|
|
Auch nach dem jüngsten „Rettungspaket“ der EU für Griechenland äußert die EU-Kommission ernsthafte Sorge über die Finanzierbarkeit der griechischen Staatsschulden. Nach der jüngsten von der Kommission erstellten Analyse der „Schulden-Nachhaltigkeit“ sieht das „optimistische“ Szenario voraus, daß die Schulden bis 2060 im Schnitt 20% des BIP absorbieren werden. Dazu wäre ein Primärüberschuß im Staatshaushalt von durchschnittlich 2,2% des BIP in der Zeit ab 2022 nötig – und bis dahin sollen sogar völlig unrealistische 3,5% des BIP erreicht werden, wie die Eurogruppe kürzlich dekretierte.
Das „pessimistische“ Szenario ist noch viel schlimmer: Es sieht voraus, daß die Schulden bis 2060 auf 241% des BIP ansteigen werden. (Vor dem Griechenland-Bailout lagen die griechischen Staatsschulden normalerweise zwischen 90% und 100% des BIP.) Der Finanzierungsbedarf würde in diesem Szenario bis 2033 20% des BIP übertreffen und bis 2060 auf gewaltige 56,6% ansteigen. Die Bedingung für dieses Szenario ist, daß der Primärüberschuß des Haushalts zwischen 2023 und 2060 bei 1,5% des BIP liegt, und gleichzeitig eine Wachstumsrate von durchschnittlich 2,7% erreicht wird.
Wie Bloomberg und die griechische Tageszeitung Kathimerini berichten, schlägt die Analyse verschiedene dubiose Methoden vor, um die Schulden tragbar zu machen, etwa durch eine Verlängerung der Laufzeit der Anleihen und der tilgungsfreien Zeit für Grundschuld und Zinsen, sowie eine Rückzahlung der Gewinne, die die nationalen Zentralbanken mit den von ihnen gehaltenen griechischen Anleihen machen.
Ein nützlicherer Ansatz wäre es, die griechischen Bailout-Bonds in Kapital einer Europäischen Infrastruktur-Investitionsbank umzuwandeln, die die zur Integration Europas in die Gürtel- und Straßen-Initiative notwendige Infrastruktur finanzieren sollte.
Griechenland hat bereits enge Beziehungen zu China hergestellt. Darüber hinaus ist Griechenland auch Mitglied der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und nahm vom 16.-18.6. 2017 mit einer Delegation, die von Prof. Panagiotis Roumeliotos geleitet wurde, an deren Jahrestreffen in Südkorea teil. In seiner Rede vor dem Plenum der AIIB wies Panagiotis darauf hin, daß Griechenland stark von der Finanzierung der für die Neue Seidenstraße benötigten Infrastruktur profitieren könnte. Griechenlands Ziel sei es, zu einer Brücke zwischen Asien, Europa und Afrika zu werden, indem es seine wirtschaftlichen und kommerziellen Beziehungen stärkt, insbesondere durch den Hafen Piräus, in Kooperation mit der chinesischen Reederei COSCO und Unterstützung griechischer Reeder.
Chinas Politik der Neuen Seidenstraße bietet eine Gelegenheit, die wirtschaftlich schwächsten Gebiete der EU zu entwickeln, in denen sich die Lage unter dem Euro-System verschlechtert hat. Italiens Mezzogiorno beispielsweise war schon immer eine rückständige Region, aber die jüngsten Zahlen des Verbands der Kleinunternehmer und Geschäftsleute (CGIA) zeigen für 2015 eine dramatische Ausweitung der Schere zwischen Nord- und Süditalien:
Die Arbeitslosigkeit in Süditalien ist um 4,5% höher als in Norditalien.
Die Hälfte der Bevölkerung ist von Armut bedroht.
Das BIP pro Kopf ist nur halb so groß wie im Norden (17.984 Euro gegenüber 32.889 Euro), 2007 waren es noch 18.426 Euro. Im Vergleich zum deutschen BIP pro Kopf (45.260 Euro) ist der Abstand erschreckend.
Trotzdem könnten Investitionsmaßnahmen im Mezzogiorno zum Motor für die gesamte europäische Wirtschaft werden, wie EIR schon 2012 in seinem Bericht „Es gibt ein Leben nach dem Euro – Ein Wirtschaftswunder für Südeuropa und den Mittelmeerraum“ dargelegt hat. Darin wurde eine Reihe von Projekten zur Entwicklung der Infrastruktur in Südeuropa vorgestellt.
Auch China hat das Potential erkannt, daß Sizilien und Süditalien ins Zentrum der Entwicklungspolitik für den Mittelmeerraum rückt, und in den letzten Jahren mehrfach angeboten, sich an großen Infrastrukturprojekten zu beteiligen. Aber die EU-hörige italienische Regierung nutzte diese Chance nicht.
Aber die Chinesen haben nach wie vor Interesse, und das Projekt kann und sollte endlich in Gang gebracht werden. Das ist die Ansicht von Prof. Paolo Maggiora, dem Architekten, der den chinesischen städtebaulichen Gestaltungswettbewerb für das „100-Städte-Projekt“ gewonnen hat. Maggiora hat ein Projekt namens „Projekt ARGE“ entwickelt, einen umfassenden Plan für die Entwicklung der „harten“ und „weichen“ Infrastruktur, um Sizilien als Terminal der Maritimen Seidenstraße und als logistisches und wirtschaftliches Zentrum des Mittelmeerraums in die europäische Wirtschaft zu integrieren.
Maggioras ARGE-Projekt umfaßt einen internationalen Flughafen in Enna in der Mitte Siziliens, von wo aus alle großen sizilianischen Städte und Häfen über Autobahnen und Hochgeschwindigkeitsbahnen in höchstens 30 Minuten erreicht werden können. Sizilianische Häfen, angefangen mit dem Seehafen Augusta bei Catania, würden ausgebaut, damit sie in der Lage sind, mit dem verstärkten Zustrom an großen Containerschiffen vom und zum Suezkanal umzugehen. Aber diese logistische Plattform Sizilien kann nur dann wirksam arbeiten, wenn endlich die berühmte Brücke über die Straße von Messina gebaut wird und die Eisenbahnverbindungen nach Mittel- und Nordeuropa auf ihrem süditalienischen Abschnitt ausgebaut werden.
Prof. Maggioras ARGE-Projekt umfaßt drei Ebenen der Infrastruktur: Logistik, Innovationen und Kultur. Der Flughafen in Enna könnte zum wichtigsten Drehkreuz für alle Verbindungen zwischen Europa und Afrika werden, für alle Routen aus Asien und Amerika, um von dort aus in Ziele in Europa, Afrika und dem übrigen Mittelmeerraum weiterzureisen.