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Aus der Neuen Solidarität Nr. 19/2008

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Die Frage des Prinzips: Das Projekt „Genesis“

Von Lyndon LaRouche
- 3. und letzter Teil -

Die folgende Schrift erschien im englischen Original am 14. März 2008; wir veröffentlichen sie in mehreren Teilen.

2. Anti-Entropie: Das Schöpfungsprinzip

Das Geheimnis unseres Universums besteht deshalb darin, daß nur Tiere oder bestialisierte menschliche Wesen - im schlimmsten Fall Malthusianer wie der frühere US-Vizepräsident Al Gore - nicht begreifen können, daß unter allen lebenden Gattungen die Menschheit, und nur die Menschheit, ihrer wahren, willentlichen Natur nach kreativ ist. Für ein denkendes menschliches Individuum gibt es in diesem Universum kein „Entropiegesetz“, sondern nur irreführende Erscheinungen, die sich bedauernswerte Menschen, manchmal sehr viele Menschen, in ihrer kultivierten Dummheit oder schlimmerem als solches vorstellen. Machen wir für diese schlechte Gewohnheit nicht unterschiedslos die gesamte Menschheit verantwortlich; schuld daran sind nur ganz bestimmte Leute, wie etwa die erbärmlichen Sophisten berühmter Zeitungen, die für das „Stilheft“ der New York Times verantwortlich waren, mit dem das wirkliche pythagoräische Komma menschlicher Kreativität von ihren Seiten getilgt wurde.

Das entscheidende Thema läßt sich hier in einem Satz zusammenfassen: Das Universum ist, wenn man es richtig von oben nach unten betrachtet, der Herrschaftsraum der Noosphäre!

Hunde, Affen und Menschen

Wer sich noch an die Rivalität zwischen den USA und den Sowjets beim „Wettrennen in den Weltraum“ der 50er und 60er Jahre erinnert, wird noch die Debatte darüber im Kopf haben, ob Hunde intelligenter als Schimpansen seien (die sowjetische Haltung). Um ehrlich zu sein, haben die Hunde den Wettstreit gewonnen. Entscheidend dabei ist, daß Hunde ein größeres Potential für eine scheinbare Annäherung an menschliche Intelligenz haben als erwachsene Schimpansen. (Jeder Hundeliebhaber, der auch mit den Charakterzügen der erwachsenen Schimpansen vertraut ist, wird sich mit dieser Aussage sicherlich anfreunden.) Um diese Frage zu entscheiden, sollte eine offene Aussprache über dieses Thema zwischen einem Trainer, der erwachsene männliche Schimpansen ausbildet, und dem stolzen und einfühlsamen menschlichen Begleiter eines Hundes genügen.

Wir sollten einmal so tun, als ob wir ein klein wenig schummeln, doch nur zu einem pädagogischen Zweck. Vergleichen wir erwachsene zahme männliche Schimpansen mit Hunden, die in einer Familie aufgewachsen sind. Eigentlich mogeln wir dabei gar nicht. Wenn man das Verhalten von Tierarten vergleicht, muß man die entsprechenden Eigenschaften des erwachsenen Artvertreters für die Menschheit betrachten, indem man erwachsene männliche Schimpansen, die schon als „Kinder“ Haustiere waren, mit der Entwicklung des jungen Hundes vergleichen, der in einer Familie zum ausgewachsenen Tier geworden ist.

Entgegen der Meinung mancher Kinder und Erwachsener entwickeln Hunde in Wirklichkeit keine menschliche Intelligenz; das, was der Familienhund annimmt, sollte man ein „Echo“ menschlicher Intelligenz nennen.23 Hierin übertrifft der Hund den Schimpansen. Der Familienhund entwickelt etwas, was scheinbar einer menschlichen Persönlichkeit ähnelt; er versucht die Persönlichkeit eines menschlichen Wesens zu simulieren (nachzuahmen) und sieht dabei in seinem Besitzer vielleicht jemanden, der in ethischer und familiärer Hinsicht die Autorität verkörpert, die Mutter, Vater oder einem menschlichen Geschwisterteil zukommt.24  Diese Besonderheit bemerkte schon Nikolaus von Kues, der über diese offenbare Simulierung menschlicher Intelligenz unter Tieren berichtete. Somit wird die Biosphäre von der Noosphäre „erzogen“.

Zur ersten klärenden Diskussion solcher Fragen könnte man sagen: Das, was der Hund vom Verhalten höherer Lebewesen, der Menschen, simuliert, erscheint wie „programmiert“ - aber (Gott bewahre!) niemals „digital“ programmiert. Nikolaus verglich Gott mit der „Seele“ des Menschen, sowie im Rahmen geeigneter Vorgaben den Menschen mit der „Seele“ des Tieres.

Der Inhalt der vorstehenden Absätze sollte als notwendige, kurze, spielerische, aber dennoch gültige Einführung angesehen werden, um eine Art Hintergrundorientierung für die Behandlung der eigentlichen Fragen zu geben, die ich jetzt aufwerfen werde.

Die Torheit der Sinnesgewißheit

Die menschliche Geistestätigkeit, die mit der Vorstellung ontologisch infinitesimaler Prinzipien in der Naturwissenschaft verbunden ist - wie bei Keplers Entdeckung der Gravitation (und auch Erkenntnissen wirklich klassischer Komposition, etwa bei J.S. Bach) -, ist unter allen bekannten Arten in unserem Sonnensystem beim menschlichen Individuum einzigartig. Wenn einige im menschlichen Gehirn fälschlich eine bloße Weiterentwicklung des tierischen Gehirns sehen, läßt diese Vermutung keinen Raum für wirklich noetische intellektuelle Kreativität der Art, wie sie Nikolaus von Kues, Kepler, Fermat, Leibniz, Riemann oder J.S. Bach, W.A. Mozart und Ludwig van Beethoven bewiesen haben. Dies ist eine Kreativität, die man im biologischen Wahrnehmungsapparat der Hirnfunktion von Säugetieren nicht antrifft.

Einen Fingerzeig zur Lösung dieses Rätsels findet man, wenn man ein gewisses durchgängiges Paradox bei Keplers Entdeckung der harmonischen Ordnung des Sonnensystems näher untersucht. Die Besonderheit an dieser Keplerschen Entdeckung, die selbst viele ernsthafte, doch irregeführte Wissenschaftler zur Weißglut getrieben hat, liegt darin, daß in Keplers Lösung der Hörsinn eine Rolle spielt, und zwar musikalisch definiert nach dem Prinzip des lydischen Intervalls und des Florentiner Belcanto-Gesangs. Ein Wissenschaftler, der massiv mit dem aristotelisch-euklidischen Sophismus indoktriniert wurde, wird fast immer völlig „ausflippen“, wenn er wie Kepler damit konfrontiert ist, daß diese Hörfunktion unentbehrlich ist. Dieses Paradox bedeutet nämlich, daß man nicht mehr getrost davon ausgehen kann, daß eine bloß visuelle Vorstellung von der Ordnung der Raumzeit des Universums ausreicht.

Das „Stimmen“ ist in der Wissenschaft pädagogisch äußerst nützlich, um den experimentellen Gegenstand zu definieren, wenn man vor dieser hochparadoxen Tatsache steht. Damit verwandt ist, daß alles dafür spricht, daß die physiologische Organisation der Hirnfunktion von Säugetieren nichts an sich hat, das die einzigartige Rolle des individuellen menschlichen Geistes bei der Reproduktion der Phänomene der Noosphäre erklären könnte. Es gibt etwas im Zusammenhang mit der Vorstellung der „Stimmung“, wie Keplers Entdeckung und auch J.S. Bach sie definierten, was diese experimentell offenkundige Einzigartigkeit erklärt.

Ein anderer Punkt, der durch ein solches „Gedankenexperiment“ eher offensichtlich wird, ist der: Wenn ein erfahrener Experimentator auf Keplers Abhandlung des Paradoxes der musikalischen Harmonien bei der Bestimmung der meßbaren Wirkungen des Gravitationsprinzips vernünftig reagiert, ist er gezwungen, die Tatsache zu akzeptieren, daß sein Sinneswahrnehmungsapparat ein Aufgebot von Instrumenten ist. In diesem Sinne muß er die verschiedenen „Zählerstände“ ablesen, die ihm diese angeborene Kombination von Versuchsapparaten liefert.

Deshalb kann sich etwas, das beinahe selbstverständlich, beinahe euklidisch oder kartesisch erscheint, wenn man nur einen der menschlichen Sinne berücksichtigt, im unwissenden Geist in eine große Verwirrung verwandeln, wenn zwei oder mehr menschliche Sinne, etwa Hören und Sehen gleichzeitig, angewandt werden, um ein gemeinsames Bild des Versuchsgegenstands zu definieren.

Zum Beispiel: Im relativ einfachen Fall hält es der naive Schüler für mehr oder weniger selbstverständlich, daß der astronomische Raum durch diskrete Objekte definiert ist, Planeten, Monde und Teilchen verschiedener Formen und Größen, die im Sonnensystem herumzuschweben scheinen, wenn man davon ausgeht, daß solche Phänomene in einem vermeintlich in sich kartesischem leeren Raum als Hintergrundmedium zu untersuchen sind. Ähnlich mögen die leichtgläubigen Anhänger Ernst Machs und Feinde Max Plancks, wie Ludwig Boltzmann, eine kindische Fehlinterpretation von etwas liefern, von dem sie annehmen, es ließe sich konzeptionell grundsätzlich auf ein System aneinanderstoßender Gasmoleküle reduzieren.

Wenn behauptet wird, diese mechanistische Darstellung sei eine ausreichende Erklärung der experimentellen Ergebnisse, dann sollte man erkennen, daß in diesen Fällen die experimentellen Phänomene nur im begrenzten Geist der mechanistischen Phantasie der aprioristischen Methoden von Aristoteles und Euklid interpretiert werden. Solange die Ideologen die Fakten weiter axiomatisch nach ihren reduktionistischen Grundannahmen auslegen, sind sie vielleicht mit ihren Formulierungen zufrieden. Das kann solange gut gehen, bis sie es mit einem Experiment zu tun bekommen, das zutiefst anomale Ergebnisse liefert, so wie es Riemanns Habilitationsschrift von 1854 zeigt, oder wie Kurt Gödel 1931 aufzeigte, daß Bertrand Russells Principia Mathematica ein Schwindel waren.25

Solche kindischen euklidisch-kartesischen Phantasien wie jene der Anhänger Machs und Russells sind der Ursprung der Verwirrung bei den Physikern, die in Jaulen und Heulen ausbrechen, wenn man ihnen Keplers harmonisches Gravitationsfeld des Sonnensystems (ohne die vermeintliche „Fernwirkung“)26 vorlegt, oder wenn sie es mit Plancks Arbeitsbereich zu tun bekommen, den die radikal reduktionistischen Nachläufer des Positivisten (d.h. radikalen Empiristen) Mach oder jemand wie Bertrand Russell als Quanten-„Mechanik“ mißverstehen. Dann genügen ein paar Worte eines Kurt Gödel oder Albert Einstein, um die Anhänger des radikal reduktionistischen Kults von Mach, Russell, Norbert Wiener, John von Neumann usw. in Anfälle ausbrechen zu lassen, die an das Entsetzen der leidenden Kreaturen am Ende von H.G. Wells’ Die Insel des Dr. Moreau erinnern.

Die Alternative zu reduktionistischen Phantasien der „Sinnesgewißheit“ ist, physikalische Raumzeit als wirkliches Kontinuum von Sein in Bewegung zu betrachten. Das heißt, als ontologische Eigenschaft des Seins zu akzeptieren, daß die „Bewegung“ grundsätzlich immer vorhanden ist und daß die Vorstellung, es gäbe etwas, das noch bewegt werden müßte, auszuschließen ist - wobei unter „Bewegung“ Wirkung im Sinne eines stetigen Entwicklungsprozesses zu verstehen ist. Das bedeutet dynamisches Sein, nicht im Sinne des sinnlosen reduktionistischen Begriffs „Thermodynamik“, sondern wie bei der Methode der Pythagoräer und Platons im Altertum oder der Anhänger von Nikolaus von Kues, Leonardo da Vinci, Kepler, Fermat, Leibniz, Riemann u.a. in der Neuzeit.

Ablehnung von Sinnesgewißheit bedeutet nicht Ablehnung der Rolle unserer Sinne als solches; vielmehr sollten wir erkennen, daß die Sinne nur in zweierlei Hinsicht unverzichtbar sind, wie gleich dargestellt wird. Was man kompetenter Wissenschaft zuliebe ablehnen muß, ist das hedonistische blinde Vertrauen in die „Sinnesgewißheit“.

Erstens sollte man würdigen, wie [die berühmte taubstumme Schriftstellerin] Helen Keller ihre scheinbar aussichtslose Lage überwinden konnte. Helen Kellers Leistung ist kein Grund, die Sinne, deren sie sich nicht bedienen konnte, abzuwerten, aber sie ist ein Grund, die von der Wissenschaft entwickelten neuen Instrumente kognitiver Methode und Anwendung schätzen zu lernen. Diese neuen Instrumente gestatten es der Menschheit, ansonsten versperrte Gebiete wie das Universum und die subatomare Raumzeit zu erkunden.

Zweitens haben uns die kompetenteren Strömungen der modernen Wissenschaft zwar gezeigt, daß das Bild von der Welt, das unsere Sinne uns vermitteln, nicht die wirkliche Welt ist, sondern bestenfalls deren getreuer Schatten - aber wir sind doch für unsere Erforschung der realen Welt des Unsichtbaren auf die Hilfe dieses Schattens als Anleitung angewiesen. Das Wichtigste an der Erkenntnis dieser Ironie ist, daß wir lernen müssen, jede naive Sinnesgewißheit - etwa die aprioristischen Sophismen von Aristoteles, Euklid und Descartes - zu verwerfen. Dann lernen wir, die uns mit der Geburt gegebenen Sinne und die Instrumente, die wir zu ihrer Ergänzung erfinden, so zu nutzen, daß wir immer mehr über die Natur des wirklichen Universums, das wir bewohnen, erfahren. Auf diese Weise und in diesem Prozeß entdecken wir das Wertvollste aller Geheimnisse der Wissenschaft: unsere wahre Identität und unseren Platz in diesem Riemannschen Universum als ganzem.

Noch einmal Riemann

Wenn wir uns mit der geistigen Störung namens „Sinnesgewißheit“ befassen, sollten wir von Anfang an in Rechnung stellen, daß das Problem der Sinnesgewißheit, wie es uns in der europäischen Kultur seit Platons Tod ständig verfolgt, ein Produkt des Aufstiegs jenes Sophismus ist, den Platon in seinen Dialogen angreift. Man muß also diesen Sophismus angreifen, speziell in der Form, wie er in Antike, Mittelalter und Neuzeit von Aristoteles und seinen bekannten Anhängern wie Euklid übernommen wurde.

Ich wiederhole: Es sind klare Belege dafür überliefert, daß die großen transozeanischen Seekulturen - deren Erfahrungen sich im alten Ägypten widerspiegelten, wie es Solon, die Pythagoräer und Platon kannten - über eine Wissenschaftsmethode verfügten, die sogenannte Sphärik, die weitgehend frei war von den Trugschlüssen, die ich zu Beginn dieses Kapitels angeprangert habe. Auch sollte man sehen, daß es im Laufe der antiken und mittelalterlichen Geschichte Europas bis zu dem großen Werk des Nikolaus von Kues, mit dem die moderne Wissenschaft begann, zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Spuren der von Platon verbreiteten, wissenschaftlich sinnvollen, vor-euklidischen Weltanschauung gegeben hat - wie etwa bestimmte Strömungen in Philos Judentum und im Christentum des Apostels Paulus.

In der gesamten neuzeitlichen europäischen Geschichte seit der Zeit von Kepler, Fermat und Leibniz bis zu Riemann tobte ein großer Kampf, in dem sich durch den imperialen Einfluß der Habsburger und ihre Inquisition und dann durch den Einfluß des anglo-holländischen liberalen Imperiums eine abwegige, sogenannte kartesische oder newtonische Einstellung in der Wissenschaft durchsetzte, der Apriorismus von Aristoteles, Euklid, Galileo und Descartes, bis Riemann dann mit seiner Habilitationsschrift von 1854 die Tür zur Wahrheit aufstieß.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß sich ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich unter der Führung von Kardinal Mazarin, Jean-Baptiste Colbert und Gottfried Leibniz Anklänge an Kues, Leonardo da Vinci und Kepler fanden. Dieser Fortschritt endete mit dem neuen Primat eines modernen Liberalismus während der anglo-holländischen liberalen Kriege, die im Februar 1763 den Aufbau des bis heute bestehenden britischen Weltreichs neu-venezianischer Prägung nach sich zogen. Auch die spätere große Renaissance des 18. Jahrhunderts, angeführt von Abraham Kästner, Gotthold Lessing, Moses Mendelssohn, Friedrich Schiller und der Ecole Polytechnique von Monge und Carnot, wurde vom Jakobinerterror und der räuberischen Herrschaft Napoleon Bonapartes zerschlagen.

Die Tyrannei der Habsburger Inquisition unter Großinquisitor Tomas de Torquemada auf der einen Seite und des anglo-holländischen Liberalismus von Paolo Sarpi und seiner Anhänger auf der anderen Seite hatte zu der Zeit den korrumpierenden Einfluß von Sarpis Liberalismus auf Wissenschaft, Kunst und Politik bereits massiv gefestigt. Die imperiale britische Tyrannei im Europa des Wiener Kongresses (als die Briten ab Anfang des 19. Jahrhunderts auch den transatlantischen Sklavenhandel übernahmen, den die spanische Monarchie auf Drängen des Briten John Locke begonnen hatte) beherrschte die Wissenschaft, bis es den Kreisen um den großen Organisator Alexander von Humboldt gelang, die große naturwissenschaftliche Revolution von Wilhelm Weber, Lejeune Dirichlet und Bernhard Riemann in Gang zu setzen. Heute aber herrscht in der europäischen Kultur, in unseren Schulen, Universitäten und der öffentlichen Meinung wieder der liberale Sophismus vor.

Der eigentliche Fortschritt der Wissenschaft in der letzten Zeit hing von der herausstechenden Einzelleistung von Genies wie Wernadskij und Albert Einstein ab. Von Riemanns Habilitationsschrift von 1854 geht die große, lange Welle wissenschaftlicher Revolution aus, auf der die größten nachfolgenden wissenschaftlichen Errungenschaften in der gesamten Zeitspanne von 1854 bis 2008 beruhen.

So bedeutend auch diese Revolution war, die Bernhard Riemann mit seiner Habilitationsschrift in Gang setzte - an dem großen Prinzip, mit dem er das Dunkel des euklidischen Aberglaubens erschütterte, war eigentlich nichts wesentlich Neues für die Wissenschaft der europäischen Zivilisation. Wenn man diese Habilitationsschrift von 1854 richtig versteht, weiß man, daß ihr Ursprung, ihre Folgen und ihre Bedeutung für heute schon damals vorgegeben waren.

Der wichtigste Ursprung moralischer Zersetzung in der modernen Naturwissenschaft nach Riemanns Habilitationsschrift war der große Schwindel namens „Thermodynamik“, den moralisch verkommene Kreise um Clausius, Grassmann und Kelvin in die Welt setzten. Beispielhaft für diesen Verfall ist bis heute ein Schwindel der modernen Mechanik, den man das „Zweite Gesetz der Thermodynamik“ nennt, ein Machscher Schwindel, dessen Folgen massenmörderisch sein können.

Die Betrachtungen, die ich bis hierhin angestellt habe, haben uns wiederholt bis nahe an die große Schlußfolgerung gebracht, die jetzt vor uns steht: den Begriff des ontologischen Infinitesimalen.

Die Noosphäre als solche

Das Konzept der Noosphäre entwickelte sich im wesentlichen aus Erkenntnissen aus der Herangehensweise von Mendelejew und Harkins in der physikalischen Chemie, die Wernadskij Mitte der dreißiger Jahre zusammenfaßte. Nicht selten sind Beobachter versucht, Louis Pasteur die Entdeckung eines Prinzips des Lebens zuzuschreiben - statt nur der Entdeckung entscheidend wichtiger Phänomene lebender Prozesse -, doch Pasteur selbst hat es immer abgelehnt, in dieser Frage voreilige Schlüsse zu ziehen. Damit hatte er völlig recht, denn ihm war bewußt, daß es zur Entwicklung adäquater Beweise einer entsprechenden Wissenschaftsmethode bedurfte.27 Noch heute müssen wir zurückhaltend sein, wenn es darum geht, Behauptungen über die Noosphäre aufzustellen; aber das, was wir über die Bedeutung der erwiesenen Existenz der Noosphäre wirklich wissen, muß auch akzeptiert werden, selbst wenn etliche tiefergehende Fragen noch nicht definiert sind.

So wie Wernadskij die Fragen über die Biosphäre geklärt hat, so müssen wir uns heute einer höheren Herausforderung stellen, der Noosphäre - so wie ich die Bedeutung der entsprechenden Fragen betone, die in der hier angesprochenen Arbeit von Woese u.a. implizit aufgeworfen werden. Lebensprozesse haben eine andere physikalische Chemie als nichtlebende Prozesse, wodurch ein spezifischer Phasenraum, die Biosphäre, definiert wird. Wie sollen wir uns dann dem übergeordneten Gegenstand, der Noosphäre, nähern?

Wir wissen, daß das russische Akademiemitglied W.I. Wernadskij die Noosphäre entdeckt hat. Wir wissen auch aus eindeutigen experimentellen Erkenntnissen, daß die Biosphäre funktionell von der Noosphäre beherrscht wird. Das bedeutet, daß die Biosphäre funktionell in der Noosphäre enthalten ist und daß man daher bei Verallgemeinerungen über die Biosphäre die übergreifende Rolle der Noosphäre niemals weglassen darf.

Es sei daran erinnert: Der Beweis für Wernadskijs Hypothese liegt in der Zunahme der akkumulierten Masse von allem, was der Phasenraum Biosphäre hervorbringt, d.h. der Masse, die spezifisch durch die Wirkung lebender Prozesse und deren Überreste entsteht. Das Wachstum der so definierten Biosphäre im Verhältnis zu dem Phasenraum, den nichtlebende Prozesse erzeugen, lieferte den erforderlichen Beweis, auch wenn eine kompetente experimentelle Definition des „historischen“ Ursprungs des Lebens selbst noch aussteht.

Der gleiche Maßstab, der zur Definition der Biosphäre erforderlich ist, ist auch auf die Noosphäre anzuwenden, allerdings mit einer deutlichen Einschränkung. Entscheidend ist der Beweis, auf dem jede kompetente physikalische Wirtschaftswissenschaft beruht: daß der Anteil der Masse unseres Planeten aus Produkten menschlicher Erkenntnis, die nicht durch andere Prozesse der Noosphäre entstehen können, prozentual ansteigt, hauptsächlich dank wissenschaftlicher und verwandter Fortschritte in den Zielen und Technologien menschlicher Gesellschaften.

Die entscheidende Tatsache, die dadurch zum Ausdruck kommt, ist, daß die Zunahme des Masseanteils der Noosphäre eindeutig das jetzt genau definierte Produkt der Noesis ist. Die entsprechenden Aktivitäten werden einzigartig durch ihren ontologisch infinitesimalen Ausdruck deutlich (wie ich bereits weiter oben betont habe) - wie bei Entdeckungen wahrer universeller Naturprinzipien, die in den reduktionistischen Methoden antiker Sophisten wie Aristoteles und Euklid oder im modernen Empirismus keinen Platz haben.

Dieses Unterscheidungsmerkmal der Noosphäre konfrontiert uns typischerweise mit dem paradoxen, anti-entropischen Fall, daß die Zukunft die Gegenwart bestimmt.28

Zum Beispiel: Bei der Biosphäre hatten wir den relativen Vorteil, daß wir sie definieren können, indem wir uns auf den höheren Organisationszustand im Universum beziehen, auf die Noosphäre (die die Biosphäre enthält). Einen solchen Vorteil haben wir nicht, wenn wir an die Frage der Noosphäre herangehen. Die paradoxe Wirkung beschränkt sich mehr oder weniger darauf, daß die Entdeckung eines Prinzips häufig zur Ursache einer qualitativen Änderung der Art des menschlichen Einwirkens (zum Beispiel) auf das Universum wird. Dies wiederum konfrontiert uns damit, daß die Entdeckung einer für die menschliche Praxis notwendigen Wahrheit (d.h. die klassische platonische Hypothese) tatsächlich existiert, noch bevor das entsprechende, neue experimentelle Prinzip negativ entdeckt worden ist.

Als Veranschaulichung, daß es solche Punkte gibt: Belege für eine scheinbar anomale Ordnung bestimmter Veränderungen im Krebsnebel deuten auf eine solche Anomalie hin, auch wenn sie, soweit bekannt, bisher noch nicht erwiesen ist.

Man betrachte beispielsweise die verwandte Tatsache, daß Leibniz sich von Fermats bemerkenswerter, einzigartiger Entdeckung des Prinzips der geringsten Wirkung dazu anregen ließ, die Autorität von Huyghens’ Zykloide umzuwerfen und ein universelles physikalisches Prinzip der geringsten Wirkung auf die analogen Funktionen zu gründen, die zu dieser Revolution in der Definition des Begriffs wahrer physikalischer Prinzipien führten.

Diese und verwandte Überlegungen führen uns zu drei großen Paradoxen:

Erstens: Die größten Augenblicke wissenschaftlicher Entdeckung sind die, in denen im Geist eines einzelnen Menschen eine zukünftige revolutionäre Veränderung der Ordnung des Universums menschlicher Praxis als unabänderliche Folge einer neuen Erkenntnis auftaucht - eines universellen Prinzips, das bisher noch nicht angewandt wird. Wie ist das möglich?

Zweitens: Was ist die geheimnisvolle, doch unbestreitbare Kraft in der Anlage des menschlichen Geistes, die es einem Menschen, aber keinem Tier ermöglicht, solche notwendigen prinzipiellen Änderungen der Gestaltung der Zukunft zu entdecken?

Drittens: Wie offenbart der Geist des einzelnen eine solche einzigartige Kraft, wenn es hierfür in der Biosphäre als solcher keinen Vorläufer gibt?

Ist es irgendein Prinzip des „Stimmens“? Hat die Entwicklung des geistig-biologischen Apparats die menschliche Gattung an einen Punkt geführt, wo sie auf eine höhere Macht des Universums „abgestimmt“ ist - eine höhere Macht, die sich nicht nur als echte Anti-Entropie äußert, wie sie der große Mathematiker des 18. Jahrhunderts Abraham Kästner definierte, sondern als oberstes universelles physikalisches Prinzip der Anti-Entropie? Philo von Alexandria verdammte die Aristoteliker, weil sie in der Theologie darauf bestanden, daß der Schöpfer sich selbst ewige Ohnmacht auferlegt hätte; dazu führte er die stärksten Argumente an, die eine so absurde Theologie, und damit implizit auch eine absurde aristotelische Wissenschaft wie bei Claudius Ptolemäus, widerlegen konnten.

Es gibt zwei Fälle eines solchen überragend wichtigen Verhaltens. Das eine ist das Universum in seiner Gesamtheit, das von einem anti-entropischen Prinzip bestimmt ist, welches es auf qualitativ immer höhere Organisationszustände hebt. Im anderen Fall, wie es in Genesis 1 dargestellt ist, wirkt die Menschheit auf ihren Platz im Universum auf ähnlich anti-entropische Weise ein. Bei diesem zweiten Aspekt ist es erwiesen, daß der menschliche Geist über eine Fähigkeit verfügt, die schon aufgrund der Definition an sich kein Produkt seiner Biologie ist, so wie wir Biologie heute definieren - sondern es ist eine Art „Einstimmen“ der menschlichen Denkweise auf diese Erkenntniskraft, die in niederen Lebensformen niemals nachgewiesen werden konnte. Diese Kraft des menschlichen Geistes ist aber in unserem Universum voll wirksam, wie das Wachstum der Noosphäre gegenüber der Biosphäre zeigt.

Nikolaus von Kues hat es einmal so dargestellt: Was unser Schöpfer des Universums gegenüber dem Menschen ist, das ist der Mensch, wenn er in seiner geistigen Macht und Pflicht zur Pflege der Hunde diesen Schöpfer nachahmt.

Ein bescheidenerer Punkt, der in diesem Zusammenhang vorzubringen ist, sind die Beweise dafür, daß das Universum von Natur aus anti-entropisch ist; und wenn die Menschheit überleben will, muß sie genauso handeln, wie der Schöpfer unser Universum regiert. Wir sind als Lebewesen darauf „abgestimmt“, uns in den Dienst der Anti-Entropie zu stellen - und wer eine gegenteilige Sicht vertritt, wie Al Gore und andere Malthusianer heute, ist böse, weil er sich in den Dienst der Entropie stellt.

In bezug auf die große Frage, die das Thema dieses Aufsatzes gebildet hat, befinden wir uns in einer Zwickmühle mit ähnlichen praktischen Folgen wie denen, die sich Louis Pasteur bei der Frage des Lebens stellten. Wir haben keine wirkliche Lösung; aber wir dürfen der offenen Frage, die nicht verschwinden wird, und ihren Implikationen für die heutige praktische Wissenschaft nicht ausweichen. Solange wir in der Wissenschaft diese Frage nicht stellen, werden wir auch keinen Ansatz zu ihrer Antwort entdecken.


Anmerkungen

23. Meine Frau und ich haben verschiedene Hunde „besessen“: mehrere Irische Setter, zwei große Pyrenäenhunde und einen West Highland White Terrier. Es gibt „Zuchtmerkmale“, aber es gibt auch entwickelte „Persönlichkeiten“, die sich als „Einsichten“ äußern, welche für den Hund und für die ihn als Welpen aufnehmende Familie spezifisch sind.

24. Wir hatten einen großen Pyrenäenhund, der einen West Highland White Terrier als Hundewelpen der Familie akzeptierte, aber dann mit den Jahren immer mehr darüber irritiert schien, daß dieser Welpe nicht größer werden wollte.

25. Kurt Gödel, „On formally undecidable propositions of Principia Mathematica and related systems“ (Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme), 1931, in Kurt Gödel Collected Work Vol. I (New York: Oxford University Press, 1986) S. 144-195.

26. Auch der Krebsnebel sollte sie deshalb zur Raserei bringen!

27. Siehe Lyndon LaRouche, „Vernadsky & Dirichlet’s Principle“, EIR, 3. Juni 2005. In deutscher Übersetzung: „Wernadskij und das Dirichlet-Prinzip“, in Fusion 2/2005.

28. Das war das „Geheimnis“ meines beispiellosen Erfolges als Prognostiker langfristiger Wirtschaftsentwicklungen.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Frage des Prinzips: Das Projekt „Genesis“ - 2. Teil
- Neue Solidarität Nr. 18/2008
Die Frage des Prinzips: Das Projekt „Genesis“ - 1. Teil
- Neue Solidarität Nr. 17/2008
Max Planck zum 150. Geburtstag: Von der Ehrlichkeit gegenüber der Natur
- Neue Solidarität Nr. 17/2008
Meine frühe Begegnung mit Leibniz: Über die Monadologie - Zweiter Teil
- Neue Solidarität Nr. 15/2008
Meine frühe Begegnung mit Leibniz: Über die Monadologie - Erster Teil
- Neue Solidarität Nr. 14/2008
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache

 

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