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Neue Solidarität
Nr. 13-14, 28. März 2024

Atomkriegsgefahr: Wo bleibt der Aufschrei?
Kommt er erst, wenn es zu spät ist?

Von Dennis Small und Alexander Hartmann

Seit dem 26. Februar hat der französische Präsident Emmanuel Macron wiederholt vorgeschlagen, NATO-Truppen in die Ukraine zu entsenden, um direkt gegen Rußland zu kämpfen. In einem Interview mit dem Sender TF1 am 14. März brüstete er sich, Frankreich sei bereit, „alle notwendigen Entscheidungen zu treffen, um Rußlands Sieg zu verhindern“. Noch abstruser war seine Erklärung: „Es kann keinen dauerhaften Frieden geben, wenn es keine Souveränität gibt – wenn es keine Rückkehr zu den international anerkannten Grenzen der Ukraine gibt, die Krim eingeschlossen.“

Glücklicherweise lehnen die meisten anderen Regierungen die Entsendung von NATO-Truppen bisher ab, aber das hält Macron nicht auf, auch wenn seine Kriegsbegeisterung wohl etwas gedämpft wurde, als er sich am 15. März in Berlin im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ mit Bundeskanzler Scholz und dem polnischen Ministerpräsidenten Tusk traf. Sie waren sich jedoch einig, daß die Unterstützung für Kiew verstärkt, die Rüstungsindustrie ausgebaut und die Angriffe auf Rußland mit anderen Mitteln fortgesetzt werden müßten, auch wenn sie betonten, ihre Länder befänden sich nicht im Krieg mit Rußland. Scholz plädierte dafür, die Renditen der in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte für den Kauf von Waffen für die Ukraine zu nutzen – was EU-Chefin Ursula von der Leyen voll unterstützt.

Am 18. März trafen sich die Verteidigungsminister Deutschlands und Polens, Boris Pistorius und Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, vor den Toren Warschaus und kündigten an, daß Deutschland und Polen gemeinsam eine schnelle Eingreiftruppe an der Ostgrenze der Europäischen Union mit zunächst jeweils 2500 Soldaten aufstellen werden.

Am 19. März nahm US-Verteidigungsminister Lloyd Austin an einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland teil und bekräftigte dort die Position der US-Regierung, die NATO werde sich im Falle einer ukrainischen Niederlage bald selbst im Krieg mit Rußland befinden.

Was auch immer Macrons persönliche Motive sein mögen, eine Kehrtwende vom Mahner zur Zurückhaltung zum Kriegstreiber zu vollziehen – Größenwahn, Angst vor Ansehensverlust Frankreichs auf der Welt oder ein Versuch, die Le Pen-Partei RN vor der Europawahl zu schwächen –, seine Flucht nach vorn ist reines Wunschdenken. Die souveränistische Wochenzeitung Marianne enthüllte jüngst den Inhalt mehrerer Geheimberichte des französischen Militärs an Macron über die Lage in der Ukraine, aus denen die totale russische Überlegenheit an der Front hervorgeht. Indirekt belegen sie auch, daß der Vorschlag des Präsidenten für die Entsendung von NATO-Truppen völlig unrealistisch ist.

Der erste Bericht vom vergangenen Herbst spricht klar vom „Scheitern der ukrainischen Offensive“ und nennt die Planung Kiews und der westlichen Generalstabschefs „verheerend“. Sie hätten insbesondere die „moralische Kraft des Gegners bei der Verteidigung nicht berücksichtigt, d.h. den Willen der russischen Soldaten, ihr Territorium zu halten“. Eine Fortsetzung der Kampfhandlungen bedeute „einen schwerwiegenden Fehler von Analyse und Beurteilung“.

Zu einer Entsendung französischer Truppen in die Ukraine sagt ein hoher Offizier, das wäre „unvernünftig“: „Machen Sie sich nichts vor, gegen die Russen sind wir eine Truppe von Cheerleadern!“

Andererseits veröffentlichte der Generalstabschef, General Pierre Schill, am 19. März einen Gastkommentar in Le Monde, der ganz auf der Linie der Macron-Regierung liegt: „Die französische Armee ist bereit. Ganz gleich, wie sich die internationale Lage entwickelt, die Franzosen können sich darauf verlassen, daß ihre Soldaten bereit sind zu reagieren. Um jeden Angriff abzuwehren und ihre Interessen zu verteidigen, bereitet sich die französische Armee auf die härtesten Konflikte vor.“

Schill fügte hinzu, Frankreich habe eine „internationale Verantwortung“ und sei durch Verteidigungsabkommen verbunden mit „Staaten, die großen Bedrohungen ausgesetzt sind“. Daher müsse es seine Streitkräfte trainieren und mit den verbündeten Armeen interoperabel machen. Paris könne innerhalb von 30 Tagen eine Division von 20.000 Mann und eine Armee von 60.000 Mann aufstellen, indem man sich mit Divisionen anderer NATO-Verbündeter zusammenschließt.

Die Herausforderung bestehe darin, sicherzustellen, daß „die von unseren Truppen demonstrierte Stärke den Trend umkehrt“, um „jeden Angriff auf Frankreich abzuwehren“, fügte der General hinzu. Er erinnerte auch daran, daß sich Frankreich zu seiner Verteidigung auf sein Atomwaffenarsenal stütze, ebenso wie auf seine ausgebildete, mit Verbündeten in Europa kompatible Armee. Die französischen Streitkräfte umfassen insgesamt 121.000 Soldaten und können auf 24.000 Reservisten zurückgreifen.

Am selben Abend gab Oberstleutnant a.D. Vincent Arbarétier im Fernsehsender Direct LCI einen Überblick über den Vorschlag, französische Truppen entlang des Dnjepr in der Ukraine zusammenzuziehen, um an den Kämpfen gegen Rußland teilzunehmen. Auf die Frage des Interviewers: „Würde das nicht als eine Provokation Rußlands angesehen werden?“ antwortete Arbarétier völlig realitätsfremd: „Überhaupt nicht, denn es zwingt Rußland zu Gesprächen, da es sich in einer gleichberechtigten Position befindet. Wir haben Soldaten, wir sind eine Atommacht.“

Rußland reagiert

Macrons Aufplustern ist lächerlich, aber auch gefährlich, weil Rußland gezwungen ist, zu reagieren. Am 17. März warnte Präsident Putin, ein direkter militärischer Konflikt zwischen Rußland und NATO-Truppen in der Ukraine würde bedeuten, daß die Welt nur noch einen Schritt von einem thermonuklearen Dritten Weltkrieg entfernt ist. Von Reuters auf Macrons Vorstoß angesprochen, antwortete Putin, ein Einsatz von NATO-Bodentruppen in der Ukraine sei nicht auszuschließen. Putin, dessen Wahlsieg gerade bestätigt worden war, brachte es auf den Punkt: „Jeder weiß, daß dies der letzte Schritt vor dem Dritten Weltkrieg sein wird. Ich denke, daran ist kaum jemand interessiert.“ Und er bekräftigte: „Ich habe es immer wieder gesagt und ich werde es wieder sagen: Wir sind für Friedensgespräche, aber nicht nur, weil dem Feind die Munition ausgeht.“

Zwei Tage später, am 19. März, schlug der Direktor des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergej Naryschkin, Alarm:

Diese Äußerungen lösten in Frankreich und darüber hinaus einen Sturm der Entrüstung aus. Das französische Verteidigungsministerium reagierte am selben Tag: „Das von Sergej Naryschkin, dem Direktor des russischen Auslandsgeheimdienstes, inszenierte Manöver zeigt einmal mehr, daß Rußland systematisch Desinformation betreibt. Wir halten diese Art der Provokation für unverantwortlich.“ Ausdrücklich dementiert wurde Naryschkins Aussage aber offenbar nicht.

Den Wahnsinn nicht unterschätzen!

Es besteht leider kein Zweifel daran, daß die Regierungen der NATO-Staaten tatsächlich so verrückt sein könnten, einen Weltkrieg gegen Rußland vom Zaun zu brechen. Sie sind verzweifelt, weil ihre Weltordnung zusammenbricht. Vor zwei Jahren sagten diese Regierungen, sie würden der Ukraine keine Waffen liefern - und taten es doch. Dann schworen sie, keine Mittelstreckenraketen zu liefern – und lieferten sie doch. Dann versprachen sie, keine Leopard- und Abrams-Panzer zu liefern – jetzt sind sie dort. Nun diskutieren sie intensiv über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, die tief in russisches Territorium eindringen können, und sogar über den Einsatz von NATO-Truppen im Kampf gegen russische Soldaten. Wie lange wird es noch dauern, bis auch das Realität wird?

Wenn wir abwarten, ist es wahrscheinlich sehr bald zu spät, etwas dagegen zu unternehmen. Die Zeit für einen weltweiten Aufschrei ist jetzt! Jetzt ist die Zeit, die Friedensbewegung in allen Ländern zu vereinen! Es ist höchste Zeit, aufzuwachen und sich bewußt zu werden, daß wir nur noch „einen Schritt vom Dritten Weltkrieg entfernt“ sind!

Die Internationale Friedenskoalition (IPC) ist auf jede erdenkliche gewaltfreie Weise mobilisiert, um sicherzustellen, daß dieser allgemeine internationale Aufschrei jetzt kommt, bevor es zu spät ist. Nehmen Sie teil an der wöchentlichen Internetsitzung der IPC – freitags um 17 Uhr – und bitten Sie alle Freunde und Bekannten, dasselbe zu tun!