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Aus der Neuen Solidarität Nr. 18/2008

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Tag der Schande für den Deutschen Bundestag!

Von Helga Zepp-LaRouche

Der 24. April 2008 wird in der Geschichte als der Tag notiert werden, an dem 517 Mitglieder des Deutschen Bundestages aus unterschiedlichen Gründen  auf verfassungswidrige Weise einem Vertragswerk zugestimmt haben, das in der Praxis das Grundgesetz aufheben und in Europa eine oligarchische Diktatur verwirklichen soll. Der größte Skandal besteht darin, daß diese Abgeordneten bis auf ganz wenige Ausnahmen diesen Vertrag zuvor gar nicht gelesen hatten. „Das ist bei uns in der Fraktion kein Thema“, brachten es einige von ihnen auf den Punkt.

Damit scheint zunächst das Kalkül der europäischen Regierungschefs aufzugehen, die am 13. Dezember letzten Jahres nicht nur den Vertrag von Lissabon beschlossen haben, sondern eben auch, diesen Vertrag ohne jegliche öffentliche Diskussion in den Medien oder in für die Bevölkerung wahrnehmbarer Weise auch im Bundestag durch die Parlamente ratifizieren zu lassen. Dabei handelt es sich um nichts weniger als einen Staatsstreich von oben, bei dem auch noch der klägliche Rest an gesetzgeberischen Kompetenzen, die zuvor noch beim Bundestag lagen, an die Brüsseler EU-Diktatur abgegeben werden.

Die Sache wird ein Nachspiel haben, und zwar nicht nur in Deutschland. Beim Bundesverfassungsgericht, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und weiteren Gerichten werden Klagen eingereicht werden, die sich mit den zahlreichen Verstößen gegen das Grundgesetz  und die übrigen Verfassungen beschäftigen, die mit dem Lissaboner Vertrag faktisch außer Kraft gesetzt worden sind.

Eine der schwerwiegendsten Verletzungen besteht darin, daß laut Art. 20 GG, Abs. 2  alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, und die gewählten Abgeordneten dieses Recht des Souveräns, des Volkes, lediglich repräsentieren. Laut früheren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Repräsentanten einen gewissen Anteil dieses Rechtes z.B. an die EU delegieren, aber 100 %?  Mit dem Lissaboner Vertrag würden die Bürger praktisch entmachtet, die parlamentarische Demokratie außer Kraft gesetzt und jegliche Formulierung der Politik an den auf zweieinhalb Jahre gewählten EU-Präsidenten, den Ministerrat und die EU-Kommission abgetreten.

Damit ist eine solche Gesamtänderung des Grundgesetzes gegeben, daß der Art. 146 GG zutrifft, in dem es heißt, „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Der EU-Vertrag, der nach der Rechtsauffassung bedeutender Staatsrechtler die nationalen Gesetzgeber zu „regionalen Verwaltungskörpern“ reduziert, ist in Wirklichkeit eine Verfassungsänderung, auch wenn die Regierungschefs den durchsichtigen Trick angewandt haben, die 2005 in Frankreich und den Niederlanden in Referenden abgelehnte Europäische Verfassung einfach in „Vertrag“ umzubenennen.

Der größte Skandal besteht darin, daß, von einer Handvoll von Abgeordneten abgesehen, die absolute Mehrzahl von ihnen über diesen Vertrag abgestimmt hat, ohne daß sie ihn gelesen hätten. Der für Nichtjuristen völlig unverständliche Text wurde in seiner konsolidierten Form (also der ursprüngliche Text der Europäischen Verträge mit den eingefügten Änderungen, Erläuterungen und Erklärungen) erst am 15. April veröffentlicht. Diese Abgeordneten haben also in skandalöser Ignoranz und Indifferenz ihre Aufgaben als Volksvertreter mißachtet, und sollten nun nur eine Antwort bekommen: Jeder, der für diesen Vertrag gestimmt hat, sollte schnellstmöglich aus dem Amt gewählt werden.

Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, daß die Medien in Europa und insbesondere in Deutschland völlig kontrolliert sind, dann ist dies die Tatsache, daß es zwischen dem 13. Dezember 2007, dem Tag, als die Staatschefs den Vertrag in Lissabon unterschrieben, und dem 24. April, als der Bundestag ihn ratifizierte, keinen einzigen Artikel oder Bericht in den großen deutschen Medien gegeben hat, der das Für oder Wider dieses tief in unsere gesellschaftliche Ordnung eingreifenden Dokuments analysiert, kommentiert oder auch nur dargestellt hätte. Um das Maß der Verhohnepiepelung der Bevölkerung vollzumachen, veröffentlichte die Bild-Zeitung einen Tag danach, am 25. April, einen Artikel auf Seite 2 mit dem Titel, „EU-Vertrag: Bild enthüllt das Kleingedruckte“, in dem zumindest auf einige der massiven Demokratieverluste hingewiesen wird, gewissermaßen nach dem Motto: „Tja, Pech gehabt, Europa ist gerade eine Diktatur geworden. Liebe Leute, jetzt gewöhnt euch mal besser daran!“

Die vollkommene Komplizenschaft der Medien wirft einmal mehr die Frage auf, wer diese Medien kontrolliert. Auf jeden Fall sollte die Nichtberichterstattung über den EU-Vertrag jedem denkenden Bürger und jeden Studenten ermutigen, auch den übrigen Behauptungen der Medien mit einem gesunden Mißtrauen zu begegnen. Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Obwohl es via Internet um die ganze Welt gegangen ist, daß die Fotos von auf Demonstranten einprügelnden „chinesischen“ Soldaten in „Tibet“ kurioserweise indische und nepalesische Uniformen trugen, und obwohl alle großen Print- und elektronischen Medien diese Truppen als chinesische Truppen ausgegeben hatten, hielt es keine einzige Zeitung und kein einziger Fernsehsender für nötig, eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Die Beispiele für solche Manipulationen in den Medien ließen sich endlos fortsetzen.

Aber auch die Argumentation der bewußten Befürworter des EU-Vertrages übten sich weit mehr in der Kunst der sophistischen Wahrheitsverdrehung, als daß sie ehrlich die tatsächlichen Änderungen diskutiert hätten. Eines der Hauptargumente dieser Sophisten besteht in der Behauptung, alle Kritiker des EU-Vertrages seien Europa-Gegner. Ein weiteres besteht darin, daß Europa mit dem Lissaboner Vertrag den „Frieden“ in Europa sicherer mache, daß die Weltkriege des 20. Jahrhunderts durch Konflikte zwischen Nationen zustande gekommen seien, und daß es deshalb gut sei, wenn diese Nationen in einem einheitlichen Europa aufgingen.

Wenn man die Vorgeschichte der Weltkriege betrachtet, dann waren es keineswegs Nationen, sondern Imperien und Reiche, die diese Kriege verursachten. So waren es z.B. im Falle des Ersten Weltkrieges das britische Empire, das österreichisch-ungarische Kaiserreich, das zaristische Reich, das deutsche Kaiserreich, etc., die diesen Krieg ausgefochten haben. Ein weiteres Argument der Verfechter der EU-Diktatur besteht in der angeblichen Notwendigkeit, Europa gegen den Unilateralismus der USA zu stärken und dem eine „multipolare“ Welt entgegenzusetzen.

Aber wenn diese „multipolare Welt“ aus einem sich imperialistisch gebärdenden Amerika, einem imperialen Europa, einem sich wieder erstarkt fühlenden Britischen Empire als wiederbelebtem Commonwealth bestehen soll, die gegen die zukünftigen „Weltmachtsansprüche“ Rußlands, Chinas und Indiens operieren wollen, dann ist dies genau der Stoff, aus dem der Erste Weltkrieg des 21. Jahrhunderts zu entstehen droht.

Europa soll stark sein, aber als Europa der Vaterländer im Sinne de Gaulles, die als souveräne Republiken multinational und bilateral zusammenarbeiten, um gemeinsam eine positive Rolle in der Welt zu diskutieren und zu übernehmen. Eine EU-Diktatur hingegen, die gerade die Demokratie mit einem Täuschungsmanöver gegenüber der Bevölkerung abschaffen will, braucht sich von jetzt an nicht mehr scheinheilig um Demokratie und Menschenrechte in aller Welt zu sorgen, um diese angebliche Sorge dann als Vorwand für präventive „Konfliktlösungen“ zu verkaufen.

Aber noch ist die Sache nicht entschieden. In rund 30 Städten in verschiedenen Ländern Europas sind eine ganze Reihe von Organisationen dem Aufruf des Leiters der Mobilisierung gegen die EU-Verfassung während des französischen Referendums von 2005, Etienne Chouard, gefolgt, jeden Mittwoch Demonstrationen abzuhalten, um genau die Diskussion in die Bevölkerung zu tragen, die die Parlamente und Medien verweigert haben.

Aber auch auf der juristischen Ebene gibt es zahlreiche Initiativen, die den Vertrag noch stoppen können. So hat in der Tschechischen Republik der Senat mehrheitlich den Beschluß verschoben, bis das Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit des Vorgehens und des Inhaltes des Vertrags geprüft hat. Ähnliche Klagen werden in Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, Dänemark und Großbritannien vorbereitet. Das für den 12. Juni in Irland geplante Referendum könnte maßgeblich von den irischen Landwirten beeinflußt werden, die gerade wieder erleben müssen, wie ihre Interessen trotz einer globalen Nahrungsmittel- und Hungerkatastrophe von der EU-Bürokratie in Verhandlungen mit der WTO ausverkauft werden.

Noch ist es auch in Deutschland Zeit, eine wirkliche Debatte in der Öffentlichkeit bis zur Abstimmung im Bundesrat Ende Mai in Gang zu bringen. Auch danach wird es im weiteren Verlauf dieses Jahres eine Gelegenheit gegeben, eine Struktur für Europa zu bestimmen, die der Demokratie und der Freiheit ihrer Bürger wirklich angemessen ist. Dieses Jahr wird die dramatischste Zuspitzung der globalen Finanzkrise erleben und ohnehin die meisten Pläne der mit der alten Denkungsweise konform gehenden Politiker zur Makulatur machen.

Was jetzt not tut, ist eine breite Debatte über die Erhaltung der Freiheit und republikanischer Prinzipien in Europa!

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)

 

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