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Ein Vertreter der City of London, der für internationale Wirtschaftsfragen zuständige Redakteur des Daily Telegraph, Ambrose Evans-Pritchard, bezeichnete am 15. Mai die Bestrebungen der Brüsseler Kommission, die direkte Kontrolle über die bisher souveränen nationalen Haushaltsentscheidungen zu übernehmen, als Schritt zum „Finanzfaschismus“.
Der Euro sei „fundamental zerrüttet“, was man offenbar in Brüssel nicht zur Kenntnis nehme. Großbritannien sollte sich deshalb so schnell wie möglich von Europa trennen.
Evans-Pritchard: „Gerade wenn man gedacht hat, daß die EU nicht noch weiter gehen könnte auf dem Pfad der autoritären Ausschweifungen, kommt es noch schlimmer... Funktionäre und EU-Finanzminister werden über den Haushalt der Briten (oder der Holländer oder der Dänen oder der Franzosen) urteilen, bevor die gewählten Gremien dieser antiken und souveränen Nationen die Vorschläge überhaupt zu Gesicht bekommen haben.“ Demagogisch fragt er: „Haben wir nicht den englischen Bürgerkrieg gekämpft und einen König getötet, weil es um dieses Privileg ging?“
Dann vergleicht er die Brüsseler Machtübernahme, mit der Austerität und Deflation durchgedrückt werden soll, mit der Brüningschen Zerstörung von Weimar und Lavals Zerstörung der dritten französischen Republik, bevor dieser zum „Nazi-Vollstrecker von Vichy“ wurde. Typischerweise schreibt Evans-Prichard trotz seiner ansonsten bedeutungsschweren historischen Vergleiche kein Wort über den in diesen Tagen geführten, entscheidenden Kampf in den USA für die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems von Roosevelt 1933. Diese Politik ersparte den USA den europäischen Faschismus, den Leute wie Montagu Norman von der Bank of England tatkräftig befördert hatten.
Die neue britische Regierung aus Konservativen und Liberalen will extreme Sparmaßnahmen durchziehen. Man spricht in der britischen Presse bereits darüber, daß die Verschuldung aufgrund der vielen Schattenbudgets, so wie in Griechenland, um ein vielfaches höher sei als offiziell ausgewiesen. Die drastische Austerität will man dann doch wohl eher in „eigener Regie“ durchführen, statt sich die Politik durch kontinentaleuropäische Bürokraten vorschreiben zu lassen.
„Das war eine Währungsreform“, schrieb Christian Ortner am 18. Mai in der führenden Wiener Tageszeitung Die Presse über die EU-Pläne für den Super-Bailout. „Per währungspolitischem Staatsstreich wurden wir um unser bisher hartes Eurogeld gebracht.
Die meisten Bewohner von Euroland haben es möglicherweise nicht gleich bemerkt, aber in der Nacht von Sonntag auf Montag dieser Woche haben die europäischen Regierungschefs und Finanzminister nichts Geringeres als eine waschechte Währungsreform beschlossen und durchgeführt. Auch wenn ein grasgrüner Hunderter am Montag genauso aussah wie in der Woche davor: Es war plötzlich anderes Geld. Die Währung, mit der wir seit diesem Wochenende bezahlen, ist nicht die gleiche wie zuvor.
Indem die EZB am Wochenende dem politischen Druck der Regierungschefs nachgab und den Ankauf von Staatsanleihen der Pleitekandidaten begann - was ihr Chef Trichet noch Tage zuvor ausgeschlossen hatte -, unterwarf sie sich dem Primat der schuldensüchtigen Politiker der Eurozone. Neue Regeln, neue Währung.
Nicht nur das Ende der Unabhängigkeit der EZB führte zu einer De-facto-Währungsreform, sondern auch die sonntags verkündete - gesetzwidrige - Kollektivhaftung aller Euroländer für alle Euroländer... Bemerkenswert ist übrigens auch die verhaltensoriginelle Art und Weise, wie diese Währungsreform zustande kam: nämlich ohne daß ein einziger Volksvertreter dem vorerst zugestimmt hat; im Grunde also ein währungspolitischer Putsch.“
In Madrid setzt die argentinische Präsidentin Christina Fernandez de Kirchner ihre Angriffe auf die Austeritätspolitik des IWF, die Europa aufgedrängt wird, beim EU-Mercosur-Gipfel fort. Sie will in mehreren bilateralen Treffen sowie in ihrer Ansprache bei der Plenarsitzung des Gipfels berichten, wie der IWF Argentiniens Wirtschaft im Jahr 2001 zerstörte.
Gegen Reportern wiederholte Fernandez de Kirchner kurz nach ihrem Eintreffen in Spanien am 17. Mai ihre Metapher, die strukturelle Anpassungspolitik des IWF sei eine „schlechte Medizin“. Sie empfiehlt, den Arzt und die Medizin herauszuwerfen und einen anderen Weg einzuschlagen: Die Präsidentin wies darauf hin, was sie und ihr Ehemann, der frühere Präsident Nestor Kirchner in Argentinien erreichten, indem sie die IWF-Rezepte zurückwiesen. „Sie können keine Krise mit derselben Politik beseitigen, die diese ausgelöst hat“, betonte sie ausdrücklich. Fernandez de Kirchner forderte die Presse auf, sich an Albert Einsteins Worte zu erinnern: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Sie brachte erneut ihre Besorgnis über die EU-IWF-Austeritätspolitik zum Ausdruck, die beim nächsten G20-Treffen im Juni verabschiedet werden soll.
Die argentinische Präsidentin wird sich mit dem griechischen Premierminister Papandreou und dem irischen Premier Peter Robinson treffen und mit ihnen und anderen die verheerenden Einwirkungen der IWF-Schockpolitik auf Argentiniens Volkswirtschaft, die tödliche „freie Marktwirtschaft“ im Jahre 2001 diskutieren.
Wer sich - nicht nur in Spanien - von der brutalen Sparpolitik der EU und des IWF Profit erhofft, zeigen die Äußerungen des stellv. Vorstandsvorsitzenden der Banco Santander (Inter-Alpha-Gruppe), Alfredo Saenz. Dieser erklärte am 12. Mai bei einer Konferenz der Wirtschaftsschule ESADE, einer Hochburg der „Freien Marktwirtschaft“, die gerade vom spanischen Premierminister Zapatero verkündeten drastischen Kürzungen des Lebensstandards seien „essentiell“ und „unausweichlich“. Die Spanier sollten aufhören, die Finanzmärkte für die Krise verantwortlich zu machen, ihre Rolle sei „nicht die eines Spekulanten, statt dessen geben sie uns [!] Geld“. Außerdem pries er den privaten Sektor wegen seiner „Sparmaßnahmen“, die überflüssige Arbeitsplätze vernichtet und damit die „Produktivität gesteigert“ hätten. Jetzt müsse der öffentliche Sektor folgen!
Es ist bekannt, daß Saenz’ Chef, Emilio Botin, seit Monaten unglaublichen Druck auf die spanische Regierung ausübt, um die drastischen Kürzungen durchzusetzen. Spanien hat jetzt schon eine Arbeitslosigkeit von 20%; nach den neuesten verkündeten Maßnahmen der Regierung wird der Lebensstandard von 5 Mio. Rentnern, 2,8 Mio. Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Hunderttausender älterer Bürger, die auf Unterstützung angewiesen sind, und Zuschüsse für 400.000 Ehepaare, die das erste Mal Kinder bekommen, gekürzt werden. Außerdem sollen 6 Mrd. Euro an Investitionen der Regierung in öffentliche Projekte fallengelassen und die Rechte der Arbeitnehmer „strukturelle Arbeitsmarktreformen“ durchgesetzt werden.
Und all das, um ein bankrottes, imperiales Finanzsystem zu retten? Fernandez Kirchner hat recht: Erst kommen die Menschen - Schluß mit dem Wahnsinn!