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Neue Solidarität
Nr. 28, 13. Juli 2017

Schafft Deutschland nun den Sprung ins neue Paradigma?

Bei einer hochrangigen Diskussion in Berlin wurde über Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative als Modell für die globale Entwicklung gesprochen, mit speziellem Schwerpunkt auf Afrika.

Über 70 Mitglieder und Gäste waren am 24. Juni der Einladung des Schiller-Instituts ins Berliner Logenhaus gefolgt, um darüber zu diskutieren, daß Deutschlands einzige Zukunftschance in der Neuen Seidenstraße liegt, des von China angestoßenen weltweiten Infrastruktur- und Industrieaufbauprogramms. Die Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts, Frau Helga Zepp-LaRouche, die sich kurz zuvor mehrere Wochen in China aufgehalten hatte, um beim bislang größten Zusammentreffen von Staatschefs, Regierungsvertretern und Experten aller Art über die Neue Seidenstraße mitzuwirken, drückte in Ihrer Eingangsrede dementsprechend ihren Optimismus darüber aus, daß sich dieses neue, positive Kapitel in der Geschichte der Menschheit durchsetzen werde.

Auch die beiden folgenden Redner beschrieben das enorme Potential, das sich aus einer Zusammenarbeit mit China und anderen Partnern ergibt. Der Erste Sekretär der Äthiopischen Botschaft in Berlin, Herr Gebreselassie G. Haile, und der in Tansania geborene Geschäftsberater Dr. Alawi Swaburi gaben ihre jeweiligen Einblicke, wie durch internationale Kooperation bei großen Infrastrukturprojekten die Rückständigkeit afrikanischer Staaten rasch beseitigt werden kann. Ebenfalls im Programm standen musikalische Beiträge wie die Afrikanische Unabhängigkeitshymne und weitere klassische Werke.

Die strategische Lage

Das nahezu unbegreifliche Paradox für viele Deutsche ist, wie jemand wie Helga Zepp-LaRouche und ihr Ehemann Lyndon LaRouche fünf Jahrzehnte gegen das Übel einer mächtigen Oligarchie ankämpfen konnte, ohne die Hoffnung auf den Erfolg einer gerechten Weltwirtschaftsordnung aufzugeben. Frau Zepp-LaRouche, die im Logenhaus mit einer umfassenden strategisch-historischen Rede ihre Forderung wiederholte, der Westen müsse seine Geopolitik aufgeben und sich der Neuen Seidenstraße anschließen, kam mit sehr erfolgversprechenden Nachrichten ans Rednerpult. Denn sie habe bei ihrem jüngsten Chinaaufenthalt nicht nur höchste Würdigung und Anerkennung für ihre Lebensleistung erfahren, sondern auch in den USA bewege sich die Trump-Regierung nach ihren Erkenntnissen immer mehr auf China zu. Die Vorherrschaft der „unipolaren Welt“, wie sie die anglo-amerikanischen Neokonservativen nach dem Ende der Sowjetunion ausgerufen hätten, sei durch den Brexit und Trumps Wahl erschüttert worden. Die neoliberale Ordnung ohne Einbeziehung Rußlands und Chinas, wie sie Bundesminister Schäuble erst noch vor kurzem propagiert habe, gelte zunehmend als nicht erstrebenswert. Donald Trump werde gerade deswegen von FBI, CIA und der New York Times so hart angegangen, weil er eine Annäherung zu Rußland und China versprochen und ein Ende der Regimewechselkriege im Nahen Osten und Afrika angekündigt habe. Gleichzeitig setze Trump sich für eine umfassende Erneuerung der Infrastruktur in Amerika ein, was eine Rückkehr zur Glass-Steagall-Bankentrennung und zum amerikanischen System der Nationalbankkredite notwendig mache.

All dies zeige, daß wir an einen neuen Abschnitt der Menschheitsgeschichte gekommen seien, so daß nun die Formulierung einer gemeinsamen Zukunftsperspektive aller Länder auf die Tagesordnung kommen könne. Europa und Deutschland würden die Probleme des alten Paradigmas der Globalisierung – den Bankrott des Finanzsektors, die Schrumpfung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Flüchtlingskrise – nur dann auf humane Art und Weise lösen können, wenn sie bei der Neuen Seidenstraße kooperieren, mit der Hunderte von Millionen von Menschen weltweit aus Armut und Konflikten befreit würden.

Frau Zepp-LaRouche machte in einer ausführlichen Diskussion mit dem Publikum den Vorschlag, in einer Neuen Charta diejenigen Prinzipien zu fixieren, die ein friedliches Zusammenleben aller Menschen dauerhaft sicherstellen. Im Zentrum einer solchen Erklärung müsse die Kreativität des Menschen als Ziel und eigentlichen Wert in der Wirtschaft definieren. Die Vision des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die er beim Seidenstraßen-Forum in Peking präsentiert habe, stehe in völligem Gleichklang mit Frau Zepp-LaRouches Ideen. Die neue Seidenstraße sei insofern ein Renaissance-Projekt und eine neue Friedensordnung. Es sei wesentlich attraktiver für Deutschland, sich dieser Vision anzuschließen, als an einem bankrotten System festzuhalten.

Äthiopiens Zukunftsvision

Äthiopien sei eine Kultur, die sich seit dem Altertum unabhängig entwickelt, sagte Herr Gebreselassie Haile, Erster Botschaftssekretär der Äthiopischen Botschaft in Berlin, auch wenn der Name des Landes im Westen immer nur negativ konnotiert sei. Diktaturen hätten das Land zwar ruiniert, doch es besitze die Kraft, sich von seinen beiden Hauptfeinden – der Rückständigkeit und der Armut – zu befreien. Im Fokus der Vision Äthiopiens für die kommenden 25-50 Jahre stehe die Entwicklung der Basisinfrastruktur, denn darauf baue jegliche weitere Entwicklung auf. Mit dem Bau einer Reihe von Wasserkraftwerken habe es das Land geschafft, seine Energie- und Wasserressourcen von 300 auf 10.000 MWe auszubauen. Das Straßennetz sei von 10.000 auf 210.000 km ausgebaut worden. Allein mit dem Industriepark Hawassa seien 60.000 produktive Arbeitsplätze und Ausbildungschancen entstanden, und viele weitere solcher Projekte stünden vor der Fertigstellung. Insgesamt habe man mit diesen Maßnahmen bereits 25 Millionen Äthiopier aus der Armut befreit, wenngleich noch weitere 10-15 Millionen Bewohner in großer Armut lebten und 8,5 Millionen auf Unterstützung angewiesen seien. Ein Frühwarnsystem stelle in Dürreperioden die Versorgung der Bevölkerung sicher, so daß Hungerkatastrophen vermieden werden können.

Herr Haile machte sehr deutlich, daß es in Deutschland, das eigentlich stets das Vorbild Äthiopiens bei seinem Weg gewesen sei, leider kaum Aufmerksamkeit für diese Entwicklungen gebe. In Deutschland profitierten Nichtregierungsorganisationen von einem einseitigen Afrikabild, um ihr Spendenaufkommen zu generieren. Auch das Flüchtlingsthema sei nicht nur Europas, sondern unser aller Problem, und der Schlüssel zur Lösung sei die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Wir suchen wirkliche Entwicklungspartner und keinen Boss, der hierherkommt und uns sagt, was wir zu tun und zu lassen haben“, bringt der Botschaftssekretär die Haltung seines Landes auf den Punkt. Äthiopien habe bereits Partner aus über zehn Staaten gewonnen. Jüngstes Beispiel seien die Chinesischen Investitionen in elektrische Eisenbahnprojekte. „Chinas Export-Import Bank kommt mit Ressourcen und leistet exzellente Arbeit“, sagt Haile.

Megaprojekte in Südostafrika

Dr. Alawi Swabury, der aus Tansania stammt, aber in Berlin eine Initiative für 15 afrikanische Länder gegründet hat, stellte einige seiner aktuellen Großprojekte vor, die er mit chinesischer Finanzierung und internationalen Partnern realisieren will. Es geht sowohl um Schiffahrtslinien auf dem Tanganjikasee und Victoriasee, mit denen man Länder wie Kongo, Sambia, Burundi, Kenia und Tansania verbinden will, als auch um den Bau einer völlig neuen tansanischen Hauptstadt in der Region Dodoma.

Für diese milliardenschweren Programme hat Herr Swabury bereits die Finanzierung mit chinesischen Entwicklungsbanken in Aussicht. Ein internationales Firmenkonsortium, bei dem auch deutsche Firmen beteiligt sind, soll den Bau von Werften, Straßen, IT-Technik, Wasserversorgung usw. gewährleisten. Importierte Motorentechnik wolle man unbedingt aus Deutschland haben, denn an Made in Germany als Gütesiegel komme nach wie vor niemand vorbei.

Damit, so Swabury, erfülle sich ein seit über 45 Jahren gehegter Traum, der vom ersten Präsidenten des nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft befreiten Tansanias, Julius Nyerere, formuliert worden war: die Vernetzung und Kooperation der Staaten Afrikas. Während chinesische Firmen sehr interessiert seien, hielten deutsche Firmen jedoch eine Art von Distanz. Der von der deutschen Bundesregierung gepriesene „Compact for Afrika“ sei nur ein Lippenbekenntnis und Makulatur, denn er beinhalte lediglich für diejenigen Länder einen Hilfsmechanismus, in denen die Routen afrikanischer Flüchtlinge lägen, und er sei kein Entwicklungsplan für Afrika an sich, so Swabury. Im Gegensatz dazu habe China bereits im Jahr 2015 beim Forum für Afrikanisch-Chinesische Kooperation 60 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte in 17 Ländern zur Verfügung gestellt. Mitte Juli wird Alawi Swabury mit einer Delegation diese Projekte der Regierung in Tansania vorstellen.

Stephan Ossenkopp