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Aus der Neuen Solidarität Nr. 50/2007 |
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Ein moderner Fiesco? Münchens Oberbürgermeister posiert als Volksfreund, der in der Frage des Transrapid gegen die „bösen Kapitalisten“ kämpft.
Friedrich Schiller beschrieb in seinem Drama Fiesco oder die Verschwörung zu Genua, wie ein Graf, der die Macht in Genua übernehmen wollte, sich geschickt als Vertreter der Interessen des Volkes ausgab und die Massen so manipulierte, daß diese ihn dann an die Macht brachten. Dieses Stück von Schiller ist ein Lehrstück über die Manipulation der Massen, und es ist heute noch aktuell, wie man an der Debatte über den Bau des Transrapid in München feststellen kann.
Hier gibt sich der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) als Interessenvertreter des Volkes aus, der gegen die Macht der Konzerne, allen voran der Firma Siemens, kämpft und verhindern will, daß Steuergelder für den Bau des Transrapid verschleudert werden. In einer Veranstaltung am 29. November in München, zu der überall in München mit Plakaten eingeladen wurde, warb er statt dessen für den Bau einer Expreß-S-Bahn.
In typisch sophistischer Manier erklärte er, er sei auch früher für den Transrapid gewesen, da man damals den Transrapid als Ersatz für den Einsatz von Flugzeugen auf den innerdeutschen Strecken vorgesehen habe. Auf der anderen Seite zitierte er dauernd Minister Erwin Huber von der CSU, wonach der Transrapid für Deutschland nur hier in München eingesetzt werden solle. Auch sonst widersprach er denjenigen, die den Transrapid als zukünftigen Exportartikel Deutschlands betrachten, indem er alle Pläne für den Bau des Transrapid außerhalb Deutschlands als Luftschlösser abtat. Selbst der Bau des Transrapid in Shanghai sei ein reines Prestigeobjekt und werde nicht fortgesetzt. Statt dessen baue man nun parallel zur dortigen Strecke eine U-Bahnlinie, die sicherer sei als der Transrapid und in ein Gesamtnetz eingebunden werden könne.
Ein weiteres Argument Udes gegen den Transrapid ist, daß in den 75 Jahren, seitdem es ein Patent für diese Technologie gibt, keine Privatpersonen gefunden werden konnten, die in diese Technologie investierten. Er griff vor allem massiv die Firma Siemens an, die den Steuerzahler für den Transrapid bluten lassen wolle. Jetzt würde die Industrie viel Geld einsetzen, um den Transrapid in München durchzusetzen. Er erwähnte hierbei eine Broschüre des Vereins „Mobil in München“, die nur den Anfang einer massiven Werbekampagne für den Transrapid darstelle.
Ude suggeriert, er sei der deutsche Recke, der sich diesen Konzernen in den Weg stelle und die Interessen des kleinen Mannes verteidige. Deshalb müsse jeder, der unsere Steuergelder nicht den Konzernen und den Reichen in den Rachen werfen wolle - denn nur die könnten sich eine Fahrt mit dem Transrapid leisten -, im nächsten März bei den Kommunalwahlen wieder die SPD und ihn als Oberbürgermeister wählen.
Dieses populistische Argument, daß beim Transrapid Steuergelder verschleudert würden, brachte er bei seinen Ausführungen immer wieder. Keine Kritik seinerseits gab es jedoch an dem massiven Einsatz von Steuergeldern und Krediten der EZB für die IKB, die SachsenLB und all die großen Privatbanken, die sich in riskanten Spekulationsgeschäften massivst verspekuliert hatten.
Bei der Veranstaltung waren fast nur Transrapidgegner anwesend. Nur die BüSo sprach sich für den Bau des Transrapid aus und nutzte die Gelegenheit, um Ude auf die Spekulationsgeschäfte der Stadt München anzusprechen. Sie wollte von ihm Näheres über diese Geschäfte erfahren. Er war von dieser Frage so überrascht, daß er darauf gar nicht antwortete.
Vielleicht gibt es ja hier etwas zu verbergen, oder findet man hier die Interessen, die Ude gegen den Transrapid den Rücken stärken? So finanzierte vor einigen Monaten hier in München die Investmentberaterfirma Goetz & Partners Al Gores Kampagne gegen die angebliche Klimaerwärmung durch das CO2 des Menschen mit Zehntausenden von Euro, damit an den Schulen Gores Film Eine unbequeme Wahrheit gezeigt werden konnte.
Tatsächlich kann man mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten viel einfacher viel Geld verdienen als mit Investitionen in den Bau des Transrapid. Der Unterschied ist jedoch, daß mit dem Bau des Transrapid allein für die kleine Strecke in München 5000 gutbezahlte, produktive Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, während mit den Verkauf von CO2-Zertifikaten nur einige Spekulanten auf Kosten des Steuerzahlers und der Industrie gefüttert werden. Auch stärkt dies das Argument vieler Manager, die die Produktion ganz aus Deutschland auslagern wollen, weil die Löhne der Deutschen zu hoch seien.
Der Staat muß sich wieder um das Gemeinwohl kümmern und die Bürger vor diesen Heuschrecken schützen. So etwas nannte man früher „soziale Marktwirtschaft“. Auf den Einwurf des BüSo-Vertreters, daß der Bau des Transrapid in München nur der Anfang eines eurasienweiten Netzwerkes darstelle und das Eisenbahnnetz des 19. Jahrhunderts auch mit der kurzen Strecke Nürnberg-Fürth begonnen habe, antwortete Christian Ude: „Dieses Argument kommt immer wieder von den Transrapid-Befürwortern. Der Unterschied ist jedoch, daß damals diese Strecke privat finanziert wurde und es einen Plan für ein gesamtdeutsches Eisenbahnnetzwerk gab, was beim Transrapid nicht der Fall ist.“ Hier muß man Christian Ude korrigieren: Damals gab es einen solchen Gesamtplan, aber nur bei Friedrich List und seinen Anhängern, den Vertretern einer protektionistischen Wirtschaftspolitik, und der Plan wurde erst durch die Entstehung des modernen deutschen Nationalstaates realisiert, als die Eisenbahn verstaatlicht und ein gesamtdeutsches Eisenbahnnetz aufgebaut wurde.
Deshalb muß der Bau des Transrapid heute auch durch den Staat und nicht privat finanziert werden. Denn Investoren wollen in kurzer Zeit Gewinne sehen, aber Infrastrukturprojekte sind langfristig angelegt, und der Gewinn kommt über die erhöhte Produktivität der Arbeitskraft und das Wachstum der Wirtschaft dem Staat wieder zugute.
So wurde gerade die Stationierung des GPS-Ersatzsystems Galileo von der Europäischen Union übernommen, nachdem die Privatinvestoren, die dieses Projekt ursprünglich finanzieren sollten, sich aus dem Projekt zurückgezogen hatten. Ähnlich wie Friedrich List im 19. Jahrhundert hat auch heute nur die BüSo einen Gesamtplan für den Bau eines Transrapidnetzes, die Eurasische Landbrücke. Mehr hierüber kann man auf der Webseite der BüSo unter www.bueso.de erfahren. Zu hoffen bleibt, daß sich die Münchner Bürger nicht, wie in Genua geschehen, von einem Vertreter der Oligarchie hinters Licht führen lassen.
Werner Zuse
Lesen Sie hierzu bitte auch: Den Transrapid für das „Land der Erfinder“! - Neue Solidarität Nr. 49/2007 „Denkwürdiger Tag“ für den Transrapid - Neue Solidarität Nr. 40/2007 Das Ende der Ära Stoiber - auch für den Transrapid? - Neue Solidarität Nr. 38/2007 50-Jahre-Perspektive des Schiller-Instituts wird öffentlich diskutiert - Neue Solidarität Nr. 32/2007 Aufbaustimmung in aller Welt - wann folgt Deutschland? - Neue Solidarität Nr. 17/2007 „Magnetschwebebahn mit 431 km/h über den Kattegat“ - Neue Solidarität Nr. 14-15/2007 München: OB schürt Ablehnung des Transrapid - Neue Solidarität Nr. 20/2006 Kernthema: Transrapid - Neue Solidarität online |
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