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Neue Solidarität
Nr. 38, 22. September 2010

Deutschland - ein Puppenhaus:
Böses Erwachen oder Erwachsenwerden?

Von Helga Zepp-LaRouche

Das vielbeschworene „neue deutsche Wirtschaftswunder“ wird schon bald wieder schlagartig enden, sobald die anderen Staaten die deutschen Exportüberschüsse nicht mehr absorbieren können. Es ist höchste Zeit, daß wir uns zu Staatsbürgern entwickeln, die in allen Lebensbereichen dem Prinzip des Gemeinwohls wieder zur Geltung verhelfen und damit der Souveränität Deutschlands und einem Europa vor Maastricht, anstatt sich durch Ersatzthemen von den Existenzfragen ablenken zu lassen.

Wenn man der Bild-Zeitung und Wirtschaftsminister Brüderle glauben könnte, dann beneidete uns die ganze Welt um das „neue deutsche Wirtschaftswunder“ und wir hätten hierzulande eine „quasi Vollbeschäftigung“. In Wirklichkeit steht das Weltfinanzsystem vor der Desintegration, die USA vor dem Zusammenbruch, die Eurozone vor dem Auseinanderbrechen - und die Kombination dieser Entwicklungen wird die ausschließlich dem Export gedankte Mini-Erholung in Deutschland hinwegfegen. Wir stehen statt dessen vor einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Explosion, - wenn nicht sehr bald eine wirkliche Reorganisation des Weltfinanzsystems stattfindet.

Die von Zweckoptimismus gespeiste Aufschwungseuphorie, die von den selben Wirtschaftsinistituten, Regierungspolitikern und Medien verbreitet wird, die auch in der Vergangenheit mit ihren Prognosen gotterbärmlich falsch lagen, soll die Menschen einlullen. Wenn die Medien nur eine PR-Kampagne nach der anderen inszenieren, das die „Krise überstanden ist“ (Metro-Chef Eckard Cordes in Bild), dann sollen wir nicht merken, daß es in Wirklichkeit in unglaublich vielen Bereichen längst ans Eingemachte geht, und daß sich am System der Hochrisiko-Spekulation nicht das geringste geändert hat.

Zwar wuchs das BIP im zweiten Quartal im Verhältnis zum Krisenjahr 2009 um 3,7%, was die EU-Kommission sogleich veranlasste, die Prognose für Deutschland für 2010 auf 3,4% Wachstum anzuheben. Aber was nützt dies wirklich, verglichen mit der katastrophalen Entwicklung in den südlichen Mitgliedstaaten der Eurozone, Griechenland, „dem nächsten Griechenland: Italien“, Spanien, Portugal, aber auch Irland, bei denen Insolvenzen und Arbeitslosigkeit steigen? Die Zinsunterschiede bei Staatsanleihen zwischen Deutschland und den Pleitestaaten werden immer größer, die Schuldenrefinanzierung wird für diese Staaten immer teurer und bald nicht mehr möglich sein.

Der Großteil deutscher Exporte, nämlich 61,5%, ging in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nach wie vor in Länder der EU, und der deutsche Handelsüberschuß dürfte bis Ende des Jahres auf 90 Milliarden Euro ansteigen, was wiederum die Verschuldung dieser Länder erhöht. Insgesamt ist Deutschlands Außenhandelsüberschuß von 43,6 Milliarden 1995 bis auf 195,3 Milliarden im Jahr 2007 gewachsen. Was aber ist die Folge, wenn die anderen Staaten die deutschen Exportüberschüsse nicht mehr absorbieren können, wenn der Konsummarkt in den USA wegen Insolvenz der Staaten weiter einbricht, was derzeit geschieht, wenn der chinesische Export in die USA deshalb zurückgeht und sich in China bekannte Blasen entladen, oder wenn die hochverschuldeten südlichen EU-Staaten pleite gehen?

Die Vernachlässigung des Binnenmarktes und des Lohnniveaus in Deutschland, quasi die Mitgift  des Euro, hat nicht nur einen tendenziell sinkenden Lebensstandard zur Folge, die Folgen sind in mehreren Bereichen dramatisch. Der BDI hat jetzt zusammen mit elf Verbänden, die mit Infrastruktur und Verkehrswesen zu tun haben, einen dringenden Appell an die Politik gerichtet.

Die Infrastruktur in Deutschland veraltet, alleine 1500 km Fahrstreifen von Bundesautobahnen und 3500 km Fahrstreifen von Bundesstraßen seien als dringend erhaltungsbedürftig einzustufen, die Überlastung der Autobahnen manifestiere sich auch in Menschen und Wirtschaft belastenden Staus, von denen allein 2009  rund 140.000 (!) gemeldet worden seien. Wieviel Menschen waren in diesen Staus, wieviel Nerven hat das gekostet, wieviel Lebenszeit wurde da verschwendet, und wieviel Kosten sind dadurch für die Volkswirtschaft entstanden?  Und hören sich nicht mehr und mehr von diesen Autobahn-Fahrstreifen an wie die Autobahnen in der DDR 1989? (Rattata, rattata, rattata.)  Deutschland lebe zunehmend von seiner Substanz, heißt es in dem Appell. Genau das ist der Fall.

Ebenfalls an die Substanz geht es bei der Polizei; viele ausscheidende Beamte werden seit längerem nicht ersetzt, ein weiteres Viertel soll in den nächsten Jahren abgebaut werden. Schon jetzt dauert es in ländlichen Gebieten durchschnittlich eineinhalb Stunden, bis nach Wild-Unfällen Streifenwagen vor Ort sind. Gewalt gegen Polizisten hat um 50% zugenommen, die Schaffung von Bürgerwehren ist in der Diskussion. In Griechenland, wo sich eine törichte Regierung der EU-Politik der Schuldenbremse unterworfen hat, ist die Anzahl von Raubtaten, von Straßen-Überfällen über Bank-Überfälle bis zu Haus-Einbrüchen, im letzten Jahr um über 60% angestiegen. Die einzige Wachstumsbranche derzeit sind private Sicherheitsfirmen - aber nur sehr kurzfristig, weil die Kunden reihenweise bankrott gehen und nicht mehr zahlen können.

Nachdem die deutschen Steuerzahler schon bereits mehr als 100 Milliarden Euro blechen konnten, um die angeblich „systemrelevante“ Hypo Real Estate Bank zu „retten“, tauchen jetzt erneut 40 Milliarden auf, die finanziert werden müssen, und nun stellt sich heraus, daß 65% der Anteile der HRE sich in der Hand von anonymen Eigentümern von Hedge Funds, Beteiligungsgesellschaften und Banktöchtern in den Cayman-Inseln befinden! Und gleichzeitig „verdienen“ die Manager der Finanz-„Industrie“ exorbitante Summen, streichen sogar bei selbstverschuldeten Pleiten Millionenbeträge an Abfindungen ein, während die Personen, die ehrliche Arbeit leisten oder wie die Polizei mit der wachsenden Wut der Bevölkerung gegen die Verantwortlichen für die Umverteilung von Arm zu Reich umgehen müssen, enorme Kürzungen hinnehmen müssen.

Und was bedeutet es, wenn mehr oder weniger plötzlich in Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft wird, ohne das irgendwo von Militärs oder verantwortungsbewussten Personen ein Aufschrei oder auch nur ein Protest über diesen signifikanten Umbau der Gesellschaft laut wird, der dramatische Folgen für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und zudem massive Konsequenzen für die Sozialdienste hat? Gibt es denn wirklich niemanden, der in der Tradition von Scharnhorst und Gneisenau und der Väter der Bundeswehr die staatstragende Bedeutung  der Wehrpflicht erkennt und zu verteidigen bereit ist?

Man könnte die Liste von Bereichen, in denen es ans Eingemachte geht, noch um einiges fortsetzen.

Aber wichtiger als weitere Beispiele zu nennen ist es, die Dynamik zu erkennen, die diese verschiedenen Phänomene erzeugt. Und das offensichtlichste, was einem da ins Auge springt, ist die Tatsache, daß in Deutschland das Prinzip des Gemeinwohls so gut wie vollkommen abhanden gekommen ist. Was herrscht, ist das brutale Recht des Stärkeren, die brutale Enteignung der Armen zugunsten der Reichen - es gibt nach über drei Jahren Systemkrise sehr viel mehr Millioäre und sehr viel mehr Arme. Wen soll es da wundern, wenn die Unzufriedenheit in  grossen Teilen der Bevölkerung wächst.

Auch wenn es vorher sicherlich Probleme gegeben hat, so rächt sich jetzt die verlorene Chance von 1989. Anstatt die Sternstunde der deutschen Wiedervereinigung als Neubeginn für eine Friedensordnung für das 21. Jahrhundert zu nutzen - was durchaus möglich gewesen wäre, weil der Westen spätestens ab 1991 keinen signifikanten Gegner mehr hatte -, wurde Deutschland die Währungsunion als Preis für die Wiedervereinigung aufgezwungen. Mit dem Maastrichter Vertrag, der erzwungenen Einführung des Euro, und der ebenso grausamen wie inkompetenten Logik des Stabilitätspaktes wurde in Deutschland das Prinzip des Gemeinwohls eliminiert, und dies ist seitdem die Dynamik, die für die Demontage der oben genannten Bereiche verantwortlich ist.

Wie wir hinlänglich dokumentiert haben, war es die Absicht von Margaret Thatcher, Francois Mitterand und George Bush Sr., die deutsche Wirtschaftskraft zu schwächen und Deutschland dem Diktat einer EU- Bürokratie zu unterwerfen, von der EU-Kommissionspräsident Barroso nicht müde wird zu prahlen, daß sie die eines „nicht-imperialen Imperiums“ sei. Wenn die EU nicht imperial ist, warum durften dann die Bürger nicht ein einziges Mal abstimmen, ob sie die D-Mark aufgeben, das Grundgesetz weitgehend aufgeben oder ihre Gesetze in Brüssel machen lassen wollten, die so gut wie immer gegen die Interessen der Mitgliedstaaten verstoßen?

Ein Schlüssel zum Verständnis des wahren Charakters der EU liegt in der Tatsache, daß Joseph Schumpeter gewissermaßen den offiziellen Wirtschaftstheoretiker der EU repräsentiert. Die mit Schumpeter assoziierte „kreative Zerstörung“ als angebliches Charakteristikum des kapitalistischen Prozesses ist in Wirklichkeit die Dynamik, die hinter der Demontage von Industrie, Infrastruktur, Polizei, Bundeswehr, Gesundheitwesen und vielen anderen Bereichen steht. Die platte, mechanistische Sichtweise von ökonomischen Prozessen, daß in Schumpeters Konjunkturzyklen zum Ausdruck kommt, ist dabei weitgehend von dem maßgeblich von Nietzsche beeinflußten Werner Sombart abgeschrieben.

Wenn man von dem typischen „spin“ absieht, mit dem die EU-Befürworter ihre Politik verpacken, dann kommt seit dem Maastrichter Vertrag hinter der EU, von der Ambrose Evans-Pritchard einmal gesagt hat, sie vertrete im wesentlichen alle Positionen des britischen Empire, genau das zyklische Weltbild von Friedrich Nietzsche zum Ausdruck, das er u.a. in seinem Zarathustra beschreibt: „Wer ein Schöpfer sein will im Guten und im Bösen, der muß ein Vernichter sein und Werte zerbrechen.“ In dieser nietzscheanischen Unterströmung, die der Maastricht-Lissabon-EU zugrundeliegt, liegt der Grund dafür, warum dieses Europa das genaue Gegenteil des Europa der Vaterländer ist, das sich auf die Hochkultur und die Klassik bezieht.

Seit Maastricht ist in Deutschland nicht nur das Prinzip des Gemeinwohls abgeschafft, sondern es hat sich auch das Gefühl der politischen Impotenz bei den Bürgern verstärkt, was in dem oft wiederholten Satz, „Man kann ja doch nichts machen“, zum Ausdruck kommt. Und weil die Bürger irgendwie empfinden, daß sie sich mit den wirklich wichtigen Existenzfragen, wie z.B. der Systemkrise des Weltfinanzsystems und wie eine Wirtschaftsordnung der Zukunft aussehen sollte, nicht beschäftigen dürfen, stürzen sie sich auf alle möglichen Ersatzthemen, gleich ob es  sich um die Rückzahlung der Straßenausbaubeiträge in Dresden oder Stuttgart 21 handelt.

Noch verhalten sich viele Bürger wie Kinder in einem Puppenhaus, denen man nicht erlaubt, sich mit den großen Themen der Erwachsenen zu beschäftigen. Es ist höchste Zeit, daß wir uns zu Staatsbürgern entwickeln, die in allen Lebensbereichen dem Prinzip des Gemeinwohls wieder zur Geltung verhelfen und damit der Souveränität Deutschlands und einem Europa vor Maastricht.

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