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Aus der Neuen Solidarität Nr. 9/2008 |
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Weil die Spekulationsblase platzt, will die Finanzwelt nun bei der Privatisierung öffentlicher Infrastruktur auf ihre Kosten kommen. In den letzten 15 Monaten wurden 72 neue Fonds gegründet, die insgesamt 120 Mrd. $ an Mitteln auftreiben wollen, um Infrastruktur aufzukaufen. 2007 waren es noch 19 Firmen, die insgesamt etwa 30 Mrd. $ für solche Käufe verwendeten.
Die Leute hinter diesen Fonds wollen sich einen Teil der Einkommensströme dieser privatisierten Infrastrukturen sichern, um nach dem Platzen der Blase zu überleben. Deshalb unterstützen sie die Koalition „Wiederaufbau der Zukunft Amerikas“, für die Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger und New Yorks Bürgermeister Bloomberg als Galionsfiguren fungieren. Bloombergs kaum verhohlener Präsidentschaftswahlkampf soll einem Korporativismus im Stile Mussolinis den Weg bereiten, um die Regierung zu schwächen und die Öffentlichkeit zu schröpfen. Gesteuert werden diese Projekte im Hintergrund von George Shultz und Felix Rohatyn.
Die weltweit führenden Akteure in diesem Privatisierungsgeschäft sind die australische Macquarie Infrastruktur-Gruppe, die mit der in Spanien ansässigen Firma Cintra/Ferrovial verbunden ist, Frankreichs Suez-Konzern, Halliburton sowie Goldman Sachs, Morgan Stanley und Lehman Brothers. Besonders gerne übernehmen sie Autobahnen und Flughäfen, aber auch langfristige Eigentumsrechte an Schulen, Stadtreinigung und anderen Regierungsfunktionen, insbesondere militärischen. So erhielt 2006 ein Konsortium unter Beteiligung von Ferrovial einen 30-Jahres-Vertrag über Bau, Einrichtung, Instandhaltung und Betrieb sämtlicher Schulen in Bradford in England. Ferrovial übernahm u.a. auch ganz oder teilweise die privatisierten Flughäfen Heathrow/London, Sydney/Australien, Belfast/Nordirland und Niagara Falls/USA.
Nach dem Skandal um die Société Générale müsse Paris, das jetzt hinter London an zweiter Stelle stehe, das Weltfinanzzentrum werden - dies schreiben der frühere französische Wirtschaftsminister Edmond Alphandéry, der frühere Chef von Europlace Arnaud de Bresson und der Chef von Lehman Brothers France Xavier Rolet in einem Kommentar, der am 15. Februar in Le Figaro erschien. Um Paris „konkurrenzfähiger“ zu machen, schlagen sie vor, außerhalb von Paris eine Art „Brutkasten“ für Hedgefonds und andere Finanzparasiten zu schaffen. Aus informierten Kreisen in Frankreich verlautet, daß einer der berüchtigsten französischen Synarchisten, der Bankier Felix Rohatyn, 2006 bei Lehman Brothers eingestiegen ist und dessen internationalen Beirat leitet. Das ganze Projekt trägt Rohatyns Handschrift.
Am Tag zuvor hatte Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde einen Entwurf für ein neues Gesetz präsentiert, um „öffentlich-private Partnerschaften“ (PPP) voranzutreiben. Unter den drakonischen Ausgabeverboten des Maastricht-Vertrages und des Stabilitätspaktes hat sich Frankreich bereits an privates Kapital gewendet, um grundlegende Infrastrukturen im Energiesektor oder Sportstätten zu finanzieren. Nun sollen auch Verkehrseinrichtungen und Gefängnisse privatisiert werden. Bisher wurden Privatisierungsprojekte im Umfang von 10 Mrd. Euro genehmigt: Flughäfen, Schulen, Autobahnen, Wasserwerke und viele grundlegende Regierungsfunktionen. Frankreich liegt in dieser Hinsicht aber immer noch weit hinter Großbritannien zurück, wo 15% aller öffentlichen Dienstleistungen über PPPs laufen werden.
Lagardes Vorschlag soll die Prozeduren vereinfachen und die hohen Steuern senken, die in Frankreich die PPPs behindern. Bisher mußten die kommunalen und staatlichen Behörden für die Genehmigung für PPP-Geschäfte nachweisen, daß sie in einer Notlage oder anderen ungewöhnlichen Umständen stecken. Lagardes Gesetzentwurf erlaubt, zur Freude der Bankiers, auch bloß „höhere Effizienz“ als Kriterium.
Eine Folge des Kollapses des „Verbriefungsmarktes“ ist, daß kommunale Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen - von Krankenhäusern und Museen bis hin zu den Wasserwerken - mit explodierenden Zinskosten konfrontiert sind, da sie kaum noch Käufer für ihre Anleihen und andere Wertpapiere finden. In Amerika ist ein Teil des Markts der Kommunalanleihen, der 330-Mrd. $-Markt der „Wertpapier-Auktionen“ aus Mangel an Käufern faktisch zum Stillstand gekommen. Ende Februar sind allein innerhalb drei Tagen rund tausend Auktionen gescheitert. So stellte die Hafenbehörde von New York und New Jersey fest, daß sich die Kosten ihrer Schuldendienste auf 20% fast vervierfacht haben, während das New Yorker Metropolitan-Museum 15% bezahlen muß.
New Yorks Gouverneur Spitzer warnte unterdessen die Monoline-Versicherer, schleunigst frisches Kapital aufzutreiben, andernfalls werde der Staat New York ihnen das Geschäft mit den Kommunalanleihen entziehen und es an jemand mit größeren Mitteln veräußern, etwa Warren Buffetts Versicherungskonzern. Damit verblieben den Monoliners fast ausschließlich CDOs und anderer „Wertpapier-Giftmüll“, was ihren Untergang beschleunigen würde. Der drittgrößte Monoline-Versicherer FGIC kündigte am 15. Februar an, er werde sein Kommunalgeschäft vom übrigen Geschäft abspalten.
Die britische Regierung hat am 18. Februar die Hypothekenbank Northern Rock verstaatlicht und so die Staatsschulden mit einem Schlag um 90 Mrd. Pfund (rund 120 Mrd. Euro) vergrößert. Dies sollte ein Weckruf für alle sein, die sich noch gegen LaRouches „Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken“ (HBPA) wehren. Es sieht vor, eine „Brandmauer“ zwischen den Banken und den spekulativen Einrichtungen zu errichten und die Banken durch ein zweigleisiges Kreditsystem wieder mit Kapital auszustatten.
Gegner seines Vorschlags behaupteten fälschlich, LaRouches HBPA laufe auf eine Verstaatlichung der Banken hinaus. Die britische Entscheidung zeigt, daß das Gegenteil zutrifft: Während die Politik der Zentralbanken zu hyperinflationären Rettungsaktionen und Nationalisierungen führt, ist LaRouches Reorganisationsvorschlag das einzige Mittel, um die Banken zu retten, wieder mit Kapital auszustatten und so einen Wirtschaftsaufschwung in Gang zu setzen. Eine generelle Politik einer „Brandmauer“ zum jetzigen Zeitpunkt könnte eine Übernahme der Wirtschaft im Stile Mussolinis verhindern.
Während die Federal Reserve Bank und die Bank von England wiederholt Zinssenkungen vornahmen und so den Markt mit hyperinflationärem Geld überschwemmten, widerstand die Europäische Zentralbank solchen Eingriffen bisher, indem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet immer wieder vor den Risiken der Inflation warnte. Nun scheint es, daß die EZB durch die derzeitige Finanzlage gezwungen wird, wie die anderen Zentralbanken die Zinsraten zu senken, um zu versuchen, das bankrotte Finanzsystem zu erhalten. Am 7. Februar wiederholte Trichet auf einer Pressekonferenz seine üblichen Ausführungen über die Inflation, aber zum ersten Mal betonte er diesmal auch die Risiken für das „Wachstum“, was als Signal für eine kommende Zinssenkung interpretiert wurde.
Damit ist nicht gemeint, daß die EZB auf einmal ein Hort der Vernunft sei. Dies ist nicht der Fall, schließlich hat sie im letzten halben Jahr Hunderte Milliarden Euros in das Bankensystem gepumpt, um angeschlagene Banken über Wasser zu halten. So bewahrt die EZB spanische Banken vor dem Untergang, indem sie deren wertlose Ramschanleihen aus dem Immobiliensektor als Sicherheit für zinsvergünstigte Kredite annahm.
Das ganze zeigt aber nur, daß es innerhalb des Systems keine Lösung gibt und sich die Zentralbanken in einer Zwickmühle befinden: Ob Zinssenkungen oder Zinserhöhungen - alles führt in die Katastrophe. Nur eine Reorganisation des Weltfinanzsystems im Sinne des „Neuen Bretton-Woods-Abkommens“ wird zu einer dauerhaften Erholung der Weltwirtschaft führen.
Der zweite große Schock für das Finanzsystem bahnt sich an. Der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann sprach von einem „Tsunami“, schlimmer als die Krise der minderwertigen Hypotheken. Die Zahlungsunfähigkeit der sog. Monoliner (Anleihenversicherer), die hypothekengedeckte und andere Wertpapiere versichern, ist praktisch nur noch eine Frage von Tagen. Der Gouverneur von New York, Elliot Spitzer, stellte am 14. Februar ein Ultimatum: Wenn die Monoliner nicht innerhalb von fünf Tagen Geld auftreiben, um eine Herabstufung durch die Ratingagenturen zu vermeiden, werde er die Kommunalobligationen daraus abziehen. Vorher hatte der Großspekulant Warren Buffett angeboten, Versicherungen der Monoliner für Kommunalanleihen in Höhe von 800 Mrd. $ für ganze 5 Mrd. $ zu kaufen.
Eine Zahlungsunfähigkeit (oder Herabstufung) der Monoliner wird eine Herabstufung der von ihnen versicherten Papiere nach sich ziehen. Um kommunale Anleihen zu retten, haben New Yorker Behörden begonnen, sie abzuziehen und bei anderen Firmen zu versichern. Damit bleiben nur noch forderungsbesicherte Wertpapiere (CDOs), deren Wert gefährlich nahe an Null sinken wird.
Die Schweizer Großbank UBS sagt in einem neuen Bericht eine nächste Welle von Abschreibungen von mindestens 203 Mrd. $ voraus: 120 Mrd. an CDOs, 50 Mrd. SIVs (Zweckgesellschaften), 18 Mrd. hypothekengedeckte Papiere und 15 Mrd. Anleihen für fremdfinanzierte Übernahmen (LBOs). Die Zahlen sind noch konservativ, liegen aber beträchtlich über den bisherigen Abschreibungen von 150 Mrd. $ seit August 2007.
Bald wird auch die „Sondermüllanlage“ namens Europäische Zentralbank (EZB) zu stinken anfangen. Die EZB hat von den Banken finanziellen Müll in noch unbekanntem Umfang als Sicherheit für kurzfristige Kredite angenommen. Nach Angaben ihres Februar-Bulletins hielt die EZB Ende September 2007 wertgedeckte Wertpapiere (ABS) von 215 Mrd. $ als Sicherheit für Liquidität für Banken. Das entspricht 17% aller Sicherheiten, gegenüber 12% im Jahr 2006. Da seit September vermehrt hypothekenbesicherte Papiere benutzt werden, kann die Summe inzwischen doppelt so hoch sein.
Laut Statut darf die EZB keinen Ramsch als Sicherheit annehmen, und ihr Gouverneur Jean-Claude Trichet behauptet auch, das habe sich nicht geändert. Auf der letzten Pressekonferenz in Frankfurt mußte er auf drei verschiedene Fragen hin das gleiche dreimal wiederholen. Die EZB hat aber auch schon zugegeben, daß sie hohe Summen an „privaten“ ABS, d.h. ABS ohne Garantie einer staatlichen Stelle, angenommen hat. Die Federal Reserve etwa tut das nicht.
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