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Aus der Neuen Solidarität Nr. 32/2007 |
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Die Infrastrukturdebatte in Dänemark verändert sich unter dem Einfluß der Arbeit des Schiller-Instituts. Statt über die eine oder andere Brücke zu reden, rückt nun die Notwendigkeit eines guten Gesamtkonzepts in den Mittelpunkt.
Im Herbst dieses Jahres muß eine von der dänischen Regierung eingesetzte Kommission eine Liste großer Infrastrukturprojekte vorschlagen, die in den kommenden 30 Jahren realisiert werden können. Das dänische Schiller-Institut gewinnt währenddessen zunehmend Unterstützer für die Transformation der Infrastrukturdebatte von der derzeitigen Haltung - „Was sollen wir als nächstes reparieren?“ - in eine Diskussion über eine umfassende Entwicklungsperspektive für die kommenden 50 Jahre. Im Mittelpunkt stehen dabei drei große Brückenprojekte und die Realisierung des ersten Abschnitts eines dänischen Magnetbahnnetzes in den kommenden zehn Jahren. Dazu müßte das dänische Infrastrukturbudget verdreifacht werden. Im Verlauf des letzten Jahres hatte das Institut drei Massenbroschüren mit einer Auflage von jeweils 50.000 Exemplaren (bei einer Bevölkerung von insgesamt 5,5 Millionen Menschen) mit der Forderung verbreitet, die pessimistische Kultur der 68er durch große Infrastrukturprojekte und ein dänisches Magnetbahnnetz zu überwinden.
Schon nach der jüngst erreichten Vereinbarung mit Deutschland über den Bau der Brücke über den Fehmarnbelt kam es zu einer intensiven Debatte über die Notwendigkeit, das Projekt einer 46 km langen Brückenverbindung über das Kattegat zu untersuchen, eine Brücke, die über die Insel Samsø Seeland mit Jütland verbinden würde. Gleichzeitig diskutierten alle großen Zeitungen über die Möglichkeit, dies mit dem Bau der ersten Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen den beiden größten Städten des Landes, Kopenhagen und Århus, zu verbinden. Diese Diskussion weitet sich nun aus zu einer Debatte über den generellen Mangel an Investitionen in die Eisenbahn- und Straßeninfrastruktur in den letzten Jahrzehnten.
Am 15. Juli brachte die größte Zeitung Dänemarks, Jyllands-Posten (JP), einen Hintergrundartikel über die Behinderung des Straßenverkehrs in Dänemark durch mangelnde Planung und Investitionen. Die Zeitung berichtete, daß die Entwicklung des dänischen Autobahnnetzes dem sog. H-Plan folgt, der aus dem Jahr 1936 stammt. Er sah vor, in Jütland und auf Seeland je eine Nord-Süd-Verbindung zu schaffen, mit einer Querverbindung über Fünen, die dem Netz die Form des Buchstaben H gab. Der Plan sah den Bau einer Brücke über den Großen Belt, der Brücke über den Fehmarnbelt und einer Brücke nach Schweden vor. Nun sei die Zeit gekommen, so die Zeitung, eine neue Vision für die künftige Entwicklung des dänischen Autobahnnetzes auf den Tisch zu legen.
Am 17. Juli brachte JP dann einen zweiten Artikel und einen Kommentar über den traurigen Zustand des dänischen Eisenbahnnetzes. In allen übrigen Ländern arbeite man am Bau von Hochgeschwindigkeitsbahnen, aber in Dänemark seien die Eisenbahnen heute z.T. langsamer als vor 40 Jahren, weil nicht genug investiert werde. Dieser Bericht wurde von fast allen dänischen Medien aufgegriffen. Einen Tag danach berichtete JP über Angaben des Bauingenieurverbandes, wonach Dänemark jährlich 100 Mrd. Kronen (13 Mrd. Euro) investieren müßte, allein um das Bahnnetz instand zu halten. Eine ehrgeizigere Politik für die Eisenbahnen würde 200 Mrd. Kronen erfordern (26 Mrd. Euro).
Dann wurden die Verkehrsexperten der verschiedenen dänischen Parteien interviewt. Magnus Heunicke von den oppositionellen Sozialdemokraten ist der Meinung, diese 200 Mrd. müßten investiert werden, während der Vertreter der Sozialliberalen erklärte, 100 Mrd. in den kommenden 20 Jahren seien vernünftiger. Die Regierungsparteien hingegen wollten nicht so viel Geld für die Eisenbahninfrastruktur ausgeben. Der Verkehrsexperte der Liberalen fügte hinzu, er glaube, für ein kleines Land wie Dänemark seien Hochgeschwindigkeitsbahnen nicht wichtig. Die Regierung stelle sich vielmehr die Frage, ob das begrenzte gegenwärtige Infrastrukturbudget lieber für die Eisenbahnen oder für die Autobahnen ausgegeben werden solle. Die Lösung dieses Paradoxons liegt auf der Hand: Die zugrundeliegenden falschen Axiome müssen geändert und das dänische Infrastrukturbudget muß massiv ausgeweitet werden - was beim gegenwärtigen Überschuß im dänischen Staatshaushalt offensichtlich sein sollte.
Darauf wies Tom Gillesberg, der Vorsitzende des dänischen Schiller-Instituts in einem Gastkommentar unter dem Titel „Brücken sind die Grundlage der Infrastruktur für die kommenden 50 Jahre“ hin, der am 30. Juli von JP an prominenter Stelle veröffentlicht wurde. Es ist bereits der zweite Gastkommentar von Tom Gillesberg, den die Zeitung in den letzten Wochen abdruckte. Der erste über die Notwendigkeit eines dänischen Magnetbahnnetzes erschien am 21. Juni. Besonders hervorgehoben wurde dabei das Zitat: „Die Aufgabe, mit der die Infrastrukturkommission und die dänischen Politiker konfrontiert sind, ist, einen insgesamt visionären Plan zu beschließen, der die Grundlage für die Entwicklung in den kommenden 50 Jahren legt.“ Unter Bezug auf die JP-Serie über den Mangel einer langfristigen Infrastrukturplanung heißt es in Gillesbergs Gastkommentar: „Deshalb sollten die Brücke über den Großen Belt und die Øresundbrücke [die beide bereits in Betrieb sind] durch eine Reihe neuer Brücken ergänzt werden: Die Kattegat-Verbindung, die Fehmarn-Brücke und eine Brücke zwischen Helsingør und Helsingborg. Diese drei Projekte, die sowieso gebaut werden müssen, sollten so schnell wie möglich realisiert werden, damit die kommenden Infrastrukturprojekte entsprechend geplant werden können.
Gleichzeitig müssen wir eine brandneue Bahnverbindung zwischen Århus und Kopenhagen über die Kattegat-Verbindung schaffen, was uns die einzigartige Chance gibt, den ersten Teil eines dänischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes zu bauen. Das sollte eine Magnetbahnverbindung zwischen Kopenhagen und Århus mit einer Geschwindigkeit von 500-600 km/h sein, mit der man die Entfernung zwischen den beiden Städten innerhalb von 25 Minuten zurücklegen und so das Auto als bevorzugtes Verkehrsmittel der Dänen ablösen könnte. Das Magnetbahnnetz wird dann natürlich national und international erweitert werden, und im Lauf der Zeit auch im Frachtverkehr eine große Rolle spielen. Wir werden die ersten beim Neuen sein, anstatt die Letzten mit dem Alten!“
Dänemark könne durch den Bau eines Magnetbahnnetzes vermeiden, daß es riesige Summen für den Umbau des veralteten Eisenbahnnetzes in ein Hochgeschwindigkeitsnetz ausgeben müßte, das in den kommenden Jahrzehnten sowieso durch die Magnetbahn ersetzt würde. Trotzdem werde man bedeutende Beträge in die Verbesserung der vernachlässigten Eisenbahninfrastruktur investieren müssen. Alles in allem müsse man das Jahresbudget für die Infrastruktur gegenüber dem, was in den letzten beiden Jahrzehnten eingesetzt wurde, verdreifachen. Das sei jedoch nichts, wovor man Angst haben müsse, denn diese Investitionen würden sich durch die verbesserte Produktivität und den dadurch wachsenden Wohlstand mit Zinsen zurückzahlen. Durch den Bau der Magnetbahn und der drei Brücken gebe es eine Vision für die Entwicklung der dänischen Verkehrsinfrastruktur, auf der man dann weiter aufbauen könne.
Gillesberg schloß mit der Bemerkung: „Weitere Infrastrukturprojekte sollten in diesen größeren Plan eingepaßt werden, mit dem Kattegat-Magnetbahn-Projekt als Dreh- und Angelpunkt für die kommenden 50 Jahre und somit als Ausgangspunkt, von dem die Infrastrukturkommission und das dänische Parlament bei ihrer Arbeit nach der Sommerpause ausgehen sollten.“
tgi
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Von der Industriebank zum Spielcasino - Neue Solidarität Nr. 32/2007 Schiller-Institut demonstriert für die Fehmarnbelt-Brücke - Neue Solidarität Nr. 26/2007 Schiller-Institut setzt die Themen in Dänemark - Neue Solidarität Nr. 25/2007 Dänemark diskutiert über die Magnetbahn - Neue Solidarität Nr. 14-15/2007 „Magnetschwebebahn mit 431 km/h über den Kattegat“ - Neue Solidarität Nr. 14-15/2007 |
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