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Aus der Neuen Solidarität Nr. 6/2007 |
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Alexander Hartmann, Oberbürgermeisterkandidat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Wiesbaden, gab am 13. Januar ein Interview in der LaRouche-Show, der wöchentlichen Radiosendung des Executive Intelligence Review in den Vereinigten Staaten, die über das Internet in aller Welt zu empfangen ist. Das Gespräch führte Marcia Merry Baker. (Der erste Teil des Interviews erschien in der Vorwoche.)
EIR: Ich hasse es, zum Negativen zurückzukehren, aber was Sie da sagen, bedeutet soviel für die Menschen in anderen Teilen der Welt, sei es auf den Philippinen oder in anderen Ländern, die erlebt haben, wie ihren Heimatländern in den letzten 40 bis 50 Jahren des nachindustriellen Durcheinanders so viel Schaden zugefügt wurde.
Ist das auch in Wiesbaden so, oder in anderen Teilen Hessens? Hat man dort auch diese Taschenspielertricks erlebt, wo private Interessen herkommen und nicht nur Industrie- und Einzelhandelsbetriebe, sondern auch Wohnungen, die Wasserversorgung und andere Versorgungsbetriebe aufgekauft haben? Man nannte das früher Privatisierung, jetzt nennt man es "öffenlich-private Partnerschaften". Leute wie Felix Rohatyn tun sich da hervor - transatlantisch. Früher war es Lazard, heute auch Lehman Brothers. Gab es das bei Ihnen auch so viel? Wir sehen hier, wie die arme Stadt Chikago ihre Stadtautobahn verkauft, ihre Parkhäuser. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Hartmann: Nun, in bestimmten Bereichen gibt es das auch in Deutschland. Da gibt es einige seltsame Varianten, beispielsweise hier in Hessen. Vielleicht wissen Sie, daß wir hier in Deutschland eine bundeseigene Eisenbahn haben, die Deutsche Bahn. Sie betrieb das deutsche Eisenbahnnetz, und nur in einigen abgelegenen Gebieten gab es Touristenbahnen, die noch mit Dampfantrieb fuhren. Das war die Art von Eisenbahnen, die privat betrieben wurden.
Nun hat das Land Hessen ein Unternehmen gegründet, das rechtlich betrachtet wie ein privates Unternehmen geführt wird. Es ist im Staatsbesitz, aber es wird geführt wie ein Privatbetrieb. Und bei den Ausschreibungen - das ist etwas, was die Europäische Union eingeführt hat - müssen die großen Eisenbahnunternehmen sich um eine Lizenz bewerben, um bestimmte Linien zu betreiben. Und dieses neugegründete Staatsunternehmen unterbot die Preise der übrigen Unternehmen, und das finanzierten sie, indem sie ihren Beschäftigten 300 Euro monatlich weniger bezahlten.
EIR: Sie haben also die Gehälter ihrer Belegschaft gekürzt, um die Eisenbahn zu betreiben.
Hartmann: Ja, indem sie eine neue Firma gründeten. Es ist hier nicht so wie in den Vereinigten Staaten, wo die Unternehmen Gewerkschaften aus ihren Betrieben ausschließen können. Wir haben Betriebsräte, das ist gesetzlich garantiert. Aber es gibt andere Tarifverträge zwischen den Gewerkschaften und dem Staat. Und indem sie ein neues Unternehmen gründeten, haben sie den Rahmen des Tarifvertrags verlassen, so daß sie in der Lage waren, niedriger zu bieten. Das wurde von Hessens Ministerpräsident Roland Koch gemacht, der übrigens ein guter Freund von Tommy Thompson ist...
EIR: O! Tommy Thompson aus Wisconsin?
Hartmann: Ja, richtig. Er wirbt hier für das Sozialmodell des früheren Gouverneurs von Wisconsin, das Wisconsin-Modell. Damit zwingt man die Menschen, zu arbeiten: Wenn sie nicht bereit sind, zu arbeiten, dann bekommen sie keine Sozialhilfe. Der kleine Nachteil ist nur, daß es keine Jobs gibt, die sie annehmen könnten! Es geht also nur darum, die Sozialhilfe einzusparen.
Und aus dem Büro dieses Herrn Koch kommt Herr Müller, der Stadtkämmerer, der jetzt für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Er ist dafür verantwortlich, daß hier das gleiche auch mit dem Busnetz gemacht wurde, wobei hier zur Unmoral noch das Komische kommt: Sie verkauften den Busbetrieb zur Hälfte an die Verkehrsbetriebe der Stadt Hamburg, die ebenfalls von der CDU regiert wird. Und dann bezahlten die Verkehrsbetriebe von Hamburg ihren Anteil zum Teil mit Bussen. Aber Hamburg liegt in flachen Land, und Wiesbaden ist hügelig. Und die Busse aus Hamburg kamen die Berge nicht hinauf.
EIR: O! Mußten die Passagiere aussteigen und laufen, und vielleicht schieben helfen?
Hartmann: Nun, alle haben über die Geschäftsführung des Unternehmens gelacht. Aber wer war dafür verantwortlich, diese Leute einzustellen? Es ist die Ideologie, die Ideologie des Freihandels ist in den Bereich eines öffentlichen Betriebes eingeführt. Und bei der Vergabe der Lizenzen haben sie die privaten Firmen, die vorher Lizenzen hatten, unterboten.
EIR: Das ist ja wirklich Schwindel...
Hartmann: Ja, sicher. Und das ist etwas, was wir im Wahlkampf auf den Tisch bringen und diskutieren werden.
Ansonsten haben wir in Wiesbaden natürlich andere Fälle. So war hier in Wiesbaden der Sitz der Linde-Gruppe, eines der weltweit führenden Gasproduzenten für industrielle und medizinische Zwecke. Und sie haben mit einem britischen Unternehmen fusioniert, und jetzt wird der Konzernsitz nach München verlegt. Sie haben auch Gabelstapler produziert, und der Zweig der Firma, der sie produziert, bleibt hier, wurde aber an einen dieser Hedgefonds verkauft. Kurz zuvor hatte Linde seine Kältetechnik-Abteilung geschlossen. Carl von Linde war der Erfinder der Kühltechnik, auch er arbeitete hier in Wiesbaden. Das war vor über 100 Jahren. Und jetzt ist dieser Teil der Firma im vorigen Jahr geschlossen und nach Tschechien verlegt worden.
EIR: Wenn Sie so in diese Details gehen, das wirkt dem entgegen, was Sie vor der Sendung erwähnt haben, der pessimistischen Sicht, daß niemand sich darum kümmern wird, die Industrie wieder aufzubauen. Das ist die eine Ebene, und da gibt es noch tiefer liegende Ebenen. Sie haben vom Pessimismus gesprochen, wenn die Menschen die Kriegsgefahr sehen, wenn sie solche Leute wie Bush und Cheney in Washington an der Macht sehen. Aber Sie sprachen davon, das alles zu ändern.
Hartmann: Ja. Das hat historische Dimensionen. Als Albert beispielsweise in den 1860er Jahren hier sein Unternehmen gründen wollte, erhielt er dafür von den Herzögen von Nassau keine Genehmigung. Tatsächlich haben sie die Industrialisierung Wiesbadens verhindert. Erst nachdem Bismarck das Land erobert hatte, war industrielle Entwicklung preußische Politik, und deshalb wurde Wiesbaden groß. Unter den Nassauern hatten wir nur 26.000 Einwohner, jetzt sind es zehnmal so viele.
EIR: Man sollte also nur seine Felder bestellen und weben und tanzen...
Hartmann. Ja. Und diese reichen, oligarchischen Familien sind immer noch da. Die regierende Familie von Nassau, die von Bismarck abgesetzt wurde, erbte später das Großherzogtum Luxemburg. Der heutige Großherzog von Luxemburg wäre noch heute Herzog von Nassau, wäre er nicht abgesetzt worden.
EIR: Einige unserer Hörer in New York werden vielleicht die Ironie bemerken, daß Nassau auf Long Island nach dieser Familie benannt ist, direkt nach den Wiesbadenern, oder nach denen in Luxemburg oder anderswo.
Hartmann: Ja, auch Nassau auf den Bahamas... (Gelächter.)
EIR: Der Name hat also seine Spuren hinterlassen, aber Sie versuchen, zur großen industriellen und erfinderischen Geschichte zurückzufinden und das wieder zum Lebensstil zu machen.
Hartmann: Das ist richtig.
EIR: Wir haben gehört, daß die BüSo, die Partei, die vor Jahren von Helga Zepp-LaRouche und anderen wie Ihnen gegründet wurde, entsprechende Erklärungen in großer Auflage verbreitet. Frau LaRouche hat gerade eine neue herausgegeben, in der sie sagt, es bestehe Hoffnung für das neue Jahr wegen der Aussicht auf Änderungen hier in Washington. Die haben Sie in ihrem Wahlkreis verbreitet?
Hartmann: Ja, wir verbreiten sie überall im Land. Ein großer Teil unserer Aktivitäten findet übrigens in der Bundeshauptstadt Berlin statt. Wir haben dort viele junge Leute, vergleichbar mit dem, was Sie in Washington tun.
EIR: Richtig, das haben Matthew Ogden und Meghan Beets vorhin gesagt, bevor sie weg mußten.
Hartmann: Sie verbreiten die Nachricht dort, und wir tun es hier. Wo immer wir sind, und das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Faktor, die Menschen zu remoralisieren
Denn ein Teil der Demoralisierung der Menschen hier beruht darauf, daß sie nach Amerika sehen, und sie sehen: "Sie haben Bush gewählt, und sie haben Bush wiedergewählt, nach all dem, was er verbrochen hat." Ich denke, ähnliche Gefühle gibt es auch in Amerika. Aber hier in Deutschland sind wir die Oligarchie nie wirklich losgeworden, deshalb sehen sich die Menschen nicht wirklich als Bürger, sondern als Untertanen. Und es ist wichtig zu betonen, daß ich, wenn ich gewählt werde, nicht der Meister der Untertanen bin, sondern der Meister der Bürger, und dieser Oberbürgermeister wird gewählt. Ich bin der Vertreter der Bürger, und es ist meiner Meinung nach wichtig, es in diesem Geiste zu sehen.
Und mit dem Wandel in Washington: Wir sehen, daß da eine neue Mehrheit im Kongreß ist, und daß sich einige dieser Leute bewegen. Aber es gibt hier noch viele, die eine Haltung des "abwarten und sehen" haben, und nicht an eine Absetzung von Bush glauben werden, bevor sie tatsächlich stattgefunden hat. Aber wenn das geschieht, dann wird dies auch hier in Europa wirklich viele positive Kräfte freisetzen.
EIR: Nun, Sie hatten das perfekte Schlußwort für diese Stunde. Ich danke Ihnen, Alexander Hartmann, Ich möchte, daß Sie wieder in unsere Sendung kommen, wenn Sie Bürgermeister von Wiesbaden geworden sind, und ich hoffe auch, daß wir Helga Zepp-LaRouche schon bald im neuen Jahr dafür gewinnen können, diese Diskussion fortzusetzen.
Hartmann: Das hoffe ich auch.
EIR: Vielen Dank, und ein gutes neues Jahr!
Hartmann: Das wünsche ich Ihnen auch.
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Mediendurchbruch für die BüSo in Wiesbaden - Neue Solidarität Nr. 3/2007 „Wir brauchen eine produktive Grundlage für unsere Gesellschaft“ - 1. Teil - - Neue Solidarität Nr. 5/2007 OB-Wahl Wiesbaden 2007 - Internetseite der BüSo Hessen |
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