskanzlerin einen wichtigen Vorschlag zu machen. Horst Köhler sagte am 11. Dezember im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, es jucke ihn schon in den Fingern, eine Konferenz für ein neues Bretton Woods einzuberufen, aber seine „Amtsbeschreibung“ sehe so etwas nicht vor. Für eine solche Konferenz nach dem Vorbild der Konferenz von 1944, die grundlegende Änderungen beschließe, „damit mehr Menschen die Erfahrung machen, daß sich ihre Anstrengung für sie und ihre Kinder lohnt“, gebe es „jetzt eine historische Chance“, sagte der Bundespräsident.

Dann könnte es so aussehen: Die Bundeskanzlerin macht endlich einmal einen großen Schritt und springt über ihren eigenen Schatten, setzt sich mit den Regierungen Frankreichs und Italiens als den wichtigsten Industrieländern Kontinentaleuropas in Verbindung und beginnt eine Initiative für die Kündigung der Maastrichter Verträge sowie für eine Konferenz über ein realwirtschaftliches Neues Bretton Woods, an der in jedem Fall die vier maßgeblichen souveränen Nationen USA, Rußland, China und Indien führend teilnehmen.

Natürlich kann so eine Konferenz in Berlin stattfinden, es bieten sich aber auch andere Orte an, nur sollte man aus guten Gründen von London fernbleiben. Die Bundeskanzlerin sollte noch einen zweiten großen Schritt machen und sicherstellen, daß bei dieser Konferenz ein wirklich sachverständiger Experte dabei ist: Lyndon LaRouche, der Erfinder dieses Konzepts für ein Neues Bretton Woods.

Rainer Apel

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Vom Automobil zur Magnetbahn
- Neue Solidarität Nr. 49/2008
Überschuldeter Mutterkonzern gefährdet Opel
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