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Die Feiern zum 70. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs dienen als Gelegenheit zur Ausweitung der Zusammenarbeit um die BRICS-Gruppe.
Am 9. Mai - nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe - versammeln sich Staats- und Regierungschefs aus 25 Nationen in Moskau, um dort den 70. Jahrestag des Sieges über den Faschismus und das Ende des Zweiten Weltkriegs zu begehen. Die meisten Vertreter der westlichen Welt, die dieses Ereignis boykottieren, wollen mit dieser Erinnerung offenbar nicht konfrontiert werden, nachdem sie über den geopolitischen Putsch in der Ukraine die Welt gefährlich nahe an den Rand eines Nuklearkrieges gebracht haben, der die ganze Menschheit auslöschen könnte.
Alle fünf BRICS-Nationen werden durch ihre Staatsoberhäupter bei der Militärparade vertreten sein: Der chinesische Präsident Xi Jinping, der indische Präsident Pranab Mukherjee, der südafrikanische Präsident Jacob Zuma und die brasilianische Präsidentin Dilma Roussef haben ihre Teilnahme angekündigt, ebenso wie der ägyptische Präsident Al-Sisi. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird erwartet.
Neben der militärisch-strategischen Kooperation steht jedoch in Moskau ebenso das gemeinsame Interesse an der Verwirklichung der eurasischen und globalen „Win-win“-Entwicklungsperspektive im Mittelpunkt. Genau das aber ist der Casus Belli für das bankrotte transatlantische System der Wall Street und Londoner City und für Präsident Obama, der mit allen Mitteln versucht, diese positive Dynamik aufzuhalten.
Vor dem Aufbruch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu seiner Reise nach Rußland, Kasachstan und Weißrußland kündigte Chinas Vizepremier für auswärtige Angelegenheiten Cheng Guoping an, daß Xi und Putin ein Dokument über die Vertiefung der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern unterzeichnen und eine gemeinsame Erklärung über die Win-Win-Kooperation veröffentlichen werden. Präsident Xi werde drei Tage in Moskau verbringen und dort auch an der Parade auf dem Roten Platz zur Feier des 70. Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa teilnehmen. Dort wird auch ein großes chinesisches Truppenkontingent mitmarschieren.
„Präsident Xi Jinpings Teilnahme an der Feier des 9. Mai zeigt Chinas Respekt für das russische Volk und die Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern. Sie zeigt auch die solide Arbeitsbeziehung zwischen China und Rußland“, sagte Cheng. Xi und Putin werden auch über das Projekt des Wirtschaftsgürtels der Neuen Seidenstraße, das russische Programm zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen zwischen Europa und Asien, die Eurasische Wirtschaftsunion und die Koordination aller dieser Initiativen sprechen. Außerdem werden die beiden Seiten Abkommen über Energie, Luft- und Raumfahrt, Steuern, Finanzen und Investitionen unterzeichnen.
Die beiden Präsidenten werden auch darüber sprechen, wie man die Errungenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg erhalten kann, und sie werden die Bedeutung der Charta der Vereinten Nationen als grundlegendes Dokument für die Beziehungen zwischen den Nationen unterstreichen, ebenso wie die Bedeutung der Vereinten Nationen für die Erhaltung des Friedens und der Konfliktlösung zwischen den Nationen.
Vor seiner Ankunft in Moskau wird Präsident Xi Kasachstan besuchen, das für den Wirtschaftsgürtel der Seidenstraße von strategischer Bedeutung ist, und dort mit Präsident Nursultan Nasarbajew über die Zusammenarbeit zur Realisierung des „Gürtels“ sprechen.
Von Moskau aus wird Präsident Xi dann nach Weißrußland weiterreisen, wo er mit Präsident Alexander Lukaschenko zusammentreffen wird. Es ist der erste Besuch Xis als Präsident in Weißrußland, das er zuletzt vor 14 Jahren besucht hatte. Er wird auch hier an Gedenkfeiern zum Jahrestag des Kriegsendes in Europa teilnehmen. Außerdem steht die Besichtigung eines großen Industrieparks in Weißrußland, der gemeinsam mit chinesischen Unternehmen aufgebaut wurde, auf dem Programm. Auch hier wird Xi ein Partnerschafts-Abkommen und Verträge über die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel, Zölle und den Austausch in Bildung und Kultur unterzeichnen.
Schon in zwei Monaten, am 9./10. Juli, werden dann die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten erneut zusammentreffen - bei den Gipfeltreffen der BRICS-Gruppe und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im russischen Ufa. Zuvor finden noch zwei wichtige Konferenzen statt, um diesen Gipfel vorzubereiten: Am 8. Juni werden die „BRICS-Parlamentarier“, also Delegationen der Parlamente der BRICS-Mitgliedstaaten zusammenkommen, und am 23.-24. Juni findet eine Konferenz von Medizinern und Wissenschaftlern statt, um ein Dokument über die Gesundheitssicherheit zu erarbeiten. Dabei wird die Ebola-Epidemie ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Das Parlamentariertreffen im Juni wird auch Brasiliens Kongreß unter Druck setzen, den Verträgen über die Gründung der Neuen Entwicklungsbank und des Notfall-Reserve-Arrangements (Contingent Reserve Arrangement, CRA) zuzustimmen, die im vergangenen Juli beim BRICS-Gipfeltreffen in Fortaleza/Brasilien vereinbart worden waren.
Bisher haben die Gegner von Präsidentin Dilma Rousseff, die im brasilianischen Kongreß in der Mehrheit sind, die entscheidende Abstimmung immer wieder hinausgezögert, aber der Vorsitzende des Brasilien-BRICS-Parlamentarierausschusses, Andre Figueiredo, erklärte am 24. April gegenüber der Nachrichtenagentur Agencia Brasil, er habe vom Präsidenten der Deputiertenkammer, Eduardo Cunha, die Zusage erhalten, die Kammer werde das Thema noch in der ersten Maihälfte aufgreifen. Anschließend muß dann der Senat darüber abstimmen.
Rußland, das am 1. April turnusmäßig für ein Jahr den Vorsitz der BRICS-Gruppe übernommen hat, geht bei der Realisierung der neuen Finanzinstitutionen der BRICS voran. Präsident Putin hat den Vertrag über die Einrichtung des CRA - ein Devisen-Reservepool der BRICS-Gruppe im Umfang von 100 Mrd.$ - bereits unterzeichnet, nachdem die Staatsduma und der Föderationsrat ihn im vergangenen Monat ratifiziert hatten.
Wie der stellvertretende Vorsitzende des Haushalts- und Finanzmarktausschusses des Föderationsrates, Sergej Iwanow, erklärte, wird der Reservepool vor allem dazu dienen, die Zahlungsbilanz zwischen den BRICS-Staaten stabil zu halten. Der Pool wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, bei akuten Problemen mit der Zahlungsbilanz ihre Liquidität aufzustocken. „Die Realisierung der Vereinbarung wird auch dazu beitragen, die nationalen Währungen wirksam vor den Launen der weltweiten Devisenmärkte zu schützen“, sagte Iwanow.
Auch Argentinien unterstützt die BRICS-Staaten in ihren Bemühungen, „ernsthaft das Weltwirtschafts- und -währungssystem zu ändern“; dies erklärte der frühere russische Botschafter in Argentinien, Jewgenij Astachow, der heute Professor am Moskauer Staatsinstitut für internationale Beziehungen des russischen Außenministeriums (MGIMO) ist, am 24. April gegenüber dem russischen Nachrichtendienst Sputnik Mundo. Das von den USA abhängige westliche Finanzsystem „hat für China, Indien, Brasilien keinen Nutzen und auch nicht für Argentinien, das sich der jüngst gegründeten BRICS-Entwicklungsbank anschließen möchte“, sagte Astachow.
Auch in der Karibik sieht man die BRICS als Option. US-Präsident Obama hat sich mit seinem Angebot von lächerlichen 20 Mio.$ Wirtschaftshilfe für die karibischen Staaten - noch dazu unter der Bedingung, sich an Auflagen zur Förderung „sauberer“ Energie und der „Ganja“-Drogenkultur à la Bob Marley zu halten - keine Freunde in der Region gemacht. In den jamaikanischen Medien wird nun intensiv über die BRICS diskutiert, und die Universität Westindiens - die wichtigste Universität in der Karibik - wendet sich an China, um Finanzhilfe zu erhalten. In Guyana, wo demnächst Wahlen stattfinden, kämpft die Regierung gegen eine Kampagne von Obama und den Briten darum, sich an der Macht zu halten. Diese Regierung hatte sich beim letzten Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) für das Glass-Steagall-System eingesetzt und hat umfangreiche wirtschaftliche Abkommen mit China abgeschlossen.
Die entscheidende Frage ist nun, wann auch die westlichen Regierungen endlich einsehen, daß es nur einen Ausweg aus der Zusammenbruchskrise gibt - nämlich, das Angebot Chinas und der übrigen BRICS-Länder anzunehmen und gemeinsam mit diesen Nationen eine Ära des weltweiten wirtschaftlichen Aufbaus einzuläuten und dafür die verrückte Konfrontationspolitik aufzugeben.
eir