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Von Alexander Hartmann
Die Welt befindet sich im Umbruch und erlebt Spannungen und Umwälzungen, wie es sie seit vielen Generationen nicht mehr gegeben hat. Die Welt der Vergangenheit kehrt nicht mehr zurück, es gibt kein Zurück mehr in die Zeit von gestern. Die alte politische Ordnung bricht zusammen, die alten Machtzentren haben keinen Bestand mehr.
Welche Zukunft wird die Welt erleben? Einen Absturz in die Hölle oder ein neues Paradigma des Friedens und der Entwicklung, ein Paradigma, das sich von den infantilen Verhaltensweisen befreit? Die Entscheidung liegt bei uns. Es liegt an uns zu entscheiden, ob der zukünftige Weg der Menschheit ein Weg in die Hölle oder ein Weg zur Vernunft sein wird.
Die wachsenden Spannungen zeigen sich in vielerlei Form. Wir sehen sie in den anhaltenden und wachsenden Protesten gegen die wachstums- und menschenfeindliche, Land- und Viehwirtschaft zerstörende „grüne“ Politik. Wir sehen sie in der hartnäckigen Weigerung Ungarns, Schweden in die NATO aufzunehmen. Wir sehen sie nicht zuletzt in den unterschiedlichen Stellungnahmen und Reaktionen auf die Vernichtung des Gazastreifens und seiner Bewohner.
Wie lange wird die Welt Israels Behauptung der „Selbstverteidigung“ im Gazastreifen tolerieren, wenn das Volk, das angeblich verteidigt wird, dort selbst eine Besatzungsmacht ist? Die meisten Menschen im Gazastreifen wurden aus ihren Häusern vertrieben, die inzwischen vielleicht gar nicht mehr existieren. Fast alle von ihnen kennen jemanden, der durch die israelische Militäraktion getötet oder verletzt wurde. Wenn Israels angekündigte massive Operation zur Räumung einer „Pufferzone“ entlang der Grenze zu Ägypten stattfindet, sind die in einem immer kleineren Gebiet um Rafah zusammengepferchten Menschen leichte Beute.
Israels Ministerpräsident Netanjahu hat erklärt, da man im Grunde jedem Palästinenser vorwerfen könne, Terrorismus zu unterstützen, dürfe es in Gaza keine zivile Regierung mehr geben. Und auch die Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) seien Terrorunterstützer: „Das bedeutet auch, daß wir das UNRWA ersetzen müssen. Ich habe angeordnet, daß dieser Prozeß beginnt, und ich habe heute [US-Außen-]Minister Blinken darüber informiert.“ Das UNRWA ist die Hilfsorganisation, die laut internationalen Abkommen allein für die Versorgung von sechs Millionen palästinensischen Flüchtlingen im Gazastreifen und im Westjordanland, aber auch in Jordanien, im Libanon und in anderen Ländern zuständig ist.
Unterdessen behaupten die USA und Großbritannien, sie wollten „keine Ausweitung der Kämpfe“, fliegen aber gemeinsam Angriffe auf den Jemen, den Irak und Syrien, während Israel Ziele im Libanon angreift.
All dies überschreitet die Grenze des Erträglichen – selbst für hochrangige Vertreter der westlichen Welt.
Josep Borrell, Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, warnte, eine Streichung der Mittel für das UNRWA wäre „unverhältnismäßig und gefährlich“. In einem ausführlichen Eintrag in seinem Blog verteidigte Borrell das UN-Hilfswerk, es sei unersetzlich für das Wohlergehen der Menschen im Gazastreifen, erst recht in dieser Zeit des tödlichen Konflikts.
Der französische Außenminister Stéphane Séjourné verurteilte bei seinem Besuch in Israel die „Siedlergewalt“ und die Anstiftung zu Kriegsverbrechen und betonte, es dürfe „unter keinen Umständen eine gewaltsame Vertreibung der Palästinenser geben, weder aus dem Gazastreifen noch aus dem Westjordanland“.
Der ungarische Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó prangerte am 7. Februar in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York die „Kriegspsychose“ der transatlantischen Welt an und warnte, die Gefahr eines dritten Weltkrieges sei noch nie so groß wie heute gewesen. Deshalb müßten „der Konflikt in der Ukraine so schnell wie möglich beendet und die Anti-Terror-Operationen im Nahen Osten zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden, was auch die Chancen für eine Rückkehr zu Vernunft und zivilisierter internationaler Zusammenarbeit erhöhen könnte“.
Szijjártó fuhr fort: „Ich fordere den Generalsekretär und die Mitgliedstaaten auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine Eskalation in der Ukraine und im Nahen Osten zu verhindern. Denn wenn noch ein Land in einen Konflikt verwickelt wird, wird der nicht an den Grenzen dieses Landes haltmachen, und die Gefahr eines regionalen oder sogar eines Weltkrieges könnte Wirklichkeit werden.“ Er äußerte die Hoffnung, daß in der UNO die Stimme der globalen Mehrheit für Frieden gegen die „Kriegspsychose“ der transatlantischen Welt gestärkt werden könne.
Der Ständige Vertreter Chinas bei der UNO, Zhang Jun, erklärte: „Es muß darauf hingewiesen werden, daß der Hauptgrund für die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten in den letzten Monaten die Unfähigkeit ist, einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu erreichen.“ Zhang fuhr fort: „Alle Parteien sollten dem dringenden Appell und dem überwältigenden Konsens der internationalen Gemeinschaft folgen und den Sicherheitsrat dabei unterstützen, energische Maßnahmen zur Förderung eines sofortigen Waffenstillstands zu ergreifen.“ Er rief die Vereinigten Staaten auf, „politischen Willen und Entschlossenheit zu zeigen, mehr praktische Maßnahmen zu ergreifen, um Frieden und Stabilität in der Region zu sichern, weniger egoistische geopolitische Kalkulationen anzustellen und die konstruktive Rolle zu spielen, die von ihnen erwartet wird“.
In den USA selbst gibt es eine gewaltige Kluft zwischen den Ansichten des Establishments und denen der meisten Amerikaner. Sie sehen in der Wirtschaft nicht Präsident Bidens „großartigen Konjunkturaufschwung“, sondern eine rasante Preisinflation bei Lebensmitteln, Mieten und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Während für die anglophile Führung in Washington die „Unterstützung“ der Ukraine Priorität hat (wobei sie zynisch die Ukraine und ihre Menschen benutzen, um „Rußland zu ruinieren“), ist sie für die normalen Bürger von immer geringerer Bedeutung. Die einhellige Unterstützung für Netanjahus abstoßende Gaza-Politik auf höchster Ebene in Washington spiegelt sich auf lokaler Ebene nicht wider. Viele Städte und Bezirke haben Resolutionen verabschiedet, in denen ein Waffenstillstand gefordert wird, allen voran die „Windy City“ Chicago (siehe Artikel in dieser Ausgabe). Und selbst viele, die in der Höhle des Löwen in Washington arbeiten, sind angewidert von der grausamen Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschenleben in Palästina.
Die Präsidentin des Schiller-Instituts und Mitgründerin der International Peace Coalition, Helga Zepp-LaRouche, machte in ihrem wöchentlichen Internetdialog am 7. Februar auf diese schreckliche Krise und ihre Ursachen aufmerksam, und sie mobilisierte politische Kräfte, die für einen grundlegenden Wandel der Weltordnung notwendig sind. Die erste Frage, die ihr gestellt wurde, lautete: „Was kann getan werden, um das sterbende System zu ersetzen? Was können die Menschen tun, um etwas zu bewirken?“
Zepp-LaRouche antwortete: „Ich denke, das erste ist natürlich, alles zu tun, um die Palästinenser zu retten, die jede Stunde um ihr Leben kämpfen.“ Der Internationale Gerichtshof in Den Haag habe ein Urteil gefällt, „in dem er feststellte, es sei ,plausibel‘, daß in Gaza ein ,Völkermord‘ im Gange sei, und die israelische Regierung aufforderte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Völkermord zu verhindern, und vier Wochen später über ihre Fortschritte dabei zu berichten“. Aber anstatt dem Folge zu leisten, „wurde noch am gleichen Tag ,entdeckt‘, daß zwölf der 13.000 UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen mit der Hamas kollaboriert hätten“. Die Entscheidung von 18 Regierungen, die Finanzierung des UNRWA einzufrieren, sei wie ein Todesurteil für die Menschen.
„Angesichts der Tatsache, daß sich hier ein Völkermord vor unseren Augen abspielt, glaube ich, daß jeder Mensch, der nicht völlig barbarisch und verkommen und praktisch ein Nürnberg-Verbrecher ist, helfen muß, dieses Töten zu stoppen. Der internationale Druck muß unbedingt erhöht werden, damit die Finanzierung des UNRWA wieder aufgenommen wird. Selbst wenn die genannten zwölf Personen mit der Hamas kollaboriert haben sollten, steht das in keinem Verhältnis zu den Folgen, die es hätte, wenn man dem UNRWA die gesamte Finanzierung entziehen würde. Denn das ist ein Todesurteil für das gesamte palästinensische Volk“, betonte Zepp-LaRouche.
Sie rief alle Zuhörerinnen und Zuhörer auf, gemeinsam mit dem Schiller-Institut vor den Botschaften und Konsulaten dieser 18 Länder für die Wiederaufnahme der Finanzierung des UNRWA zu demonstrieren. „Und natürlich brauchen wir auch einen sofortigen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung. Das ist auch die Position der Arabischen Liga und aller Nachbarn in der Region… Also schließen Sie sich dieser Mobilisierung an.“
Zepp-LaRouche schloß: „Allgemein brauchen wir ein neues Paradigma der Zusammenarbeit, denn nur wenn wir die geopolitische Konfrontation zwischen dem ,Westen‘ und dem ,Globalen Süden‘ beenden, können wir die Gefahr einer Eskalation zum Weltkrieg abwenden. Ich kann Sie daher nur von ganzem Herzen dazu einladen, sich unseren Bemühungen anzuschließen, denn wenn Sie Teil dieser großen Mobilisierung sind, können Sie äußerst Wichtiges bewirken. In einem historischen Moment wie diesem können der Mut und die Entschlossenheit weniger Menschen – und besser noch Tausender und Abertausender – den entscheidenden Unterschied ausmachen.“