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Aus der Neuen Solidarität Nr. 5/2008 |
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Am 9. Januar machte sich der erste Containerzug auf der neuen, durchgehenden Güterbahnverbindung von China aus auf die Reise durch die Mongolei, Rußland, Weißrußland und Polen nach Deutschland.
Auf Initiative Chinas haben sechs Nationen ein Abkommen getroffen, um einen regelmäßigen Güterverkehr auf einer neuen Route der „zweiten eurasischen Landbrücke“ zwischen China und Deutschland sicherzustellen. Am 9. Januar ging der erste Containerzug, nach traditioneller chinesischer Art mit Fahnen dekoriert, in Beijing auf seine 9780 km lange Reise von China durch die Mongolei, Rußland, Weißrußland und Polen nach Hamburg, wo er nach 15 Tagen eintraf.
Was lange währt, wird endlich gut: Schon 1992 hatten die Eisenbahngesellschaften Chinas und Kasachstans die letzte Lücke in der „euroasiatischen Kontinentalbrücke“ eingeweiht, nun wurde endlich auch der regelmäßige Eisenbahnverkehr zwischen China und Deutschland als Europas größter Industrienation aufgenommen.
Am 23. Oktober 2007 hatte ein erster direkter Containerzug vom östlichen Endpunkt der Landbrücke, der Hafenstadt Lianyungang in der Provinz Jiangsu, nach 15 Tagen Fahrt das 8310 km weit entfernte Moskau erreicht. Damit eröffnete Lianyungang den kombinierten See-Bahn-Containerverkehr von der amerikanischen Westküste bis Rußland und Europa. Es war, wie es in einer Erklärung der Hafenbehörde von Lianyungang hieß, der „erste Betrieb der gesamten eurasischen Landbrücke seit ihrer Eröffnung 1992“. Den westlichen Endpunkt der Landbrücke bildet Rotterdam, der größte Hafen Europas.
Schon vor der neuen internationalen Vereinbarung war der Bahnverkehr zwischen China, Rußland und Zentralasien stark ausgeweitet worden, aber die weitere Verbindung nach Westeuropa funktionierte wegen umständlicher Zollprozeduren, unterschiedlicher Spurweiten und anderer Hindernisse kaum. Aus diesem Grund trafen die Bahnbehörden der sechs beteiligten Staaten ein formelles Abkommen, um diese Probleme zu beheben und einen regelmäßigen grenzüberschreitenden Containerverkehr zu ermöglichen.
Bisher brauchte man für die Verbindung auf dem Seeweg 40 Tage. Aber auch gegenüber der bisherigen Fahrzeit mit der Eisenbahn ist es eine deutliche Verbesserung: 2006 dauerte der Transport von der chinesischen Küste nach Moskau noch rund 30 Tage.
Wer die Geschichte kennt, den wird es nicht überraschen, daß es nach der Schließung der letzten großen Lücke in der Bahnverbindung von Westeuropa nach China 15 Jahre dauerte, bis endlich eine politische Vereinbarung zustande kam, die einen wirtschaftlichen Betrieb auf der Eurasischen Landbrücke ermöglicht. Die Entwicklung Eurasiens, bei der die Eurasische Landbrücke eine entscheidende Rolle spielt, war in den letzten 200 Jahren politisch immer sehr hart umkämpft: Auf der einen Seite standen Kräfte in Amerika, Rußland, China und Europa, die die Nationen wirtschaftlich aufbauen wollten, auf der anderen die Geopolitiker des auf Wucher und Seemacht gegründeten anglo-holländischen Weltimperiums, die das verhindern wollten.
Praktisch handelt es sich um viel mehr als ein wichtiges Eisenbahnabkommen. Es ist ein großer Schritt, der die Entschlossenheit der eurasischen Nationen zur Zusammenarbeit beweist. Im Mai 1996 hatte die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, bei einer der großen Arbeitskonferenzen über die wirtschaftliche Entwicklung der Nationen entlang der Eurasischen Landbrücke in Beijing eine Rede gehalten. Sie betonte darin, eine Landbrücke von „Entwicklungskorridoren“ auf der Grundlage modernster Technik sei der Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung Eurasiens und auch das einzige Mittel zur Überwindung der Verheerungen durch „Freihandel“ und „Globalisierung“ in Rußland, Afrika, Iberoamerika und anderen Teilen der Welt. Lyndon LaRouches Pläne für Eurasien, die er schon ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer 1989 erstmals entwickelte, wurden von seinen Mitarbeitern bei chinesischen Stellen vorgestellt und hatten bedeutenden Einfluß auf die Tagesordnung der Konferenz, an der mehr als 450 führende Experten und Politiker aus Asien und Europa teilnahmen. In der Abschlußsitzung der Konferenz wurde Zepp-LaRouches Vortrag über eine neue Renaissance, die Großprojekte wie die eurasische Landbrücke möglich macht, von den Veranstaltern nochmals ausdrücklich gelobt.
Der Präsident der chinesischen Eisenbahngesellschaft für Containerverkehr, Zheng Mingli, nannte das neue Abkommen anläßlich der Abfahrt des Zuges in Beijing einen „Durchbruch in unserer Zusammenarbeit“. Chinesische Zeitungen zitierten ihn: „Heute sind Eisenbahnbeamte aus sechs Staaten hier, um Zeuge dieses Ereignisses zu sein. Das ist sehr wichtig für die Entwicklung der asiatisch-europäischen Kontinentalbrücke. Es bedeutet, daß der Verkehr für die beteiligten Länder ein großes Potential hat.“ Das Ziel sei, „einen fahrplanmäßigen Containerdienst zwischen den sechs Ländern einzurichten. Wenn es keine Komplikationen gibt, sollten in einem Jahr Containerzüge zwischen China und Deutschland verkehren.“ Nach Einschätzung der Deutschen Bahn, die das Projekt vor zwei Jahren zusammen mit Chinas Wirtschaftsministerium anstieß, ist die Verkürzung der Reisezeit auf 15 Tagen notwendig, um es wirtschaftlich rentabel zu machen.
Auch der Welteisenbahnverband UIC hat das Projekt begrüßt. UIC-Chef Luc Aliadière sagte am 15. Januar in Paris: „China ist die Werkstatt der Welt - das Potential ist enorm... Es ist, als käme eine neue TGV-Linie ins Spiel, und nun wird es Realität.“ Er schätzt, daß sich die Transportkosten für den Güterverkehr zwischen China und Europa auf rund 3 Mrd. Euro pro Tag belaufen. Immer mehr chinesische Firmen würden weg von den Häfen an der Pazifikküste wie Shanghai ins Binnenland verlagert, auch das spreche für den direkten Bahntransport nach Europa.
Einige Tage später kündigte Chinas Bahnministerium an, China werde bis 2010 in „ein neues Eisenbahn-Zeitalter“ eintreten. Bei einer nationalen Konferenz erklärte Eisenbahnminister Liu Zhijun, China werde in diesem Jahr 300 Mrd. Yuan (28 Mrd. Euro) in den Bau von 7820 km neuen Bahnstrecken investieren und die internationale Kooperation im Eisenbahnsektor ausweiten, u.a. durch den Bau eines panasiatischen Eisenbahnnetzes und technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. „Eine ganze Reihe neuer Projekte wird in diesem Jahr in Bau gehen, und der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn zur Verbindung von Beijing mit Shanghai ist das wichtigste davon“, sagte Liu. Sechs Unternehmen hätten Aufträge zum Bau der schon lange geplanten Strecke erhalten, und die neue Bahnstrecke werde höchsten internationalen Maßstäben gerecht werden.
In den kommenden drei Jahren wird China insgesamt 15.000 km neue Eisenbahnstrecken bauen und in Betrieb nehmen, davon 7000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Personenverkehr. Bis 2020 wird Chinas Bahnnetz eine Gesamtlänge von 120.000 km erreichen. In den letzten vier Jahren hat China schon umgerechnet 50 Mrd. Euro in den Eisenbahnbau gesteckt. Liu erklärte, in diesem Jahr würden in China 1,4 Mrd. Passagiere befördert. Das Frachtvolumen werde mehr als 3,3 Mrd. Tonnen umfassen, bei Einnahmen in Höhe von rund 361 Mrd. Yuan (34 Mrd. Euro). Vorrang hätten dabei Kohle, Getreide, Düngemittel, Baumwolle, Katastrophenhilfe und weitere Güter des täglichen Bedarfs.
Mary Burdman
Lesen Sie hierzu bitte auch: Skandinavien und die Eurasische Landbrücke - Neue Solidarität 44/2007 Die strategische Bedeutung der Verbindung durch Eisenbahnkorridore - Neue Solidarität Nr. 44/2007 Kombinierter Transport zwischen Eurasien und Nordamerika - Neue Solidarität Nr. 40/2007 Die Eurasische Landbrücke wird Realität! - Neue Solidarität Nr. 39/2007 |
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