|
|
Manfred Hohmann ist Friseurmeister im osthessischen Hilders und lag aufgrund einer COVID-19-Infektion zwei Monate im Krankenhaus. Er beantwortete Fragen der Neuen Solidarität.
Frage: „Sie gehörten unglücklicherweise zu denen, die mit COVID-19 lange auf der Intensivstation waren und um Ihr Leben kämpfen mußten. Wir erleben nun alle, daß viele Menschen die Gefahr nicht sehen wollen, die mit diesem Virus verbunden ist. Es werden die seltsamsten Argumente angeführt, um alles zu verharmlosen oder sogar ganz zu negieren.
Sie haben mit Ihrem Smarties-Modell eine geniale Methode gefunden, die den Leuten schlagartig demonstriert, daß der Anteil der schweren Fälle zwar relativ klein ist, nämlich 5%, daß aber jeder unter diese 5% fallen kann. Können Sie das beschreiben?
Manfred Hohmann: Man kann mit Fug und Recht behaupten, daß jeder Mensch zur Infektionsrisikogruppe gehört, nur bei Vielen verlaufen sie mild oder milder und nur noch bei wenigen sehr schwer. Man riecht es nicht, man schmeckt es nicht, man sieht es nicht und plötzlich ist es da. Mittlerweile ist die Sterberate der Schwerstinfizierten in Deutschland zum heutigen Tag auf 3 % gesunken, aber nur, weil die Medizin viel mehr weiß als noch im März oder April dieses Jahres.
Das sollte der Vergleich mit den Smarties klarmachen. Ich zeige also den Leugnern dieser Pandemie das Smarties-Glas mit 100 Smarties, und dann sage ich: „Du kannst dir gerne eines nehmen, ich muß dir aber sagen, daß drei Stück hochgiftig sind und das Leben kosten. Ich weiß nicht, welche Farbe sie haben, noch weiß ich, wo sie liegen.“ Es hat noch nie jemand eines genommen. Mein Appell ist, wachsam zu bleiben, denn es kann vielleicht sein, was wir alle nicht hoffen, daß es im Winter wieder etwas schlimmer wird.
Frage: Sie sagten, daß Sie am Anfang wütend waren über die Gleichgültigkeit vieler, daß es Sie aber inzwischen hauptsächlich traurig macht. Traurig über die uns entgegen schlagende Rücksichtslosigkeit?
Hohmann: Meiner Ansicht nach geht nichts über den Grundsatz in unserer Verfassung „Die Menschenwürde ist unantastbar“. Wenn ich aber den Haß und die Unverschämtheit sehe, wie mit diesen Dingen COVID-19 oder SARS-2 von einer bestimmten Stilgruppe umgegangen wird, ist das für mich menschenverachtend. Es hat nichts mit persönlicher Einschränkung der Politik zu tun, sondern reines Contra gegen die Politik, und ich bin besorgt darüber, über die weitere Entwicklung.
Frage: Die Pandemie führt uns vor Augen, daß wir alle in einem Boot sitzen. Wenn das Virus in Frankreich oder selbst in Brasilien oder Indien außer Kontrolle gerät, kann uns das nicht gleichgültig sein. Hat dieser Umstand Ihr Denken verändert, nachdem Sie so hart betroffen waren?
Hohmann: Man wird demütiger in vielen Dingen und man sieht vieles mit anderen Augen; man freut sich an Kleinigkeiten und hat jeden Morgen nichts anderes als Dankbarkeit im Kopf, daß man weiter leben darf. Ich bin viel geschmeidiger und relaxter mit vielen Dingen und bin sicher, daß ich nicht mehr so vom Geld getrieben bin, auch in Zukunft, wie früher. Mir ist eines klar geworden: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.