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Neue Solidarität
Nr. 35, 29. August 2019

Brief an die Justizministerin

Von Ramsey Clark

Der frühere Justizminister Ramsey Clark appellierte 1995 mit dem folgenden Brief an die damalige US-Justizministerin Janet Reno, den Justizmißbrauch im Verfahren gegen Lyndon LaRouche zu untersuchen.

26. April 1995

An die ehrenwerte Janet Reno
Justizministerin der Vereinigten Staaten von Amerika
Justizministerium
10. und Constitution Avenue, N.W.
Washington, D.C. 20530

Re: U.S. v. Lyndon LaRouche, Jr. et al.

Sehr geehrte Justizministerin Reno,

ich bin in diesem Fall seit kurz nach der Verurteilung der Angeklagten im Januar 1989 als Anwalt tätig und trat als Co-Strafverteidiger in der Berufung und bei den nachfolgenden Anträgen und Berufungen in Verfahren nach 28 U.S.C. Sec. 2255 und F.R.Cr.P. Rule 33 auf. Ich wende mich in dieser Angelegenheit an Sie persönlich, weil ich glaube, daß es sich um ein breiteres Spektrum von vorsätzlichem und systematischem Fehlverhalten und Machtmißbrauch über einen längeren Zeitraum handelt, um eine politische Bewegung und ihren Kopf zu vernichten, als in jedem anderen Bundesverfahren meiner Zeit oder meines Wissens. Drei Gerichte haben inzwischen das Verhalten des Ministeriums in dieser Kampagne der Staatsanwaltschaft verurteilt. Das Ergebnis ist ein tragischer Justizirrtum, der derzeit nur durch eine objektive Überprüfung und mutiges Handeln des Justizministeriums korrigiert werden kann.

Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben mein Mitanwalt und ich im August 1993 eine Überprüfung der durch diesen Fall aufgeworfenen Fragen und die Rücknahme oder Änderung der 792-Vorlage des Ministeriums bei der Bewährungskommission beantragt. Beide Anträge wurden damals von Laurence A. Urgenson, dem amtierenden stellv. Justizminister, abgelehnt, der bemerkte, daß die Angelegenheit damals vor dem Vierten Bezirksgericht anhängig sei und eine Überprüfung durch die Exekutive die gerichtliche Überprüfung nicht beeinträchtigen dürfe.

Die Berufung wurde abgelehnt, und es sind keine weiteren Gerichtsverfahren anhängig oder geplant. Alle Prozesse, deren Überprüfung wir anstreben, fanden unter früheren Administrationen statt, und Herr LaRouche und seine Mitangeklagten befinden sich entweder auf Bewährung oder haben ihre Strafe abgesessen. Aber eine vollständige Überprüfung ist nach wie vor unerläßlich, und zwar wegen der Schwere der Verstöße, wegen der Präzedenzwirkung, die sie auf das künftige Verhalten des Ministeriums haben, wenn sie nicht angegangen werden, wegen des Preises des Erscheinungsbildes dieser Ungerechtigkeit und wegen der Tatsache, daß andere Angeklagte, die vom Staat Virginia im Rahmen der Tätigkeit einer gemeinsamen Bund-Länder-Task-Force verfolgt wurden, inhaftiert sind und drakonische Strafen verbüßen, von denen sie wenig Hoffnung auf Freilassung haben, es sei denn, der übersteigerte Justizmißbrauch des Staates wird anerkannt.

Aufgrund des Widerhalls der jahrzehntelangen Vendetta gegen LaRouche bin ich auch besorgt über die jüngsten Ereignisse, weil daraus eine Betrachtungsweise der Bewährungskommission folgen könnte, die die Bewährung von Herrn LaRouche gefährden könnte.

Die Untersuchung, die letztlich zu den Anklagen gegen LaRouche et al. führte, wurde Ende Oktober 1984 publik, als der US-Staatsanwalt für Massachusetts, William Weld, eine Pressekonferenz abhielt, um ihre Einleitung auf Grundlage der vom Fernsehsender NBC in Boston geäußerten Vorwürfen bekannt zu geben. Tatsächlich waren dieser Ankündigung jahrelange Schikanen und Ermittlungen von Bundesbehörden vorausgegangen.

Am 6. Oktober 1986 wurde in Boston Anklage gegen führende Mitglieder der politischen Partei von Herrn LaRouche erhoben. Gleichzeitig fand in Virginia in den Büros mehrerer mit der politischen Bewegung verbundener Unternehmen eine massive zweitägige Razzia mit über 400 Strafverfolgungsbeamten statt, bei der 2 Millionen Dokumente sichergestellt wurden. Die Ermittlungen wurden fortgesetzt, und gegen Herrn LaRouche selbst wurde schließlich eine zweite, ersetzende Anklage eingeleitet, nachdem der Prozeß in Boston am 4. Mai 1988 wegen Verfahrensfehlern abgebrochen worden war. Während dieser Zeit war William Weld stellvertretender Justizminister und leitete die Strafrechtsabteilung, in der er die Verfolgung von Lyndon LaRouche überwachte.

Nach dem Bostoner Fehlverfahren stellte der erstinstanzliche Richter Robert Keeton in einer Entscheidung über einen Antrag bezüglich staatsanwaltlichen Fehlverhaltens erstmals gerichtlich ein empörendes Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft fest. Obwohl er den Antrag ablehnte, sprach er von „systemischem und institutionellem Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft“. In einer weiteren Angelegenheit im Nachverfahren stellte Richter Keeton fest, daß der FBI-Sachbearbeiter Richard Egan unzulässigerweise Dokumente „unter klarer Verletzung“ der Erklärungen gegenüber den Prozeßparteien und dem Gericht vernichtet hatte.

Trotz der Tatsache, daß ein Wiederaufnahmeverfahren in Boston für den 3. Januar 1989 anberaumt war, beschloß das Justizministerium, einen vorteilhafteren Gerichtsstand und eine vorteilhaftere Rechtstheorie zu suchen, und erreichte im Eilverfahren am 14. Oktober 1988 eine Anklageerhebung im Östlichen Gerichtsbezirk von Virginia. Fünf Wochen später, am 21. November 1988, begann der Prozeß im „Raketengericht“ von Alexandria. Vier Wochen später wurden alle Angeklagten, einschließlich Herr LaRouche, verurteilt. Die Berufung wurde vom Vierten Gerichtsbezirk abgelehnt. Die Gewährung von Strafmilderung wurde vom Gericht und in der Berufung durch den Vierten Gerichtsbezirk abgelehnt.

Während der Untersuchung der Bostoner Anklagejury beantragte die Regierung Strafsanktionen gegen bestimmte Unternehmen, die mit der politischen Bewegung verbunden sind. Die daraus resultierenden Bußgelder von mehr als 20 Millionen Dollar waren die Grundlage, auf der die US-Staatsanwaltschaft für den Östlichen Gerichtsbezirk von Virginia 1987 einen beispiellosen und rechtswidrigen Antrag auf Konkurs gegen die sanktionierten Unternehmen stellte. Das Ministerium hatte nicht die Absicht, Gelder einzuziehen. Sie wollte Stimmen zum Schweigen bringen und eine Bewegung zerstören. Die Regierung beantragte und erhielt, ex parte, eine Anordnung, welche die Tore dieser Verlage, die sich alle an Aktivitäten im Rahmen des ersten Verfassungszusatzes (der Garantie der Grundrechte) betätigten, effektiv schloß und praktisch die weitere Rückzahlung ihrer Schulden verhinderte. Einige dieser Schulden bildeten dann die Grundlage für die neuen Anklagen in Virginia. Das Konkursgericht machte es unmöglich, die wenigen Gläubiger zu bezahlen, die sich bei der Regierung beschweren könnten. Als das Konkursgericht 1989 nach den Verurteilungen in Alexandria schließlich über den Antrag entschied, wies es die Klage zurück. Das Gericht stellte fest, daß die Regierung in „objektiver Arglist“ gehandelt und einen „konstruktiven Betrug gegenüber dem Gericht“ begangen habe, als sie den Zwangskonkurs beantragte. Die Tore der Verlage haben sich nie wieder geöffnet.

Auf diese Weise schuf die Regierung einen Pool von Gläubigern, die die Schuldner aus rechtlichen Gründen nicht bezahlen konnten, und aus diesem Pool wurde dann eine Handvoll als Geschädigte vor Gericht präsentiert und gefragt, ob sie bezahlt worden seien. Dieses Vorgehen war notwendig, weil die Staatsanwaltschaft erkannt hatte, daß Belege für laufende Rückzahlungen ihren Fall gefährden würden. Zahlungen wurden bis zum Zeitpunkt des Konkurses geleistet, waren aber danach nicht mehr möglich, was eindeutig darauf abzielte, die Strafverfolgung weiterzutreiben, was später durch die im Rahmen der FOIA veröffentlichten Dokumente und die Erklärungen von AUSA John Markham belegt wurde.

Am 18. Februar 1995 wurde die dritte und pointierteste gerichtliche Feststellung eines Fehlverhaltens der Strafverfolger von einem Richter des Obersten Gerichtshofs in New York in einem Urteil über Brady- und Rosario-Verstößen getroffen, die bei einem verwandten Strafverfahren begangen wurden. Nach „einer Anhörung zur Klärung des Verhältnisses und des Umfangs der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesstaatsanwalt in Virginia und den New Yorker Staatsanwälten...“ ordnete das Gericht einen neuen Prozeß an, und beschied:

„Alle der vorgenannten Umstände deuten auf ein vorsätzliches und berechnendes Bemühen hin, gegen die Angeklagten enorme Mengen an Informationen zu verwenden, die der [Bundes-]Staatsanwalt von Virginia dem New Yorker Justizminister zur Verfügung gestellt hat, ohne die Verpflichtung, entlastende oder andere relevante Informationen offenzulegen, die ein New Yorker Staatsanwalt zu finden und den Angeklagten zugänglich zu machen hat. (Fußnote entfällt). Diese Umstände erwecken den Verdacht einer Verschwörung, die Angeklagten um jeden Preis hier und in Virginia zu unterdrücken.“ (People v. Robert Primack, et al., Anklage Nr. 8654/87, Supreme Court of New York, New York County, Teil 81/83, Stellungnahme von Crane, J., 16.2.95.)

Bezeichnenderweise bewertete der New Yorker Richter Crane auch den Wahrheitsgehalt der Aussage des FBI-Sonderagenten Klund, der mit Ermittlungen im Fall LaRouche betraut war: „...Das Gericht weist die Erklärung des Agenten Klund zurück, daß seine Grafik beim Fotokopieren abgeschnitten wurde. Das Gericht findet es allzu offensichtlich, daß... seine spekulative Aussage die Geheimhaltung dieser [302-]Berichte [des FBI über Zeugenaussagen] schützen sollte.

Im Zusammenhang mit dem 2255-Antrag der Beklagten im Östlichen Gerichtsbezirk von Virginia wurden sechs Bände neu entdeckter Beweise als Anhang beigefügt. Diese Materialien bestehen aus 85 Beweisdokumenten, die nach dem Prozeß entdeckt wurden und in erster Linie staatliches Fehlverhalten betreffen. Dieses Material, das nie ernsthaft geprüft wurde, offenbart zahlreiche Verstöße, einschließlich:

Kurz gesagt, es zeigt sich eine umfassende Verschwörung und eine konzertierte Aktion, die darauf abzielten, genau das zu tun, was Richter Crane feststellte, nämlich „diese Angeklagten um jeden Preis zu unterdrücken“ und dann die Spuren zu verwischen. Die Tatsache der politischen Motivation in dieser Verschwörung wird durch die Beweise belegt, insbesondere durch die Beweise, die die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und erklärten politischen Gegnern von LaRouche und seiner Bewegung offenbaren.

Diese Materialien, zusammen mit schon früher vorliegenden Beweisen für Fehlverhalten, neueren Erkenntnissen, gerichtlichen Feststellungen über Fehlverhalten und dem überwältigenden Erscheinungsbild von Ungerechtigkeit machen die vollständige Überprüfung zu einer Angelegenheit von großer Bedeutung nicht nur für die Angeklagten, sondern auch für das Justizministerium und die Öffentlichkeit.

Sie wissen zwar am besten, welche Abteilung im Ministerium die Überprüfung am effektivsten durchführen kann, allerdings glaube ich, daß es eine Abteilung mit ministeriumsübergreifender Befugnis sein sollte, und daß die Strafrechtsabteilung wegen ihrer engen Beteiligung an der Strafverfolgung im Laufe der Jahre dafür ungeeignet ist.

Ich bringe diese Angelegenheit direkt zu Ihnen, nicht nur als Anwalt von Mandanten, die meiner Meinung nach Opfer eines schweren Justizirrtums geworden sind, das durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, sondern auch in dem Glauben, daß die Aufarbeitung solcher Fehler von wesentlicher Bedeutung ist für die Justiz und das Vertrauen in unsere Institutionen. Ich möchte diese Angelegenheit mit Ihnen besprechen. Ich werde Ihnen oder den von Ihnen benannten Beamten bei der Gelegenheit Dokumente mitbringen, die die Aussagen in diesem Schreiben stützen. Ich werde Ihr Büro anrufen, um einen Termin zu vereinbaren.

Mit freundlichen Grüßen

Ramsey Clark