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Neue Solidarität
Nr. 17, 22. April 2009

Die venezianischen Wurzeln der „Verhaltensökonomik“

Die Theorien der „Verhaltensökonomen“ beruhen auf den empiristischen Theorien von Paolo Sarpi und Jeremy Bentham.

Das Exposé der Zeitschrift Time am 13. April 2009 hat zwar ein wichtiges Schlaglicht auf eine gefährliche Krankheit geworfen, die unsere wirtschaftliche Entscheidungsfindung im Oval Office infiziert hat, doch berührt der Verfasser das eigentliche Übel, das diesem hedonistischen Wahnsinn zugrunde liegt, nur sehr oberflächlich.

Das bestialische Bild vom Menschen, das dem Dogma der sogenannten „Verhaltensökonomik“ zugrunde liegt und nach dem der Mensch seinem Wesen nach ein irrationales Geschöpf ist, das von den überwältigenden Impulsen, Lust zu suchen und Schmerz zu meiden, getrieben wird, stammt direkt aus Venedig, der Urquelle des gesamten modernen Finanz-Oligarchentums. Der geistige Vater dieses Konstrukts, das die menschliche Kreativität entschieden ablehnt, war Paolo Sarpi (1552-1623).

Dieser Serviten-Mönch, der zur führenden theologischen und juristischen Autorität des venezianischen Dogen aufstieg, führte einen Krieg gegen die Katholische Kirche, und obwohl er nominell zu den führenden Theologen gehörte, bestritt er die Existenz Gottes. In seiner Korrespondenz mit Francis Bacon, die durch den englischen Botschafter in Venedig, Henry Wotten, vermittelt wurde, argumentierte Sarpi, der Mensch könne die Welt nur durch seine Sinne kennen. So wurde Sarpi zum Urvater der radikalen, geistesfeindlichen Doktrin des Empirismus, die von den späteren Generationen der britischen Utilitaristen von John Locke über Bernard de Mandeville und Adam Smith bis zu Jeremy Bentham reichten.

Sarpi spielte eine führende Rolle in der venezianischen Fraktion der sog. Giovani (Jugend), die argumentierte, Venedig könne seine finanzielle und politische Vormachtstellung über Europa von seinem Standort an der Lagune von Venedig aus nicht halten. Sarpi und die Giovani förderten daher den protestantischen Bruch mit Rom und verlagerten Venedigs Macht nach Nordeuropa, indem sie durch die Gründung venezianisch kontrollierter Handelsunternehmen zunächst für den Handel mit Venedig, der Türkei und der Levante und schließlich der holländischen und britischen Ostindiengesellschaften nacheinander erst die Niederlande und dann England unter Kontrolle brachten. Gleichzeitig verbreiteten sie das empiristische Dogma, das seither stets den Schlüssel zur oligarchischen Macht darstellte.

Von Sarpis Nachfolgern, insbesondere dem radikalen Hedonisten Jeremy Bentham, leiten sich alle wesentliche Elemente der „Verhaltensökonomik“ ab. Tatsächlich wird dies in einem Papier, das 2004 von der London School of Economics der britischen Fabianer unter dem Titel Utility Theory from Jeremy Bentham to Daniel Kahneman („Die Nützlichkeitstheorie von Jeremy Bentham bis Daniel Kahneman“) veröffentlicht wurde, ausdrücklich dokumentiert.

Bentham schrieb in seiner Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung (die im wesentlichen von Sarpi abgeschrieben war): „Die Natur hat den Menschen der Herrschaft zweier souveräner Herren unterstellt, der Lust und dem Schmerz. Sie alleine zeigen uns, was wir tun sollen, und bestimmen, was wir tun werden... Jeder Versuch, ihre Herrschaft abzuschütteln, wird dies nur weiter demonstrieren und bestätigen. Das Prinzip der Nützlichkeit - das Prinzip des größten Glücks oder der größten Seligkeit - erkennt diese Herrschaft an und macht sie zu seiner Grundlage... Systeme, die versuchen, sie in Frage zu stellen, handeln in Willkür, anstatt in Vernunft, und im Dunkeln, anstatt im Licht.“

Bentham war in der Zeit, als Lord Shelburne den Vorsitz des Geheimausschusses der Britischen Ostindiengesellschaft führte, nicht nur ihr Chefphilosoph, er gründete während Shelburnes kurzer Amtszeit als Außen- und Premierminister auch den modernen britischen Geheimdienst.

Bentham machte den venezianisch gesinnten Shelburne durch eine gegen die amerikanische Unabhängigkeitserklärung gerichtete Hetzschrift auf sich aufmerksam. Darin schrieb Bentham: „Dies ,halten sie’ für eine ,selbstevidente Wahrheit’. Gleichzeitig sind sie überzeugt, daß eine Regierung gegründet werden soll, um diese Rechte zu sichern. Sie sehen nicht... daß nichts, was jemals als Regierung bezeichnet wurde, jemals ausgeübt werden konnte noch werden kann, es sei denn auf Kosten des einen oder anderen dieser Rechte, daß... das eine oder andere dieser angeblich unveräußerlichen Rechte veräußert wird. In diesen Behauptungen haben sie die Extravaganz aller früheren Fanatiker übertroffen.“

Benthams Haß auf die Amerikanische Revolution und die Prinzipien einer republikanischen Regierung stimmt völlig überein mit seiner Sarpischen Überzeugung, daß der Mensch schlicht und einfach eine Bestie ist. Daß Sarpi und Bentham die geistigen Väter der perversen Doktrin der hedonistischen Verhaltensökonomik sind, sollte in und um Obamas Weißem Haus einige patriotische Reflexe auslösen.

Jeffrey Steinberg