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Im April 1968 war Robert F. Kennedy mit seinem Flugzeug unterwegs zu einem Wahlkampfauftritt in Indianapolis, als er erfuhr, daß Martin Luther King erschossen worden war. Man riet ihm, seine Kundgebung abzusagen. Der Polizeichef warnte ihn, er solle nicht in das Ghetto gehen. Seine Polizeieskorte verließ ihn, als er dann doch ins Ghetto ging. Die Menge, zu der er dort sprach, hatte die Nachricht vom Tode Martin Luther Kings noch nicht gehört. Kennedy sagte es ihnen und schloß seine Rede: „Entschließen wir uns, das zu tun, was die Griechen vor so vielen Jahren geschrieben haben: die Wildheit des Menschen zu zähmen und das Leben in der Welt abzumildern. Widmen wir uns dieser Aufgabe.“
In den folgenden Tagen gab es Unruhen in 110 Städten, 39 Menschen wurden getötet - meistens Farbige. 75.000 Soldaten wurden eingesetzt, um für Ruhe auf den Straßen zu sorgen. In Indianapolis, wo Kennedy Wahlkampf führte, gab es keine Ausschreitungen. Er ging dann weiter nach Cleveland und sagte dort: „Die Gewalt geht immer weiter. Warum? Was hat Gewalt je erreicht? Was hat sie je geschaffen? Die Sache eines Märtyrers wurde noch nie durch die Kugel seines Mörders zum Schweigen gebracht.“
Kennedys Biograph schreibt: „Er flog zurück nach Washington, eine Stadt voller Rauch und Flammen, in der eine Ausgangssperre verhängt worden war und Soldaten patrouillierten. Er ging durch die Wohnviertel der Farbigen. Überall war brennendes Holz und zerschlagenes Glas. Der Kennedy begleitende Walter Fauntroy, Bürgerrechtler und Freund Martin Luther Kings, berichtete: ,Die Truppen waren im Einsatz. Eine Menge folgte uns, folgte Bobby Kennedy. Die Soldaten sahen uns aus der Ferne kommen, und setzten ihre Gasmasken auf und machten ihre Gewehre bereit. Als sie sahen, daß es Kennedy war, nahmen sie die Masken wieder ab und ließen uns durch. Sie sahen sehr erleichtert aus.’“ (Arthur M. Schlesinger jun., Robert Kennedy and his Times)
Schon auf dem Höhepunkt der Unruhen in den amerikanischen Städten 1967 hatte Kennedy die Wohngebiete der Farbigen und Hispanoamerikaner besucht, obwohl man ihm davon abgeraten hatte. Als er gefragt wurde, was er tun würde, wenn er Präsident würde, sagte Kennedy, er würde die Medien dazu veranlassen, daß sie zeigen, wie es ist, im Ghetto zu leben. Er sagte:
„Laßt sie die Seele zeigen, das Gefühl, die Hoffnungslosigkeit - wie es ist, wenn du glaubst, daß du da niemals heraus kommst. Zeigt einen schwarzen Teenager, dem mit Rundfunkwerbung gesagt wird, er soll in der Schule bleiben, wenn er seinen älteren Bruder sieht, der in der Schule blieb und jetzt keine Arbeit hat. Zeigt die Mafia, wie sie Rauschgift verbreitet, stellt ein ehrliches Kamerateam in eine Ghettoschule und seht euch an, was für ein verkommenes Bildungssystem dies tatsächlich ist... Fordert die Leute auf, sich das anzusehen, und zu erleben, wie es ist, in der wohlhabendsten Gesellschaft der Geschichte zu leben - ohne Hoffnung.“
Im gleichen Jahr 1967 reiste Robert Kennedy nach Mississippi, um dort Anhörungen zum Wohnungswesen abzuhalten. Er ging hinaus in die ländlichen Regionen und war, wie sein Biograph Evan Thomas berichtet, zutiefst bewegt von den Szenen bitterster Armut, die er dort sah. Evans zitiert einen Mitarbeiter Kennedys, der mit ihm anschließend nach New York zurückflog: „Er griff nach mir, und sagte: ,Du hast gar keine Ahnung, was ich gesehen habe! Ich habe in meinem Leben noch überhaupt nichts getan! Alles, was ich getan habe, ist wertlos!“
Noch am gleichen Abend habe Kennedy seine Kinder - die damals zwischen 2 und 15 Jahren alt waren - zusammengerufen und sie aufgefordert, ihr Leben der Verbesserung der Welt zu widmen. Er erzählte ihnen von dem Besuch einer fensterlosen Hütte, wo er „auf einem schmutzigen Boden gesessen und ein Kind im Arm gehalten habe, das von offenen Schwären bedeckt war. Er habe dem Kind den Bauch gestreichelt, der vor Hunger aufgebläht war. Er habe das Kind gestreichelt und gewispert und es gekitzelt, aber es habe nicht reagiert. Das Kind sei wie betäubt gewesen.“
„In Mississippi“, habe er berichtet, „leben ganze Familien in einer Hütte, die nicht größer ist als dieser Raum. Die Kinder sind von Schwären bedeckt, und ihre Bäuche sind aufgebläht, weil sie nichts zu essen haben. Wißt ihr, wie glücklich ihr seid? Tut etwas für euer Land!“ (Evan Thomas: Robert Kennedy: his Life)
Am 6. Juni 1968 gewann Robert F. Kennedy die Vorwahl der Demokraten in Kalifornien und war auf dem Weg, die Präsidentschaft zu gewinnen. Am gleichen Abend wurde er erschossen.
Donald Phau