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Aus der Neuen Solidarität Nr. 5/2007

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„Wir brauchen eine produktive Grundlage für unsere Gesellschaft“
- 1. Teil -

Alexander Hartmann, Oberbürgermeisterkandidat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Wiesbaden, gab am 13. Januar ein Interview in der LaRouche-Show, der wöchentlichen Radiosendung des Executive Intelligence Review in den Vereinigten Staaten, die über das Internet in aller Welt zu empfangen ist. Das Gespräch führte Marcia Merry Baker. Im ersten Teil der Sendung hatten zwei Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung über ihre Aktionswoche in der amerikanischen Hauptstadt berichtet.

Hartmann: Ja. Die Wahl, zu der ich antrete, ist die des Oberbürgermeisters der Stadt Wiesbaden, der Hauptstadt des fünftgrößten deutschen Bundeslandes Hessen, vergleichbar vielleicht mit Columbus, Ohio. Und seit mehr als 30 Jahren ist Wiesbaden das europäische Hauptquartier der internationalen LaRouche-Bewegung. Wir sind hier also recht bekannt in der Region.

Nun ist etwas geschehen, was zwar unerwartet war, aber in gewisser Weise auch gesetzmäßig ist, denn Lyndon LaRouche hat ja schon immer vor der Inkompetenz der 68er und derjenigen gewarnt, die noch etwas jünger sind. Die Sozialdemokratische Partei (SPD), die man nach ihren politischen Sympathien wohl mit der Demokratischen Partei in den USA vergleichen kann, versäumte es, ihren Kandidaten, den sie im April des letzten Jahres ordnungsgemäß nominiert hatte, fristgerecht bis zum 4. Januar, 18 Uhr, zur Wahl anzumelden.

Wir sind also plötzlich in einer sehr interessanten Situation. Denn wenn man auf die letzten 30 Jahre zurückschaut - ich als 30jähriger Veteran der LaRouche-Bewegung habe das als Augenzeuge aktiv mitverfolgt: In den 70er Jahren begann die sog. Umweltschutzbewegung, die eine wichtige Rolle beim wirtschaftlichen Ruin Deutschlands gespielt hat. Und hier in Hessen, in unserer Stadt Wiesbaden, wurde die erste Landesregierung gegründet, in der die SPD ihre bis dahin verfolgte Politik und ihre etablierten Politiker aufgab, um eine „rot-grüne“ Koalition mit den Grünen einzugehen. Die ganze Sozialdemokratie wendete sich in diese Richtung - als gäbe es dort nur noch [Al] Gore.

Das war 1982, und es führte noch im gleichen Jahr zum Sturz der SPD-geführten Bundesregierung unter Helmut Schmidt. Seitdem war Deutschland auf dem Weg in die Zerstörung seiner Industrien, und das ging immer schneller. Einer der treibenden Faktoren dabei war, daß die sogenannte Linke ökologisch orientiert war, während die Rechten dem Freihandel anhingen...

Sie können sich vorstellen, da die SPD früher einmal die Partei der Industriearbeiter war, daß es viele Leute in der Partei gibt, oder die früher in der Partei waren, die SPD gewählt hätten, weil sie die Alternative noch viel mehr verabscheuen. Das war immer ein Problem für die BüSo, die sich für die Werte der wahren früheren Sozialdemokraten eingesetzt hat, der industriefreundlichen Menschen, die noch wissen, daß man eine produktive Wirtschaft braucht, um einen anständigen Lebensstandard und anständige Arbeitsplätze zu haben und eine Familie aufziehen zu können. Diese Schicht der Bevölkerung blieb bei der SPD, weil sie keine Alternative sah.

Ein Teil des Problems war natürlich, daß die Medien fast nie etwas über die BüSo berichteten, aber es lag auch daran, daß viele sagten: „Die BüSo ist eine kleine Partei, die werden die 5%, die man braucht, um in ein Parlament zu kommen, nicht schaffen, und deshalb würde man seine Stimme verschwenden. Wir stimmen lieber für das kleinere Übel, damit es eine Chance hat, das größere Übel zu besiegen.“

Nach dem Ausfall der SPD gibt es diese Option nicht mehr. Was haben wir? Wir haben den gegenwärtigen Stadtkämmerer der Stadt Wiesbaden, den Kandidaten der konservativen Christdemokraten (CDU), Dr. Helmut Müller. Er ist ein Verfechter des Freihandels, der Deregulierung, der Privatisierung. Dann haben wie die Grünen, die ironischerweise im vergangenen Frühjahr eine Koalition mit den Neoliberalen, mit den Konservativen eingegangen sind. Tatsächlich haben wir hier etwas, was man eine „Jamaika“-Koalition nennt, denn die liberale Partei, die Freien Demokraten (FDP) sind auch Teil dieser regierenden Koalition hier in Wiesbaden.

Es gibt noch ein oder zwei kleinere Bewerber, aber die Gesamtwirkung ist die, daß der größte Teil der SPD-Wähler niemanden hat, für den sie stimmen können. Und das ist eine sehr große Chance für uns, die wir wahrnehmen wollen. Unsere Absicht ist es, diesen Wahlkampf auf der Grundlage dessen zu führen, was Lyndon LaRouche in seinem Papier über die „Neue Politik“ schreibt. Wir sind darauf aus, so viele dieser Stimmen zu bekommen wie möglich. Und einen solchen Durchbruch hier in Wiesbaden können die Medien nicht vertuschen, indem sie nicht darüber berichten.

Hartmann: Wiesbaden war ein wichtiges Zentrum der chemischen Industrie. In Biebrich, einem Stadtteil von Wiesbaden, der direkt am Rhein liegt, ist seit über 100 Jahren ein wichtiges Zentrum der chemischen Industrie. Bald nachdem in den 1860er Jahren die Albertwerke gegründet wurden, wurde dort die Hälfte des Phosphatdüngers der Welt produziert. Und das war auch wichtig, weil es half, die Eisenproduktion aufzubauen. Denn bei einem bestimmten Prozeß in der Eisenproduktion, der sogenannten „Thomasbirne“, stellte man fest, daß die Schlacke, die sich in dieser Maschine absetzt, und die man eigentlich loswerden will, wenn man Stahl produziert, nur pulverisiert werden mußte und dann als Phosphordünger verwendet werden konnte. Und der Mann, der dieses Unternehmen aufbaute, ging zu den Stahlproduzenten, und sagte ihnen: „Wenn Sie Ihre Fabrik auf diese effizientere Methode zur Reinigung des Eisenerzes umstellen, dann kaufe ich Ihre Schlacke.“ Und das war Teil der Modernisierung der Stahlindustrie in Deutschland in den 1870er und 1880er Jahren.

Zur besten Zeit arbeiteten 18.000 Menschen im Chemiekomplex in Biebrich, zu dem nicht nur die Albertwerke gehörten, sondern auch Kalle. Später fusionierten sie, wurden Teil der Hoechstwerke. Inzwischen wurde aus Hoechst Aventis, oder was immer es heute ist. In dem Komplex arbeiten heute immer noch 5000 Menschen, aber sie verteilen sich auf etwa 360 verschiedene Firmen - als Reflektion der Globalisierung und des Zerfalls der industriellen Strukturen.

Und das ist etwas, was wir ändern müssen. Denn wenn wir eine Gesellschaft finanzieren wollen - Gesundheitssystem, Bildung usw. - dann braucht man wirklich eine produktive Grundlage für die Gesellschaft. Und wenn die weg ist, wenn wir sie nach Tschechien oder nach China und in andere Länder verlagern, dann können wir nicht mehr produzieren, dann können wir auch unseren Menschen keinen Lebensunterhalt mehr bieten. Aber gleichzeitig können wir auch kein Markt mehr sein für die Chinesen und die Tschechen - für sie wird das also auch nicht funktionieren. Es ist eine völlige Sackgasse.

Wir haben uns seit langem dafür eingesetzt, daß sich das ändert. Unsere Funktion im Wahlkampf war es immer, daß wir versuchten, eine Diskussion in der Bevölkerung zu katalysieren. Und der Wahlkampf hier in Wiesbaden katapultiert uns in eine perfekte Lage, um das tun zu können.

Hartmann: Ja, das war sogar recht lustig, denn nachdem sie es versäumt hatten, ihre Papiere rechtzeitig einzureichen, baten sie alle übrigen Kandidaten, auch mich, ihre Kandidatur zurückzuziehen, damit die Stadt aus Mangel an Kandidaten die Wahl neu ansetzen müßte, und sie dann ihren Kandidaten ordnungsgemäß anmelden könnten. Das ist das erstemal, daß ich gehört habe, daß es „demokratisch“ wäre, eine Wahl abzusagen, weil sie sagten, den Wählern müsse das „demokratische“ Recht gesichert werden, für einen SPD-Kandidaten zu stimmen. Wenn sie das nicht hätten, wäre es nicht „demokratisch“. Aber das ist nicht unsere Schuld... Die SPD ist ja nicht neu in der Politik, sie ist mehr als 130 Jahre alt.

Hartmann: Nach dem Krieg waren es drei: Sie hatten Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder, und wenn man sie betrachtet, dann war Helmut Schmidt sicher der beste von ihnen, obwohl auch er seine Beschränkungen hatte. Aber in Deutschland hat jeder Kanzler seine große Beschränkung, nämlich, daß wir der Juniorpartner der Vereinigten Staaten sind. Wir sind also stark von dem betroffen, was in den USA geschieht, und es ist Teil meines Wahlkampfes, hier die gute Nachricht zu verbreiten, daß sich der Wind in Washington gedreht hat, und daß wir eine aktive Bewegung in den Vereinigten Staaten haben, die sich dafür einsetzt, Bush abzusetzen, Cheney abzusetzen, die Kriegspartei hinauszuwerfen, und eine neue Wirtschaftspolitik einzuführen. Denn vieles von dem, was die deutsche Regierung tut, reflektiert vor allem das, wovon sie weiß, daß die US-Regierung es von ihr erwartet.

Es war fast ein Wunder, daß sich Schröder 2002 entschieden hat, öffentlich zu erklären, daß er beim Irakkrieg nicht mitmachen würde. Das hatte es bis dahin nicht gegeben. Und das ist es, wodurch er die Wiederwahl gewann, trotz allem, was die Bevölkerung in den vier Jahren unter der rot-grünen Katastrophe zu leiden hatte.

Um sich die gegenwärtige Lage mit den Sozialdemokraten deutlich zu machen, bloß ein Beispiel: Wir haben hier in Hessen ein Kernkraftwerk, in Biblis, das seit über 30 Jahren in Betrieb ist und, gemessen in Kilowatt-Stunden, mehrere Weltrekorde bei der jährlichen Stromproduktion aufgestellt hat. Und nun erklärte die Kandidatin, die die SPD für die kommenden Wahlen als Ministerpräsidentin des Landes vorgesehen hat, eines ihrer Ziele sei es, dieses Kernkraftwerk stillzulegen, und es durch 1700 Windmühlen zu ersetzen.

Hartmann: Und wir haben in Deutschland schon jetzt fast so viele Windmühlen, beinahe so viel installierte Kraftwerkskapazität wie an Kernkraftwerken...

Hartmann: ... ungefähr 22 Gigawatt an Kernkraftwerkskapazität, und 17 Gigawatt an Windmühlen. Aber die laufen nur ein Siebtel der Zeit.

Hartmann: Nun, auf der anderen Seite des Rheins sind es sogar noch mehr. In Rheinland-Pfalz, wo es schon lange eine sozialdemokratische Regierung gibt, hat man noch viel mehr darauf gesetzt als in Hessen. Aber das will die SPD ändern.

Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen würde, wenn ich in dieser Wahl in Wiesbaden mehr Stimmen erhalten würde als die Kandidatin der Grünen? Sie müssen wissen, die meisten dieser Politiker in der SPD sind nicht grün, weil sie grün sind, sie sind es, weil sie Opportunisten sind. Und sie würden dann spüren, daß der Wind sich dreht, und dann würde man wohl viele von ihnen treffen, die plötzlich entdeckten, daß sie eigentlich schon immer für die Kernkraft waren, und die Windmühlen schon immer für Unsinn gehalten haben. Etwa so wie in Ostdeutschland, da nannte man sie die Wendehälse, Leute, die sich nicht mehr daran erinnern können, daß sie jemals bei der SED gewesen wären, obwohl sie Parteifunktionäre waren!

Hartmann: Ja, und das ist wichtig, denn die SPD ist Teil der Großen Koalition in Berlin. Und in der Wirtschaftspolitik kommt der Freihandelsanteil von der CDU, aber ein großes, sehr großes Problem ist, daß bei allen Infrastrukturmaßnahmen - da gab es bei den Konservativen Leute, die sagten, „wir müssen mehr in die Infrastruktur investieren“ - und das wird derzeit von den Sozialdemokraten blockiert. Wenn man also eine Wende der SPD katalysieren könnte, dann wäre das also sehr wichtig, denn das würde viele wirtschaftliche Kräfte freisetzen, die derzeit zurückgehalten werden und die wir dringend brauchen, um unsere Industrie und unsere Infrastruktur wiederaufzubauen, aber auch das, was die Dritte Welt braucht. Wenn man in die 70er Jahre zurückgeht: Damals hatten wir einen Vertrag mit Brasilien, daß wir 12 Kernkraftwerke nach Brasilien exportieren würden! Und 1977 wurden die entscheidenden Leute in Deutschland, die diese Politik vertraten, von den Terroristen der Roten Armee Fraktion umgebracht. Und die Folge war, daß alle diese Dinge abgesagt wurden.

Das war natürlich die Zeit der Regierung Jimmy Carter, Paul Volckers Politik, der sagte, wir brauchen eine „kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft“. Und schon davor hatten wir Kissinger, der in seinem Nationalen Sicherheits Studien-Memorandum 200 (NSSM 200) sagte, man müsse die Länder der Dritten Welt daran hindern, zu wachsen - sowohl hinsichtlich der Bevölkerung als auch in Bezug auf die Wirtschaft -, denn Amerika könne nur dann eine Supermacht bleiben, wenn es ungehinderten Zugriff auf die Rohstoffe dieser Länder habe.

Es war also eine geopolitische Politik, die Entwicklung der Dritten Welt zu verhindern. Wenn man sich heute in der Welt umschaut, und sieht, wo Kernkraftwerke gebraucht würden, um Trinkwasser zu erzeugen, und alle diese Dinge: Kernkraftwerke bauen sich nicht von alleine. Man braucht die qualifizierten Kapazitäten, sie zu bauen. Und Deutschland könnte der Welt diese Technologien liefern.

Und darum geht es auch in meinem Wahlkampf hier in Wiesbaden. Wiesbaden war - obwohl es heute eine Stadt mit einer Viertelmillion Einwohnern ist - neben diesen Industriezentren am Rhein immer ein Zentrum der Bürokratie. Es war seit 1806 Sitz der Nassauer Herzöge und dann der Sitz der Provinz Nassau, nachdem Bismarck Hessen erobert und annektiert hatte. Und es waren die Preußen, die die industrielle Entwicklung in dieser Region durchgesetzt haben. Die hiesige Oligarchie war schon immer dagegen.

Trotzdem haben wir hier in der Bevölkerung Erfindergeist: So wurde z. B. ganz in der Nähe, im Taunus, Nikolaus Otto geboren, der Erfinder des Ottomotors. Da war, wie schon gesagt, Heinrich Albert. Auch Dyckerhoff war wichtig für die Entwicklung der Zementindustrie. Später war da Fresenius, heute ein Konzern mit 60.000 Beschäftigten im medizinischen Bereich. Es gibt ein großes Potential.

Mein Vorschlag ist, den Charakter von Wiesbaden zu ändern, indem wir hier eine Universität gründen, eine Technische Universität, um die Welt fit zu machen für die nächsten 50 Jahre. Einer der offensichtlichen Bereiche dafür ist das, was wir die „Isotopengesellschaft“ nennen würden, d.h., daß wir die Kernprozesse der Transmutation studieren und in den Griff bekommen, bei denen ein Element in kontrollierter Weise in ein anderes verwandelt wird. Wenn wir dann z. B. Atommüll wie z. B. Plutonium, das eine Halbwertszeit von 20.000 Jahren hat, loswerden wollen, dann können wir es einfach in ein anderes Element umwandeln, das nur noch eine Halbwertszeit von 90 Jahren hat, so daß es viel leichter ist, damit umzugehen. Wir können anfangen, diese Prozesse zur Entwicklung von Rohstoffen aus dem zu benutzen, was wir vor Ort vorfinden, aber derzeit nicht nutzen können. Anstatt durch die Welt zu gehen und Rohstoffe zu suchen, um die wir dann Kriege führen, können wir Technologien entwickeln, um sie aus dem zu erzeugen, was wir hier haben.

Darin liegt die Zukunft der Menschheit. Und indem wir diese Herausforderung annehmen und eine solche Universität hier in Wiesbaden aufbauen, können wir Wiesbaden zu einer Stadt machen, die der übrigen Welt wirklich nützt.

Fortsetzung folgt

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Mediendurchbruch für die BüSo in Wiesbaden
- Neue Solidarität Nr. 3/2007
Wiesbadener Oberbürgermeisterwahl
- Internetseite der BüSo Hessen

 

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