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Neue Solidarität
Nr. 21, 26. Mai 2010

Finanzanalyst: Blair beseitigte Glass-Steagall

Nicolas J. Firzli, der Vorsitzende des in Paris ansässigen Kanadisch-Europäischen Wirtschaftsrates und frühere Manager von Axa Investment Managers, verfaßte einen langen Artikel zur Verteidigung von Glass-Steagall mit dem Titel „Finanzielle Orthodoxie und Bankregulierung: Die Lehren des Glass-Steagall-Gesetzes“, der in Analyse Financière, dem Magazin der angesehenen Französischen Gesellschaft der Finanzanalysten (SFAF) erschien.

Firzli macht für die gegenwärtigen Schwierigkeiten die „Gemütlichkeit“ der nationalen Regierungen gegenüber den großen Finanzkonzernen verantwortlich und auch ihr Akzeptieren der „zunehmenden Abschaffung der Kontrollmechanismen, die als notwendig für die ,Modernisierung’ der Volkswirtschaften bezeichnet wurde“. Nach einer angemessenen Beschreibung der Kampagne von Carter Glass und Henry Steagall für das Gesetz von 1933 schreibt Firzli: „Das Gesetz verhinderte mehr als sechs Jahrzehnte lang Mißbräuche... Von 1933 an galt: ,Händler sind keine Gutachter mehr’ und ,Kreditgeber hören auf, Berater zu sein’.“

Noch interessanter ist Firzlis Beschreibung der Rolle, die der ehemalige britische Premierminister Tony Blair persönlich bei der Abschaffung des Glass-Steagall-Standards spielte: „Mitte der neunziger Jahre entwickelten und praktizierten Bill Clinton und Tony Blair ,einen neuen Weg, Politik zu betreiben’ für die linke Mitte, die für viele Führer Europas, egal welcher Parteirichtung, zum Vorbild wurde: Um angeblich unvermeidliche Reformen durchzusetzen, die stets darauf abzielten, den Staat zu schwächen, und die öffentlichen Dienstleistungen und die umfassenden Regulierungen abzubauen, holten sich Clinton und Blair den Rat ,neutraler’ Experten aus den New Yorker Investmentbanken und den Bostoner Beraterfirmen. Tony Blair heuerte sogar McKinsey an und überließ ihnen ganze Sektoren der britischen Regierungspolitik.“

Blairs Politik sei unter Bush fortgesetzt worden. Wie Paul O’Neill berichtete, der Regulierungen durchsetzen wollte, hätte Bushs Gefolgschaft, trotz des Enron-Skandals nichts als Verachtung für die Experten des Finanzministeriums geäußert, die sie als „sterile Akademiker“ bezeichneten, die sich im allgemeinen „in ihren Gedanken verlieren“.

„Die Verachtung für die Akademiker und Wirtschaftsexperten des Finanzministeriums (genau jene Leute, an die sich Senator Carter Glass 1932-33 wandte) ist ein Kennzeichen eines gefährlichen zivilisatorischen und intellektuellen Niedergangs... Wir erleben eine voranschreitende Schwächung des rational-humanistischen Paradigmas der Renaissance und der Aufklärung, und damit einhergehend das Aufkommen eines neuen politischen Paradigmas, das auf der permanenten Manipulation der nationalen kulturellen Symbole und der Nutzung effektvoller Ankündigungen in den Medien beruht.“

Firzli schließt: „Ganz anders ist heute die Lage im post-kommunistischen China, das zwei große Gesetze in Kraft setzte, die von Glass-Steagall inspiriert waren: das Gesetz über die Geschäftsbanken von 1995, ergänzt durch das Gesetz über den Aktienhandel von 1998 (in Kraft gesetzt genau zu dem Zeitpunkt, als die Vereinigten Staaten anfingen, die Abschaffung von Glass-Steagall zu erwägen). Vor allem um ihre wirtschaftliche Effizienz besorgt, entschieden sich die chinesischen politischen Eliten für eine strikte Trennung zwischen Depositenbanken und Investmentbanken: Von allen Industriestaaten ist China das Land, dessen Finanzsystem die Krise am besten überstanden hat.“

kav