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Neue Solidarität
Nr. 22-23, 27. Mai 2009

BüSo-Parteitag zur Europawahl

Auf einem außerordentlichen Parteitag diskutierte die BüSo über die Wirtschafts- und Finanzkrise und vor allem die Krise des Gesundheitswesens.

Mit einem außerordentlichen Parteitag hat die Bürgerrechtsbewegung Solidarität die heiße Phase des Europawahlkampfs eröffnet. Über 100 Mitglieder und Gäste versammelten sich am 17. Mai in Frankfurt, um über die wichtigsten Probleme zu diskutieren, die im europäischen und internationalen Rahmen gelöst werden müssen.

Nachdem die BüSo auf einem Europawahlparteitag am 26. Oktober 2008 inmitten des voranschreitenden globalen Finanzkrachs die Kandidatenliste für die Europawahl gewählt hatte, waren Anfang diesen Jahres die erforderlichen 4000 Unterstützungsunterschriften gesammelt worden, so daß die BüSo Ende März vom Bundeswahlleiter ohne Beanstandungen zur Europawahl zugelassen wurde.

Neben der Hauptrede der BüSo-Bundesvorsitzenden Helga Zepp-LaRouche sprachen auf dem Parteitag als Gäste auch der Vorsitzende der französischen Schwesterpartei Solidarité et Progrès Jacques Cheminade, der stellv. Vorsitzende der schwedischen EAP Ulf Sandmark und der Vorsitzende des dänischen Schiller-Instituts Tom Gillesberg (siehe nebenstehende Auszüge).

Elke Fimmen vom BüSo-Bundesvorstand begrüßte als Versammlungsleiterin die Anwesenden und übergab nach Darbietung eines Chorstücks („Auf Gott allein will hoffen ich“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy) das Wort an die Bundesvorsitzende Helga Zepp-LaRouche. In ihrer Grundsatzrede schilderte sie die heutige Weltlage in ihrer Entwicklung seit der dramatischen Auflösung des Bretton-Woods-Systems der Nachkriegszeit 1971.

Sie erinnerte daran, daß ihr Ehemann Lyndon LaRouche nicht nur seit langer Zeit vorausgesagt hat, was die Financial Times Deutschland jetzt als die „schlimmste Krise der Menschheit“ beschrieben hat, sondern diese auch als wirkliche Zusammenbruchskrise weit schlimmer als eine Wirtschaftsdepression eingeschätzt hat. Entgegen aller Propaganda des Establishments seien keinerlei Anzeichen für einen Aufschwung in diesem kollabierenden System zu entdecken, und wenn das, was auf dem G-20-Gipfel in London vor kurzem beschlossen wurde, die letzte Weisheit der heutigen Elite sei, wäre der Zusammenbruch der Weltwirtschaft unausweichlich und eine weltweite Hyperinflation die unmittelbare Folge. Die 25 Billionen Dollar, die bereits in die Finanzblase gepumpt wurden, wobei der G-20-Gipfel allein für 5 Billionen an reinem Geldnachschub gesorgt hat, gäben eine Vorstellung von dem Ausmaß der Hyperinflation, die auf uns zu rollt. Jacques Attali, der frühere Berater des verstorbenen französischen Präsidenten François Mitterrand, habe im vergangenen Herbst von einer Finanzblase von 1,4 Billiarden Dollar gesprochen, die sich seither weiter massiv vermehrt hat.

Wenn wir nicht dafür sorgen, daß das globale Wirtschafts- und Finanzsystem nach den Kriterien der physischen Ökonomie wiederaufgebaut wird, werde der Zusammenbruchsprozeß in einem neuen dunklen Zeitalter enden, in dem wahrscheinlich zwei Drittel der jetzigen Weltbevölkerung ausgelöscht würden.

Frau Zepp-LaRouche gab dann einen Überblick über die einzelnen Schritte des Zusammenbruchs, der im Grunde schon 1971 begonnen hätte. Als damals, im August 1971, das alte Bretton-Woods-System der Nachkriegszeit abgeschafft wurde, habe Lyndon LaRouche bereits vor einem drohenden neuen Faschismus gewarnt, falls sich der harte Kern der imperialen Monetaristen durchsetze. Sie nannte im einzelnen die aggressive Verbreitung der grünen Ideologie durch die 68er Generation, den Ölpreisschwindel Mitte der siebziger Jahre, die anschließenden Studien des „Project for the 1980s“ des New Yorker Council on Foreign Relations, die Austeritätspolitik von Thatcherismus und Reaganomics, den Finanzkrach vom Oktober 1987, gefolgt von den Asien- und Rußlandkrisen und dem Beinahezusammenbruch des Hedgefonds Long Term Credit Management (LTCM) in den neunziger Jahren als eindeutige Belege dafür, wie recht LaRouche mit seinen Warnungen gehabt habe.

Gegen den Kosten-Nutzen-Kult

Genauso hätten sich LaRouches Vorbehalte gegen die Präsidentschaft Barack Obamas bewahrheitet, den die LaRouche-Fraktion in der Demokratischen Partei während des Wahlkampfes 2008 aus gutem Grund nicht unterstützt, sondern auf die Kompetenz von Hillary Clinton gesetzt hätte. Jetzt zeige sich erst, warum britische Großspekulanten wie George Soros Obama mit Hunderten Millionen Dollar unterstützt hätten. Leute in der neuen Administration wie Larry Summers (Vorsitzender des Wirtschaftsberaterstabes), Peter Orszag (Direktor des Office of Management and Budget) und Finanzminister Geithner (früherer Chef der Federal Reserve in New York) seien dafür bestimmt worden, die billionenschweren Rettungspakete für die Banken zu organisieren.

Nur folgerichtig seien deshalb, so Helga Zepp-LaRouche, die jetzt von Obama angekündigten tiefen Einschnitte in die amerikanische Gesundheitsversorgung. Für viele sei es ein Schock, daß sich die US-Regierung damit auf dem Weg in eine neue Ära der Nazimedizin befinde, deren Verbrechen der amerikanische Arzt Leo Alexander bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1946-47 im einzelnen belegt hatte (siehe auch die Dokumentation in dieser Ausgabe der Neuen Solidarität). Besonders Peter Orszag sei Verfechter eines rücksichtslosen Kosten-Nutzen-Denkens im Gesundheitswesen, das nur danach frage, ob eine medizinische Behandlung „noch etwas bringe“. Obamas entsprechende Äußerung, daß er überlegt habe, ob seine Mutter in hohem Alter noch eine neue Hüfte bräuchte, entspreche der „kleinen Verschiebung“ im Denken, das nach Darstellung von Dr. Alexander den Nazis den Einstieg in die Vernichtungsprogramme zunächst für geistig Behinderte und Todkranke und dann für den Massenmord an den Juden erlaubt hätte.

Lyndon LaRouche habe es auf sich genommen, heute erneut zu fordern, den Anfängen zu wehren. Obamas geplante Gesundheitsreform sei ein Angriff auf die amerikanische Verfassung, die ausdrücklich den Schutz des menschlichen Lebens und das Recht jedes Bürgers auf das Streben nach Glückseligkeit als Staatsziel vorgibt.

In Deutschland, so Frau Zepp-LaRouche, sei das Gesundheitswesen nach mehr als 16 Jahren „Reformpolitik“ ebenfalls unter die Räder gekommen, und weitere massive Einschnitte stünden bevor. Genauso wie die BüSo entschieden für die Erhaltung des einmal vorbildlichen deutschen Gesundheitssystems eintrete, kämpfe sie auch gegen den Neoimperialismus der Europäischen Union und des Lissabonner Vertrages bzw. die destruktive Politik der Welthandelsorganisation. Europa brauche einen Wiederaufbau wie in Amerika unter Roosevelts New Deal der dreißiger Jahre, der letztlich Europa damals vom Faschismus befreite. Ein solcher Ansatz sei durchsetzbar, weil viele in Europa noch eine Vorstellung von der Weimarer Hyperinflation hätten. Und auch die Erinnerung an die Spanische Grippe von 1918, an der damals weltweit bis zu hundert Millionen Menschen starben, könne verhindern helfen, daß die Barrieren gegen die Ausbreitung neuer Pandemien heute noch weiter eingerissen werden.

Die US-Präsidentschaft müsse von ihren entsetzlichen Beratern befreit werden, damit das „unsichtbare Amerika“ wieder repräsentiert und die Politik Franklin Roosevelts wiederbelebt werden kann.

Am Schluß ihres Vortrags sagte Frau Zepp-LaRouche, es sei unabdingbar, Europa wieder auf den höchsten Stand seiner kulturellen Entwicklung zurückzuführen, ausgehend von Nikolaus von Kues’ Werk Concordantia Catholica, über Christoph Kolumbus, der die Ideen des Nikolaus zur Besiedlung der neuen Welt aufgriff, bis zur Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Über Alexander Hamiltons Politik der produktiven Kreditschöpfung schließe sich der Kreis über Friedrich List und Bismarck, die die Methode der industriellen Kreditfinanzierung nach Europa brachten.

Grundlage einer solchen Politik sei ein Menschenbild, das dem monetaristischen Kosten-Nutzen-Kult der heutigen Verhaltensökonomen diametral entgegengesetzt sei. „Wir brauchen eine neue kulturelle Renaissance“, sagte Frau Zepp-LaRouche, um das Erbe des klassischen Griechenlands, der andalusischen und italienischen Renaissance, der französischen Geschichte von Jeanne d’Arc und Ludwig XI. sowie der deutschen Klassik wiederzubeleben. Nur so werde sich das Paradigma des sogenannten „freien Marktes“ überwinden lassen, welches genauso zum Scheitern verurteilt ist, wie es das Sowjetsystem 1989 war. Wir müssen aus der Zusammenbruchskrise mit noch größerer Entschlossenheit hervorgehen, wie sie nach 1945 herrschte, aber nie umgesetzt wurde: „Nie wieder!“

Die Nichtwähler mobilisieren

In einer ersten Diskussionsrunde nach dem Hauptvortrag von Frau Zepp-LaRouche kam die Frage der Durchsetzbarkeit einer neuen, gerechten Weltwirtschaftsordnung auf. Helga Zepp-LaRouche rief in ihrer Antwort dazu auf, eine breite Widerstandsbewegung aufzubauen, um das ökologische Denken und den Eigennutz aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben. Nur so ließen sich die Madoffs und Neros von ihren einflußreichen Positionen verdrängen und die Nichtwähler mobilisieren, die mittlerweile die größte „Partei“ in Deutschland seien. Wir bräuchten eine globale Revolution der Art, die bereits Gottfried Wilhelm Leibniz als Ergebnis voraussagte, sollte sich der damalige Utilitarismus (heute Globalisierung genannt) weltweit ausbreiten - keine Neuauflage der Französischen Revolution, sondern eine neue Amerikanische Revolution.

Auch wandte sich Frau Zepp-LaRouche erneut gegen den offenen oder latenten Antiamerikanismus, der von den britischen Imperialinteressen geschürt werde. Die Vereinigten Staaten müßten eine zentrale Rolle im Wiederaufbau der Welt spielen, und wegen des einzigartigen Kreditschöpfungssystems des US-Kongresses sei ein neues Bretton Woods ohne den US-Dollar unvorstellbar.

In einer weiteren Antwort auf die Frage nach der Rolle der Kerntechnik betonte Frau Zepp-LaRouche, die modernen Reaktortypen der 5. Generation wie der inhärent sichere Hochtemperaturrektor, der sich bei einem Störfall selbsttätig abschaltet, seien für die zukünftige Energieversorgung weltweit von entscheidender Bedeutung. Genauso entscheidend sei die Rolle des deutschen Mittelstandes, der für den technischen Fortschritt viel wichtiger sei als die großen Konzerne. Die im Zuge der Globalisierung entstandenen Megakonzerne müßten wieder entflochten werden, damit überhaupt wieder normale Wirtschaftsstrukturen entstünden und der technologische Fortschritt nicht durch das Horten von Patenten behindert wird.

Deswegen müsse der Mittelstand in der jetzigen Zusammenbruchskrise vor der akuten Gefahr einer Kreditklemme und drohenden Insolvenz bewahrt werden.

Dieser ersten Diskussionsrunde folgte die Abstimmung über eine in der Tagesordnung angekündigte Satzungsänderung, wobei die anwesenden stimmberechtigten BüSo-Mitglieder dafür stimmten, daß mehrere Bundesländer zu einem Landesverband zusammengefaßt werden können, wie es bereits für den gemeinsamen Landesverband Berlin-Brandenburg der Fall ist. Für die bundesweite Präsenz der BüSo bei den kommenden Wahlen spielt das eine wichtige Rolle.

Die Krise des Gesundheitswesens

Die Nachmittagssitzung des Parteitags öffnete die Diskussion europäischen Themen und der Krise im Gesundheitswesen. Jacques Cheminade von Solidarité et Progrès berichtete, in Frankreich seien die Hürden zur Teilnahme an den Europawahlen so extrem hoch, daß für seine Partei eine Kandidatur unmöglich gewesen sei. Für die Aufstellung von Kandidaten müßten in jeder Region bis zu 100.000 Euro gezahlt werden - ein vollkommen undemokratisches System! Doch angesichts der Herausforderungen der Zukunft erinnerte Cheminade an Präsident Charles de Gaulle, der in einer Rede am 9. September 1962 die deutsche Jugend dazu aufgerufen hatte, sich der „wahren Mission ihrer großen Nation“ bewußt zu sein und mit der Jugend Frankreichs nicht nur zum Wohlergehen beider Nationen, sondern für den Fortschritt der gesamten Welt zusammenzuarbeiten. Wenn man Probleme lösen wolle, dürfe „Pessimismus niemals ein Menschenrecht“ sein!

Aus Schweden überbrachte Ulf Sandmark Grüße und berichtete vom Wahlkampfauftakt der schwedischen EAP, die wie die BüSo zu den Europawahlen antritt. Tom Gillesberg vom dänischen Schiller-Institut sagte in seiner Grußbotschaft, daß Deutschland als das „Land der Dichter und Denker“ die Aufgabe hätte, ganz Europa mit großen Ideen zu erheben, so wie es Dänemark derzeit auf seine Weise mit dem Bau großer Infrastrukturprojekte wie der Öresundbrücke und jetzt mit der geplanten Brücke über den Fehmarnbelt tut. Er erinnerte daran, daß zwei Dänen, Jens Baggesen und Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg, einen großen Beitrag zur deutsch-dänischen Freundschaft geleistet hätten, indem sie Friedrich Schiller in einer kritischen Lebenslage ganz uneigennützig finanziell unterstützten.

2009 ist Schiller-Jahr, in dem wir den 250. Geburtstag des großen deutschen Dichters feiern. Die BüSo plant deshalb, wie Kasia Kruczkowski, die Landesvorsitzende von NRW, in ihrem Diskussionsbeitrag ankündigte, Schiller-Feiern in mehreren deutschen Städten; in Essen stehe als Datum bereits der 30. Mai fest. Als Einstimmung darauf hatte zuvor bereits der Chor der LaRouche-Jugendbewegung die von Beethoven vertonte „Ode an die Freude“ vorgetragen.

Ein Großteil der abschließenden Diskussionsrunde beschäftigte sich mit den Angriffen auf das Gesundheitswesen. Es sei unverantwortlich, weltweit die Gesundheitsversorgung immer weiter abzubauen, während gleichzeitig die Bedrohung durch Pandemien wie die neue mexikanische Grippe zunehme, erklärte Helga Zepp-LaRouche auf Fragen aus dem Publikum.

Als Arzt und BüSo-Kandidat für die Europawahlen in Berlin nahm auch Dr. Wolfgang Lillge zu der Krise im Gesundheitswesen Stellung. Es sei besonders wichtig, die Frage des Umgangs mit Kranken in den Mittelpunkt zu stellen, denn daran zeige sich, welches Menschenbild hinter politischen Entscheidungen stehe. Wer nicht von der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens ausgehe, begebe sich in die Zwickmühle, zwischen Kosten und Nutzen bei der Behandlung von Kranken zu entscheiden und nicht die optimale Versorgung zu gewährleisten. Diese Kritik richtete sich auch an die führenden Ärztevertreter in Deutschland, die sich nicht in der Lage sähen, über den begrenzten Bereich der Gesundheitspolitik hinaus die eigentlichen Ursachen des zusammenbrechenden Gesundheitssystems in dem weltweiten Wirtschafts- und Finanzkollaps zu sehen. Dr. Lillge regte an, daß die BüSo das Recht auf Leben aggressiv gegen jede Bestrebungen von Sterbehilfe verteidigt - genauso wie es der Club of Life in den siebziger und achtziger Jahren im Fall des Dr. Hackethal und seiner „Sterbeklinik“ getan hätten („Nazi-Ärzte gab’s schon mal, lebenslang für Hackethal!“)

Man war sich einig, daß der Club of Life wieder eine wesentlich aktivere Rolle als wissenschaftliches Beratergremium für die BüSo spielen sollte, was Dr. Lillge noch damit unterstrich, daß er als ethischen Standard für jeden Arzt die Liebe zu den Menschen, das agape, unterstrich, wie es der Club of Life seit seiner Gründung der Menschenfeindlichkeit des Club of Rome entgegengesetzt hatte.

Zum Abschluß des Parteitags verabschiedeten die Teilnehmer ein „Frankfurter Manifest der BüSo“ (nebenstehend abgedruckt), in dem die oben diskutierten Grundprinzipien der Politik bekräftigt wurden.

wol

Lesen Sie hierzu bitte auch:
BüSo stellt Weichen für den Wiederaufbau der Welt
- Neue Solidarität Nr. 45/2008
Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)