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Neue Solidarität
Nr. 2, 12. Januar 2023

Aushöhlung und Mißachtung des Völkerrechts
treiben die globale „Entwestlichung“ voran

Von Alexander Hartmann

In ihrem internationalen Internetforum vom 4. Januar befaßte sich die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, mit den jüngsten Geständnissen von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande. Beide hatten in den letzten Wochen des Jahres 2022 u.a. bestätigt, daß die Minsker Abkommen nie als Plan für Frieden und Versöhnung zwischen der Ukraine und Rußland gedacht waren, sondern nur Zeit verschaffen sollten, um das ukrainische Militär aufzurüsten. Mit anderen Worten, der Westen war schon 2014 zum Krieg gegen Rußland entschlossen. Zepp-LaRouche ging auf die Frage ein, wie sich das auf die allgemeine diplomatische Lage auswirkt:

Sie habe Angela Merkel nie hoch eingeschätzt und immer für mittelmäßig gehalten, erklärte Zepp-LaRouche, „aber das geht wirklich noch darüber hinaus. Und Hollande hat sich, denke ich, den Spitznamen ,Lügender Holländer‘ verdient … Ich würde mir wünschen, daß viele Leute das [diesen Spitznamen] aufgreifen, damit es hängenbleibt. Denn es ist zwar wirklich ironisch, es ist aber auch sehr wichtig, daß die Menschen sich immer wieder an den verlogenen Charakter der sogenannten ,westlichen Führung‘ erinnern.“

„Unglaubliche Implikationen“

Sie hob die Bedeutung dieses Verhaltens der westlichen Regierungen hervor: „Die Implikationen, die sich daraus ergeben, sind wirklich unglaublich: Denn jahrelang… haben alle möglichen Politiker immer gesagt, daß die Sanktionen gegen Rußland erst nach der vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens aufgehoben werden könnten.“ Wenn nun Merkel, Hollande und Poroschenko - die drei Vertragspartner gegenüber Putin in den Minsker Abkommen – sagen, daß sie das Abkommen niemals ernsthaft umsetzen wollten, bedeute dies, „daß sie die ganze Zeit gelogen haben; daß die gesamte EU-Führung die ganze Zeit gelogen hat“.

Darüber müsse man diskutieren und nachdenken, betonte sie, denn es widerlege das Narrativ, daß Rußland unprovoziert einen Angriffskrieg begonnen habe. „Offensichtlich wurde das über einen langen Zeitraum hinweg aufgebaut. Und wenn man sich diese neun Sanktionspakete anschaut – ich habe sie alle nachgeschlagen: Das ist eine schrittweise Strangulierung der Wirtschaft. Das war von Anfang an der Plan, wahrscheinlich schon vor dem Maidan-Putsch, über den Victoria Nuland bekanntlich sagte, das US-Außenministerium habe fünf Milliarden Dollar für die Vorbereitung von Farbrevolutionen ausgegeben.“

Das Ziel sei also von Anfang an gewesen, „Rußland zu ruinieren“, wie Außenministerin Baerbock oft sage. Zepp-LaRouche erinnerte in dem Zusammenhang auch an ein Pressebriefing1 zweier namentlich nicht genannter Vertreter des Weißen Hauses, die am 25. Januar 2022, „also schon vor Beginn des sogenannten ,Angriffskrieges‘ sagten, das Ziel sei es, Rußland jegliche Fähigkeit zu nehmen, sich von Öl und Gas zu diversifizieren und ihm jegliche moderne Technologie zu verweigern… Das war schon unglaublich, denn wie kann man sagen, daß man ein anderes Land daran hindern will, sein Recht auf Entwicklung wahrzunehmen?“

Durch die Äußerungen von Merkel und Hollande werde der Betrug des Westens nun „sehr, sehr durchsichtig. Aber die Auswirkungen sind schwerwiegend, denn jetzt sagen die Russen, wie Außenminister Lawrow, daß sie keine Projekte mehr mit der EU durchführen werden, weil das Vertrauen völlig zerstört ist. Und das ist etwas, das sehr, sehr schwer zu reparieren sein wird, denn das ist wirklich ein Verrat über acht Jahre hinweg! Ich denke also, die Auswirkungen sind wirklich unglaublich, und ich würde mir wünschen, daß viele Menschen, die sich um den Zustand der Welt sorgen, eine Diskussion darüber führen, was das in Bezug auf die ,westlichen Werte‘ bedeutet.“

Die „Entwestlichung“ schreitet voran

Der Westen wolle diese unipolare Weltherrschaft durchsetzen und alle in ein sogenanntes „Demokratie-Bündnis“ zwingen. Aber dieser Versuch sei gescheitert, denn der Globale Süden falle nicht mehr auf die Narrative des Westens herein.

Sie zitierte dazu einen Artikel des chinesischen Wissenschaftlers Wang Wen,2 Dekan des Chongyang-Instituts für Finanzstudien an der Renmin-Universität, der darin Bundeskanzler Scholz und westlichen Publikationen widerspricht, die den Begriff „Zeitenwende“ zum „Wort des Jahres 2022“ erklärt hatten. Der Schlüsselbegriff für dieses Jahr sei vielmehr „Entwestlichung“. Dann beschreibt Wang Wen ausführlich, wie immer mehr Länder auf der Welt – in Lateinamerika, Zentralasien, Südwestasien, in der arabischen Welt, in Afrika – versuchen, sich von der geopolitischen Konfrontation zu distanzieren. Es nennt die BRICS-Plus, 17 Länder, die sich um die Mitgliedschaft in den BRICS beworben haben; die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder die Eurasische Wirtschaftsunion.

Zepp-LaRouche kommentierte den Mißerfolg des Westens: „Ich denke, das Ganze ist nach hinten losgegangen, und indem sie versucht haben, etwas durchzusetzen, was die meisten Länder nicht als in ihrem eigenen Interesse betrachten, haben sie in faktisch dazu beigetragen, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu katalysieren.“ Die Länder des Globalen Südens hätten nicht mit Konfrontation reagiert, sondern seien mehr oder weniger leise in die andere Richtung gegangen, um ihre eigenen Interessen in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten zu stellen. „Das hat eine ganz andere Dynamik in der Welt geschaffen.“

Deutschland hingegen folge weiter dem Kurs der NATO und mache sich immer mehr zur Kriegspartei, etwa durch die Stationierung gegen Rußland gerichteter Waffensysteme wie die Verlegung von sechs US-Flugzeugen zur elektronischen Kriegsführung vom Typ EA-18G Growler an den Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem, die die Luftabwehr des Gegners ausschalten sollen, und die Ausbildung ukrainischer Truppen. Gleichzeitig ruiniere die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik die deutsche Wirtschaft, es drohe eine völlige Deindustrialisierung Deutschlands. Sie betonte: „Diese Regierung vertritt nicht die deutschen Interessen! ... Es ist höchste Zeit, daß es eine Neuausrichtung der Politik gibt.“

Kernpunkt einer Neuausrichtung

Zum Abschluß des Forums skizzierte sie wesentliche Punkte dieser Neuausrichtung:

(Das gesamte Video im englischen Original finden Sie unter:
https://schillerinstitute.com/blog/2023/01/04/webcast-implication-of-minsk-lies-erosion-of-international-law-loss-of-trust/)


Anmerkungen

1. https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2022/01/25/
background-press-call-by-senior-administration-officials-on-russia-ukraine-economic-deterrence-measures/

2. https://www.scmp.com/comment/opinion/article/3205148/
beyond-china-more-nations-reject-us-led-order-2022-will-go-down-year-de-westernisation

3. https://solidaritaet.com/neuesol/2022/48/hzl.htm