Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 13, 1. April 2021

Um die Kriegsgefahr zu begraben, brauchen wir eine neue China-Politik

Von Harley Schlanger

Eine Reihe jüngster Ereignisse hat die Spannungen zwischen den Nationen der transatlantischen Welt und China in einer Weise erhöht, die von der Leiterin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, als „zunehmend besorgniserregend“ bezeichnet wurde. Die Spannungen zeigten sich bei der Eröffnung eines Treffens in Alaska zwischen hochrangigen Vertretern der USA - Außenminister Antony Blinken und Sicherheitsberater Jake Sullivan –, und Chinas - Außenminister Wang Yi und dem Direktor des Zentralkomitees für Auswärtige Angelegenheiten Yang Jiechi –, als Blinken eine Standardlitanei von Anschuldigungen gegen China verlas, was eine scharfe Gegenrede der Chinesen auslöste. Zwar äußerten beide Seiten nach dem Treffen ihre Zufriedenheit – auch wenn die endgültigen Ergebnisse noch unklar sind –, dennoch wirft der aggressive Ton der US-Seite die Frage auf, wie die Regierung Biden weiter vorgehen will.

Vor und nach dem Treffen wurden Gespräche mit US-Verbündeten in der Region geführt, um eine Strategie im Umgang mit China zu koordinieren. Dazu gehörte der Versuch, die sog. „Quad“-Allianz zwischen den USA, Indien, Japan und Australien in eine „asiatische NATO“ umzuwandeln. Zur wachsenden Sorge über eine mögliche militärische Konfrontation trugen zudem Erklärungen von US-Militärkommandeuren bei, die warnten, Chinas angeblich „aggressive“ Haltung belege dessen „bösartige Absichten“, was eine erhöhte militärische Bereitschaft im indopazifischen Raum erfordere. In dieses Bild passen auch die jüngsten Treffen und Gespräche mit Vertretern der Europäischen Union und der NATO, die sich zur Entsendung militärischer Kapazitäten in die Region als Zeichen der Einheit der Verbündeten verpflichteten.

Die Haltung der Biden-Administration setzt bisher die scharfe antichinesische Wende vom März 2020 fort, als Präsident Trump China zum Sündenbock für die mangelhafte Reaktion der USA auf die COVID-Pandemie machte. Hatte Trump zuvor noch Xi als persönlichen Freund bezeichnet, ein erstes Handelsabkommen mit der Aussicht auf Erweiterungen unterzeichnet und China anfänglich sogar für seinen Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus gelobt, verlegte er sich nun darauf, China für die weltweite Verbreitung der Krankheit verantwortlich zu machen. Sein Außenminister, der fanatische Falke Pompeo, reiste um die Welt, um gegen China zu wettern und zu verlangen, daß alle Länder sich den USA in der Konfrontation gegen China anschließen sollten, u.a. wegen Vorwürfen wie Fehlverhalten im Umgang mit der Pandemie, Menschenrechtsverletzungen, wirtschaftliche Erpressung seiner Nachbarstaaten und Plänen, die USA als dominierende Weltmacht abzulösen.

Unter denjenigen, die über diesen Vorstoß für globale Konfrontation alarmiert waren, gab es gewisse Hoffnungen, daß die neue Biden-Administration statt auf wütende Rhetorik und Drohungen mit Militäraktionen auf Diplomatie setzen würde. Die genannten jüngsten Ereignisse deuten aber noch nicht darauf hin, daß statt der Falken, die 2020 Trumps Politik beherrschten, nun „Erwachsene“ das Sagen hätten. Es stellt sich somit die Frage, was hinter diesem aggressiven Vorgehen der USA steckt.

Kontinuität im „Militärisch-industriellen Komplex“

Zu den lautstärksten Warnern von der „chinesischen Gefahr“ gehören die Befürworter noch höherer Militärausgaben. Seit 2018 wird China im jährlich vom Kongreß beschlossenen Rüstungsbudget (National Defense Authorization Act, NDAA) zunehmend als feindliche Macht ins Visier genommen. Neokonservative in beiden Parteien wie die Senatoren Rubio (Republikaner) und Menendez (Demokrat) nutzten diese Debatte als Gelegenheit, unbegründete Anschuldigungen über Chinas aggressive Weltmachtpläne zu erheben. Sie verbreiten übertriebene Berichte über Chinas militärische Expansion – darunter die Behauptung, Chinas Entwicklung der 5-G-Technologie ziele auf Spionage und Cyberkrieg gegen die USA ab – und konzentrierten sich zunehmend auf eine neue Kategorie, die sog. „Soft Power“, indem sie behaupten, die Konfuzius-Institute an amerikanischen Universitäten seien eine gefährliche Tarnung für die Rekrutierung von Spionen und Aufweichung der amerikanischen Opposition gegen China.

Diese Propagandaoffensive und die jüngsten Warnungen führender Militärs, China werde bald so mächtig sein, daß das US-Militär es nicht mehr eindämmen kann, sind ein wichtiger Teil des Gesamtbildes, doch man muß auch besonders die Rolle der „Denkfabriken“ beim Aufbau eines Feindbilds China betrachten. Erste Recherchen zeigen, daß drei Institutionen direkt an der Gestaltung dieses Narrativs beteiligt sind. Auch wenn ihre Artikel und Seminare stets die Aussage enthalten, Kooperation sei Konfrontation vorzuziehen, ist die Absicht unverkennbar, China als zunehmende Bedrohung des Weltfriedens darzustellen.

Die drei Institutionen sind:

Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll aufzeigen, wie diese Institutionen als miteinander vernetzte Propagandawaffen für den militärisch-industriellen Komplex funktionieren, um die Fortsetzung der amerikanischen Unterstützung für die Geopolitik des Britischen Empire zu rechtfertigen.

Die Schnittstelle zwischen diesen Institutionen veranschaulicht eine Gruppe damit verbundener Personen, die den Kern von Bidens China-Team bilden. Dazu gehören Blinken, der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Kurt Campbell, der als Bidens „Asienzar“ für die indopazifischen Beziehungen zuständig ist, und Ely Ratner, der Bidens China-Taskforce im Verteidigungsministerium leitet. Alle vier hatten lange Karrieren unter Biden, die bis in seine Zeit als Vorsitzender des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen und als Vizepräsident zurückreichen. In ihren jüngsten Äußerungen wetterten sie alle über Chinas „Herausforderung der regelbasierten Ordnung“ als Standardbegründung, warum die USA gegenüber China nach der Methode „Zuckerbrot und Peitsche“ handeln sollten, indem sie es belohnen, wenn es sich an die Regeln der transatlantischen Mächte hält, und es bestrafen, wenn es das nicht tut.

Ein Ausgangspunkt ist ein von Campbell und Ratner mitverfaßter Artikel in der Ausgabe März-April 2018 des CFR-Magazins Foreign Affairs (FA). Unter dem Titel „Wie Peking die amerikanischen Erwartungen enttäuscht hat“ wird darin die inzwischen übliche Erklärung dafür geliefert, was in der US-China-Politik schief gelaufen ist. US-Vertreter hatten naiv geglaubt, wenn man China in die Welthandelsorganisation (WTO) aufnehme und den Handel ausweite, würde China die Marktwirtschaft übernehmen und westliche „Normen“ der Demokratie und Menschenrechte akzeptieren. Campbell und Ratner argumentieren, dies sei nie realistisch gewesen, da Chinas Wirtschaft „staatlich gelenkt“ sei und seine Führung „westliche liberale Werte“ leugne. Ein ähnliches Narrativ lieferten Sullivan und Campbell in einem weiteren FA-Beitrag in der Ausgabe September-Oktober 2019, „Wettbewerb ohne Katastrophe“, wo es heißt, trotz Chinas Ablehnung der westlichen Ordnung gebe es Bereiche möglicher Zusammenarbeit. Als wichtigsten Bereich nennen sie den „Klimaschutz“. Campbell wiederholte dies in einem neueren FA-Artikel, den er am 12. Januar 2021 mitverfaßte: „Wie Amerika die asiatische Ordnung stützen kann“.

Diese Themen sind Gegenstand dreier neuerer, wichtiger Dokumente, die einen Konsens für die Regierung schaffen sollen. Sie fordern eine Mischung: den Aufbau von Allianzen, um als „Hard Cop“ China von größerer „Selbstbehauptung“ abzuschrecken, und gleichzeitig die Schaffung von Raum für Kooperation.

Das erste ist ein anonymes Papier des Atlantic Council, „Das längere Telegramm: hin zu einer neuen amerikanischen Strategie“, veröffentlicht am 28. Januar. Der Titel bezieht sich auf George Kennans „Langes Telegramm“ von 1946, das mit seiner Strategie der Eindämmung der Sowjetunion die Grundlage für den Kalten Krieg schuf. Die USA werden aufgefordert, Chinas Eliten davon zu überzeugen, daß es in ihrem Interesse liege, „innerhalb der von den USA geführten liberalen internationalen Ordnung zu agieren, statt eine rivalisierende Ordnung aufzubauen“. Der Autor behauptet, es gebe eine erhebliche Spaltung innerhalb der chinesischen Führung, so daß man die Strategie anwenden könne, die „laserscharf auf die Bruchlinien zwischen Xi und seinem inneren Kreis fokussiert“ sein müsse – eine explizite, gefährliche Strategie für einen Regimewechsel in China.

Ein etwas diplomatischeres Papier veröffentlichte der Atlantic Council am 22. März: „Der China-Plan: eine transatlantische Blaupause für strategische Konkurrenz“. Diese Strategie sei notwendig, „um China daran zu hindern, die regelbasierte Ordnung zu seinem alleinigen Vorteil umzugestalten“. Die Autoren fordern eine globale Allianz gegen Chinas angebliche Menschenrechtsverletzungen, Zwangsdiplomatie, räuberischen Wirtschaftspraktiken, Technologiewettbewerb und andere „Sicherheitsherausforderungen“.

Das dritte Papier wurde von einer CFR-Arbeitsgruppe erstellt und trägt den Titel „Chinas Gürtel und Straße: Implikationen für die Vereinigten Staaten“. Darin wird eingeräumt, daß China die USA in Schlüsselbereichen der Wirtschaft durch „Untätigkeit der USA“ wie auch „Chinas Durchsetzungsvermögen“ überholt hat, und es wird eine Strategie zur Unterminierung der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) dargelegt. Dazu gehören die Durchsetzung von Regeln des „freien Marktes“ statt staatlicher Förderung der Infrastruktur, „Informationskrieg“ und eine „grüne“ Politik, die China beschuldigt, Klimaschutz-Beschränkungen u.a. gegen Kohle zu verletzen.

Diese Themen wurden in öffentlichen Foren und privaten Seminaren von allen drei Institutionen angepriesen. U.a. wurde in den Veranstaltungen für das „Längere Telegramm“ geworben und vor der „Thukydides-Falle“ gewarnt, d.h., daß ein Krieg wahrscheinlich sei, wenn China versucht, die USA als führende Weltmacht zu verdrängen. Die NATO und die EU waren Schauplatz von Diskussionen über eine stärkere Koordination der transatlantischen Nationen bei der Eindämmung Chinas, wobei NATO-Generalsekretär Stoltenberg nach einem Besuch Blinkens erklärte: „Die NATO braucht einen globaleren Ansatz.“

Während die vier genannten Mitarbeiter Bidens auch Äußerungen gemacht haben, die Bidens Versprechen vor der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz widerspiegeln, es gebe keine Absicht, einen Neuen Kalten Krieg zu beginnen, sagte der republikanische Senator und Vorsitzende der Regimewechselorganisation International Republican Institute (IRI) Dan Sullivan bei einem Seminar des Atlantic Council, die Strategie im Längeren Telegramm sei „ein Kalter Krieg anderer Art“, und einer der Unterschiede sei, daß die chinesische Bedrohung nun von allen Parteien anerkannt werde.

Widerstand formiert sich

Das Schiller-Institut und seine Gründerin Helga Zepp-LaRouche haben eine Resolution in Umlauf gebracht, um der Konfrontation mit China etwas entgegenzusetzen. In der Resolution, die bereits Unterschriften von Dutzenden China-Experten hat, heißt es: „Seit einiger Zeit eskaliert eine internationale Anti-China-Kampagne, bei der Denkfabriken, Mainstream-Medien und Strategiepapiere aller Art ein Bild von China und seinen angeblichen Absichten zeichnen, das einfach falsch und hochgefährlich ist. Es wird damit ein Feindbild erzeugt, das im schlimmsten Fall zum Krieg führen kann.“

Alle Unterzeichner haben direkte Erfahrungen mit China gemacht und dort gelebt oder gearbeitet oder es wiederholt ausführlich bereist. Basierend auf ihren Erfahrungen und Zeugenaussagen sagen sie, die Chinesen „blicken grundsätzlich optimistischer in die Zukunft als der Westen“, nachdem das Land erfolgreich die Armut bekämpft hat. Und das Vertrauen in die Regierung sei wesentlich größer, was durch die effektive Art und Weise, wie China COVID-19 unter Kontrolle gebracht hat, veranschaulicht und verstärkt wird. China mache Fortschritte in Wissenschaft und Technik sowie Innovation, und der Westen solle lieber auf das Angebot der Zusammenarbeit reagieren, als die Konfrontation zu suchen.1

Daß ein diplomatischer Dialog möglich ist, zeigte die kürzlich abgeschlossene Konferenz des Schiller-Instituts „Die Welt am Scheideweg“.2 Redner aus vielen Nationen, darunter China, Rußland, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und südwestasiatische Länder, sprachen von dem Wunsch, mit der geopolitischen Doktrin und den imperialen Provokationen zu brechen, die zu endlosen Kriegen, Wirtschaftskatastrophen, Hungersnöten und Pandemien geführt haben. Ein solcher Dialog auf internationalen Foren ist unerläßlich, um den sonst unausweichlichen Absturz in einen verheerenden Krieg zu verhindern.


Anmerkungen

1. Den vollständigen Text der Erklärung finden Sie in dieser Ausgabe.

2. Lesen Sie dazu bitte auch unseren Bericht in dieser Ausgabe. Den Video-Mitschnitt der Konferenzbeiträge finden Sie auf der Internetseite des Schiller-Instituts unter: https://schillerinstitute.com/blog/2021/03/19/world-at-a-crossroad-two-months-into-the-new-administration/