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Von Alexander Hartmann
Zum 10. Jahrestag des Beginns der Gürtel- und Straßeninitiative (Belt & Road Initiative, BRI), die Xi Jinping 2013 von Kasachstan aus angekündigt hatte, empfing Präsident Xi am 18. Mai in der Stadt Xian in der chinesischen Provinz Shaanxi, dem Ausgangspunkt der historischen Seidenstraße, die Präsidenten von fünf zentralasiatischen Staaten: Serdar Berdimuhamedow (Turkmenistan), Schawkat Mirsijojew (Usbekistan), Kassim-Schomart Tokajew (Kasachstan), Emomali Rahmon (Tadschikistan) und Sadyr Dschaparow (Kirgisistan). Xi traf zunächst mit jedem von ihnen einzeln zusammen und veranstaltete dann am Abend eine wunderbare Willkommensfeier mit ihnen und ihren Ehefrauen. Am 19. Mai sprach Xi Jinping dann auf der offiziellen Sitzung der Gruppe und stellte eine wichtige Entwicklungsstrategie für die Region vor. Im Anschluß an das Treffen wurde eine Reihe wichtiger Dokumente unterzeichnet und eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten.
Tatsächlich wurde in den vergangenen zehn Jahren durch die BRI schon vieles erreicht und noch mehr in Gang gesetzt. So kommt der mit der London Stock Exchange Group verbundene Finanzanalysedienst Refinitiv mit einer eigenen Datenbank auf eine Summe von insgesamt 2300 Milliarden US-$, die bis Mitte 2020 im Rahmen der BRI investiert wurden. Auch wenn die Investitionen im Zuge der COVID-Krise und aufgrund der Folgen des Krieges in der Ukraine zurückgegangen sind, ist das Wirtschaftswachstum in den Ländern, die sich an der BRI beteiligen, deutlich größer als in den Ländern des Westens, die dies bisher ablehnen.
Aber die BRI ist nicht nur eine wirtschaftspolitische Initiative, sie dient auch – wie einst die alte Seidenstraße – der Verständigung und dem Austausch zwischen den Völkern. Vor dem Treffen in Xian schrieb der usbekische Botschafter in China, Farhod Arsiew, in einem Kommentar in CGTN: „Das Gipfeltreffen zwischen China und Zentralasien weckt in mir große Erwartungen“, und er erwähnte dabei unter anderem die vorgeschlagene Einrichtung eines Wirtschaftsrates zwischen China und Zentralasien und die geplante Einführung des „Jahres der Kultur und Kunst der Völker Zentralasiens und Chinas“. Letzteres sei eine Initiative des usbekischen Präsidenten Mirsijojew, erklärte der Botschafter.
Die halbamtliche chinesische Zeitung Global Times weist darauf hin, daß die Beziehungen zwischen den zentralasiatischen Staaten und China in den letzten Jahren stabil und „von geopolitischen Faktoren nahezu unbeeinflußt“ gewesen seien. Dem stehe gegenüber, daß „die geopolitischen Manipulatoren des Westens Zentralasien seit langem im Auge haben und es als Schachfigur betrachten, die sie gegen China und Rußland einsetzen können, um ihren [des Westens] Einfluß in der Region auf Kosten Chinas und Rußlands auszudehnen.“
Nirgendwo sind die schädlichen Folgen dieser Manipulationen deutlicher zu sehen als in der Ukraine. Dort hatte die Regierung unter Präsident Janukowitsch im Herbst 2013 aufgrund der wirtschaftlichen und militärischen Implikationen beschlossen, das EU-Assoziierungsabkommens nicht zu unterzeichnen. Die ukrainische Regierung erwartete, daß das Land im Fall der Unterzeichnung aufgrund der Störung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Rußland allein im Jahr 2014 36,9 Mrd.$ verlieren würde, während es durch den Ausbau der Beziehungen zu Rußland 5,1 Mrd.$ im Jahr 2014 gewänne.1
Statt dessen reiste Janukowitsch nach China, um über einen Beitritt seines Landes zur BRI zu verhandeln. Die Integration der Ukraine in die BRI bot dem Land die Aussicht, sich zu einer Brücke zwischen Europa und Asien zu entwickeln und am allgemeinen Aufschwung der BRI-Länder teilzuhaben.
Präsident Janukowitsch wurde jedoch im Februar 2014 unter dem Deckmantel der Maidan-Proteste durch einen blutigen Putsch unter Federführung der US-Staatssekretärin Victoria Nuland vertrieben und durch ein radikal russenfeindliches Regime ersetzt. Das Land wurde nicht zur Brücke zwischen Europa und Asien, vielmehr wurde durch die vom Westen verhängten Rußland-Sanktionen ein neuer „Eiserner Vorhang“ errichtet, der die Kooperation zwischen Europa und Asien stark behindert. Und es wurde ein russisch-ukrainischer Konflikt geschürt, der inzwischen zum offenen Krieg eskaliert ist, große Teile der Ukraine zerstört hat und die Welt mit dem Alptraum eines Atomkriegs zwischen Rußland und der NATO konfrontiert.
Helga Zepp-LaRouche, die Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts, kommentierte die Lage in ihrem Internetforum am 17. Mai 2023:
„Ich denke, die Selenskyj-Tour durch verschiedene europäische Länder hat sehr deutlich gemacht, wer im Kriegslager ist und wer generell versucht, ein Ende dieses Konflikts zu finden. Auf der einen Seite werden mehr Waffen versprochen, die Briten wollen ukrainische Piloten auf F-16 ausbilden, die Franzosen planen, alle möglichen Ausrüstungen zu schicken, und Deutschland gibt sich alle Mühe.“
Dabei sei ganz klar, daß dies dem ukrainischen Volk nichts nützt, denn es werde immer deutlicher, daß die ukrainische Armee nicht in der Lage ist, die sogenannte „Frühjahrsoffensive“ durchzuführen. „In gewissem Sinne ist die Situation also an einem Punkt angelangt, an dem Verhandlungen absolut notwendig sind.“
Zum Glück sei klar, daß immer mehr Kräfte in der Welt nun verlangen, daß solche Verhandlungen stattfinden. Als Beispiel verwies sie auf eine Anzeige in der New York Times, die von einer Reihe bekannter Persönlichkeiten, darunter Militärexperten wie Karen Kwiatkowski und Lawrence B. Wilkerson, dem Ökonomen Jeffrey Sachs, dem früheren US-Botschafter in Moskau Jack Matlock und anderen unterzeichnet wurde;2 eine Initiative von sechs afrikanischen Staaten, darunter Südafrika und Ägypten, die angeboten haben, in dem Konflikt zu vermitteln,3 sowie die laufenden Bemühungen des Papstes, des brasilianischen Präsidenten Lula und des türkischen Präsidenten Erdogan.
Sie erläuterte dann die jüngste Initiative des Schiller-Instituts:
„Wir versuchen, dies auf eine Art und Weise anzugehen, die eine Ebene
jenseits von Parteien, jenseits von Konflikten erreicht. Der Anlaß ist der
bevorstehende 60. Jahrestag der berühmten Rede von John F. Kennedy vom 10.
Juni 1963, die er an der American University hielt und die eine der
kraftvollsten Reden für den Frieden war.4 Wir haben dazu ein
internationales Flugblatt in Umlauf gebracht. Wir bitten Sie alle, es zu
unterschreiben, denn wir wollen uns auf die Veranstaltung in Washington
vorbereiten, wo wir auch um eine möglichst breite Beteiligung bitten, ohne
Rücksicht auf Parteien, ohne Rücksicht auf jede andere politische Überzeugung,
sondern um die Idee, Amerika zu dem Paradigma zurückzubringen, das Präsident
Kennedy klar zum Ausdruck brachte.“
(Den Text dieses Aufrufs finden Sie in dieser Ausgabe und im Internet unter https://schillerinstitute.com/de/blog/2023/05/17/, wo Sie
ihn online unterzeichnen können.)
Sie schloß: „Was wir jetzt brauchen, ist wirklich ein Paukenschlag für den Frieden. Denn wenn es so weitergeht wie bisher, ist es die Logik des Krieges, daß immer schrecklichere Waffen eingesetzt werden… Wir müssen darüber nachdenken, diesen Krieg durch Verhandlungen zu beenden, wir müssen mit dem Wiederaufbau der Ukraine beginnen, und im Grunde genommen auch mit dem Wiederaufbau eines Großteils der übrigen Welt, die sich in einem schrecklichen Zustand befindet.“ Sie schloß: „ Es ist noch nichts entschieden, alles hängt von Ihnen ab, von uns, von unserer Mobilisierung, und deshalb möchte ich Sie einladen, daran teilzunehmen.“
Anmerkungen
1. Siehe https://solidaritaet.com/neuesol/2014/10/witrenko.htm
2. https://eisenhowermedianetwork.org/russia-ukraine-war-peace/
3. https://www.gov.za/speeches/government-welcomes-african-peace-leaders-mission