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Neue Solidarität
Nr. 27, 1. Juli 2009

Mit Mehrheit in den Tod getrieben?

Aus aktuellem Anlaß erinnern wir an eine wichtige Grundsatzerklärung von Prof. Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, vom 21.03.2001, die in der Neuen Solidarität 12/2001 abgedruckt wurde.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Hoppe, verfaßte folgende Grundsatzerklärung, die wir leicht gekürzt wiedergeben.

Ethische Werte sind keine Modeerscheinungen der Postmoderne, ethische Prinzipien sind Prinzipien des Humanismus, ihrem Wesen nach unverbrüchlich, vielleicht sogar naturgegeben. Wie schnell allerdings solche Werte durch Ignoranz, Ideologie oder schlicht durch eine Gebrauchsethik ersetzt werden können, zeigt schon ein kurzer Blick zurück in die Vergangenheit.

Das Euthanasie-Programm der Nazis, die Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens, nahm seinen Anfang in der Diskreditierung des Verbots aktiver Sterbehilfe. Erst als Tötung auf Verlangen gesellschaftlich akzeptiert erschien und das unbedingte Lebensrecht des Menschen an sich schon nichts mehr galt, begannen die Nazis mit der Massentötung behinderter Menschen. Der Bevölkerung wurde dann eingeredet, man täte den „armseligen Kreaturen“ - wie es damals hieß - nur einen Gefallen und gewähre ihnen deshalb den „Gnadentod“.

Ohne die Gleichgültigkeit bzw. schweigende Zustimmung in der Bevölkerung hätten diese Mordtaten an psychisch Kranken, geistig und körperlich Behinderten so nicht geschehen können.

Warum dieser kleine Exkurs in die Geschichte? Ich glaube, daß ethische Werte verteidigt werden müssen, wenn sie bewahrt werden sollen. Daß man für die Werte des Humanismus kämpfen muß und daß Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber den Schwächeren der Anfang vom Ende sind.

Schon seit Jahren wird - in unterschiedlicher Intensität - über die Legalisierung aktiver Sterbehilfe diskutiert... Die Entscheidung des niederländischen Parlaments hat die Debatte über Sterbehilfe auch hierzulande neu entfacht. Denn auch in Deutschland gibt es eine Bewegung, die auf die Abschaffung des Paragraphen 216 des Strafgesetzbuches hinarbeitet, im dem die Tötung auf Verlangen unter Strafe gestellt ist. Die Befürworter der aktiven Sterbehilfe geben Mitleid als Hauptmotiv für ihre Forderungen an und reklamieren das Recht eines jeden auf einen „selbstbestimmten Tod“. Ärzte sollten dieses Recht anerkennen und ihre Patienten nicht nur sterben lassen, sondern ihnen sogar zum Sterben verhelfen, so die Forderung der Euthanasie-Befürworter...

Euthanasie ist die bewußte und gezielte Tötung von Menschen, sei es auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten oder - auch das gibt es bereits in Holland - in der Annahme, daß dies dem Wunsch des Patienten entspreche. Gerade darin liegt eine der großen Gefahren einer Legalisierung der Sterbehilfe: Es könnte ein gesellschaftliches Klima entstehen, das Sterbehilfe zum Mittel der Wahl erklärt bei schwerstkranken, lebensmüden Menschen.

Es ist aber nicht nur eine Verpflichtung der Ärzte, sondern aller Menschen in diesem Land, die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens anzuerkennen und zu bewahren.

Würden Ärzte sich an Euthanasie beteiligen oder sogar selbst Hand anlegen, wäre dies eine völlige Umkehr des ärztlichen Auftrags. Ärzte sollen Leben erhalten und Leiden lindern und nicht töten. Deshalb wenden wir uns mit aller Macht gegen jeden Versuch, Ärzte zu staatlich legitimierten „Euthanantikern“ zu machen.

Die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung vom September 1998 bestärken Ärztinnen und Ärzte, sich weiterhin daran gebunden zu fühlen, Leben zu erhalten. Sie heben aber auch hervor, daß es trotz dieser Pflicht zur Lebenserhaltung Situationen geben kann, in denen Maßnahmen zur Lebensverlängerung nicht mehr angebracht sind. Ein Behandlungsabbruch ist jedoch auch dann nicht gestattet. Lediglich das Behandlungsziel kann in Richtung palliativmedizinischer Maßnahmen verändert werden, wenn die Leidensminderung das vorrangige Therapieziel ist. Dies möchte ich besonders hervorheben, um klarzustellen, daß die Bundesärztekammer jede Form von Tötung durch Unterlassung strikt ablehnt. Und deshalb auch hat der Arzt unabhängig von dem Ziel einer Behandlung in jedem Fall für eine Betreuung seiner Patienten zu sorgen.

„Ärzte in den Niederlanden dürfen jenen Patienten, die unerträglich leiden und keine Aussicht auf Heilung haben, bei Beendigung des Lebens helfen“, so die gefällige Umschreibung des Tatbestandes, daß Ärzte dort künftig völlig legal ihre Patienten „euthanasieren“ dürfen, wenn diese es wünschen. Inwieweit dabei auch die Bedürfnisse der nächsten Anverwandten hineinspielen können, möchte ich zunächst dahingestellt lassen.

Im Jahre 2000 sind nach offiziellen Angaben 2216 Fälle von Euthanasie gemeldet worden. Offiziös wird aber davon ausgegangen, daß mindestens 4000 Menschen durch ärztliche direkte Tötung oder ärztlich assistierten Suizid ihr Leben verloren. Mehr als tausend von ihnen sind gestorben, ohne vorher den ausdrücklichen Wunsch oder die Einwilligung in eine Euthanasiemaßnahme geäußert zu haben, weil sie es wegen Geschäftsunfähigkeit gar nicht konnten. Ähnliche Praktiken, die allesamt auf eine schleichende Akzeptanz der Tötungshandlung hinauslaufen, sind auch in den USA, in Kanada, Australien und der Schweiz zu beobachten.

Die Ärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland lehnt - und zwar mit ganz überwiegender Mehrheit - Euthanasie im Sinne einer aktiven Sterbehilfe durch Tötung strikt ab. Unter anderem aus folgenden Gründen:

1. Die Gefahr des Mißbrauchs ist, wie in den Niederlanden schon evident, übergroß.

2. Der ärztliche Auftrag besteht darin, Gesundheit zu erhalten, Krankheiten zu heilen, Leiden zu lindern und Trost zu spenden, nicht aber zu töten. Es darf nicht dazu kommen, daß Patienten sich fragen müssen, ob ihr Arzt ihnen helfen will oder auf ihre Tötung hindenkt.

3. Eine Abschaffung oder auch nur eine Relativierung des Tötungsverbots würde unweigerlich auf eine schiefe Ebene führen. Ein Nachgeben beim Wunsch nach aktiver Sterbehilfe würde nämlich schnell zu einer drastischen Absenkung der Hemmschwelle und zu einer Desensibilisierung des Gewissens, gerade auch bei Ärztinnen und Ärzten und Pflegekräften, führen. Die Neigung, lebensbedrohlich erkrankte Menschen rasch aufzugeben, würde sicher zunehmen.

Und auch der Druck auf diejenigen Patienten, welche sich nicht den Tod wünschen, sondern bis zum letzten Atemzug zu hoffen wagen, würde unerträglich steigen. Diese Patienten würden möglicherweise sogar immer wieder mit der Entscheidung Sterbewilliger konfrontiert und damit in eine Erpressungssituation gebracht. Entscheidungsunfähige, schwerbehinderte oder schwerstkranke Menschen würden wahrscheinlich überhaupt nicht mehr nach ihrem Willen befragt...

Deshalb: Jeder hat das Recht auf einen würdigen Tod; niemand aber hat das Recht darauf, getötet zu werden.