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Aus der Neuen Solidarität Nr. 8/2007 |
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Bei der Internationalen Sicherheitskonferenz in München traten die Gegensätze scharf zutage: Während die Washingtoner Kriegspartei die Werbetrommel für eine Eskalation des Konflikts am Golf rührte, konterte Rußlands Präsident Putin, indem er sich auf US-Präsident Franklin D. Roosevelt berief. Der Versuch, eine Weltherrschaft aufzurichten, werde den Souverän ruinieren.
Die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Zepp-LaRouche, stellte am 10. Februar in einem Radiointerview die aufsehenerregende Münchener Rede des russischen Präsidenten Putin in den Zusammenhang des inakzeptablen, gefährlichen Vorstoßes für ein anglo-amerikanisches Weltreich der „Globalisierung“. Sie war zu Gast in der wöchentlichen englischsprachigen LaRouche-Show, die über das Internet weltweit verbreitet wird.
Der Moderator Harley Schlanger sprach sie auf eine Artikelserie im Londoner Economist an, worin die Wiederkehr des britischen Empire in Form der Globalisierung gefeiert wurde. Sie antwortete: „Viele unserer Leser in aller Welt sagen sich wahrscheinlich: ,LaRouche mag in der einen oder anderen wirtschaftswissenschaftlichen Frage brillant sein. Aber übertreibt er die Bedeutung Englands nicht ein wenig?’ Die Bedeutung dieses Sonderteils des Economist liegt vor allem darin, daß sie nicht nur mit der historischen Rolle des Empire prahlen, sondern erklären, die Zeiten, in denen Großbritannien ,der kranke Mann Europas’ war, seien vorbei, London sei wieder das entscheidende Finanzzentrum. Damit meinen sie..., daß es das wichtigste Finanzzentrum für den Derivathandel der Hedgefonds und den Spekulationswahn der privaten Beteiligungsgesellschaften ist. Und sie machen sehr deutlich, daß sie das britische Empire wieder aufrichten wollen.“
Wenige Tage zuvor hatte Lyndon LaRouche bei einem Treffen mit Diplomaten betont, wer nur auf die Vorgänge im Irak und den drohenden Krieg im Iran achte, der übersehe die größte Bedrohung: die Globalisierung. Hinter ihr stünden Kräfte in London und deren politische Juniorpartner in der Regierung Bush-Cheney, die ein Weltreich errichten wollten. Nicht der Irak oder der Iran seien das eigentliche Ziel, sondern Rußland, China und Indien. (Auszüge aus dem Economist und aus LaRouches Rede finden Sie in dieser Ausgabe.)
Helga Zepp-LaRouche fuhr fort: „Ich glaube, das haben die Russen, die Chinesen und die Inder vollkommen verstanden. Wenn wir keinen Wechsel der Politik in den Vereinigten Staaten erreichen, dann bewegen wir uns geradewegs auf einen globalen asymmetrischen Krieg und den Dritten Weltkrieg zu.“ Die eindringlichste Bestätigung dieser Einschätzung LaRouches habe der russische Präsident Wladimir Putin am 9. Februar bei der jährlichen Münchener Sicherheitskonferenz (Wehrkundetagung) geliefert. Seine Rede „ließ es jedem, der nicht völlig verrückt ist, kalt den Rücken herunterlaufen... Er sagte, die Vereinigten Staaten versuchten, eine Weltherrschaft zu errichten, sie hätten die Grenzen in fast jeder Hinsicht überschritten und setzten auf den ungehemmten Einsatz militärischer Gewalt.“
Putin eröffnete seine Rede bei der Wehrkundetagung mit der Erklärung, er werde ohne die üblichen diplomatischen Höflichkeiten darstellen, was er „über die internationale Sicherheit wirklich denkt“. Gleich zu Beginn zitierte er den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und machte so deutlich, daß sich seine Rede nicht gegen Amerika, sondern nur gegen die Politik der derzeitigen Regierung richtete. „Es ist wohlbekannt, daß die internationale Sicherheit mehr umfaßt als bloß Fragen zum Militär oder zur politischen Stabilität“, meinte Putin. „Sie umfaßt die Stabilität der Weltwirtschaft, Überwindung der Armut, wirtschaftliche Sicherheit und die Entwicklung des Dialogs zwischen den Kulturen. Dieser universelle und unteilbare Charakter der Sicherheit drückt sich in dem Grundprinzip aus, daß ,die Sicherheit des einen die Sicherheit aller’ ist. Wie Franklin D. Roosevelt in den ersten Tagen nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sagte: ,Wenn der Frieden irgendwo gebrochen ist, ist der Frieden aller Länder überall in Gefahr.’ Diese Worte gelten noch heute, und das Thema unserer Konferenz - globale Krisen, globale Verantwortung - zeigt dies.“
Nach dem Kalten Krieg sei keine „unipolare Welt“ entstanden, und es sei falsch, zu versuchen, ein solches Modell durchzusetzen. „Natürlich gab es in der Geschichte der Menschheit Perioden der Unipolarität und von Versuchen, die Weltherrschaft zu erringen... Letztendlich bedeutet es praktisch nur eines: ein Machtzentrum, ein Kraftzentrum, ein Entscheidungszentrum. Es ist eine Welt mit einem Herren, einem Souverän. Und das ist letztendlich ruinös, nicht nur für alle, die in diesem System sind, sondern auch für den Souverän selbst, weil er von innen zerstört wird. Und das hat mit Sicherheit nichts mit Demokratie zu tun, denn wie Sie wissen, ist Demokratie die Macht der Mehrheit unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.“
Er halte das unipolare Modell nicht nur für inakzeptabel, sondern auch in der heutigen Welt für unmöglich. „Und das liegt nicht nur daran, daß die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Mittel nicht ausreichen würden, wenn es in der heutigen Welt - gerade in der heutigen Welt - eine einzige Führung gäbe. Noch wichtiger ist, daß das Modell an sich mangelhaft ist, weil seine Grundlage keine moralische Grundlage für die moderne Zivilisation bietet und auch nicht bieten kann.“
Trotzdem werde heute versucht, dieses Modell zu verwirklichen. „Was ist das Resultat?“, fragte Putin. „Einseitige, oft illegitime Aktionen haben kein einziges Problem gelöst. Sie haben neue menschliche Tragödien und Brutstätten von Spannungen geschaffen. Urteilen Sie selbst: die Zahl der Kriege, lokalen und regionalen Konflikte ist nicht weniger geworden... Heute beobachten wir eine kaum kontrollierte, übertriebene Gewaltanwendung in den internationalen Angelegenheiten, Gewalt, die die Welt in den Abgrund immer neuer Konflikte führt... In der Folge fehlt die Kraft, auch nur einen einzigen davon umfassend beizulegen. Und es wird unmöglich, sie politisch beizulegen. Wir sehen, daß Grundprinzipien des Völkerrechts immer mehr ignoriert werden. Mehr als das: Bestimmte Praktiken, praktisch das gesamte Rechtssystem eines Landes, vor allem natürlich der Vereinigten Staaten, hat seine Landesgrenzen in allen Bereichen überschritten - Wirtschaft, Politik und humanitäre Angelegenheiten - und Recht wird anderen Ländern aufgezwungen. Wem gefällt so etwas? Wer ist darüber glücklich?“
Er fuhr fort: „Das Überwiegen des Gewaltfaktors schürt unausweichlich den Wunsch mehrerer Länder, sich Massenvernichtungswaffen zu verschaffen.“ Das sei extrem gefährlich. „Es führt dazu, daß sich niemand mehr sicher fühlt... Denn keiner kann mehr sicher sein, daß das Völkerrecht ihn wie eine eherne Mauer schützt.“
Deshalb müsse man die gesamte weltweite Sicherheitsarchitektur neu überdenken, um einen Ausgleich unter allen Interessen zu suchen. China und Indien seien den USA an Kaufkraft ebenbürtig, Brasilien, Rußland, Indien und China überträfen zusammengenommen im BIP die EU. „Zweifellos wird das Wirtschaftspotential der neuen Weltwachstumszentren sich unausweichlich in politischen Einfluß umsetzen und wird die Multipolarität verstärken.“
Namentlich wehrte sich Putin dagegen, die Rolle der Vereinten Nationen zugunsten von NATO oder EU zu schmälern: „Ich bin überzeugt, daß der einzige Mechanismus, der über den Einsatz militärischer Gewalt als letztes Mittel entscheiden kann, die Charta der Vereinten Nationen ist. Und in diesem Zusammenhang habe ich entweder nicht verstanden, was unser Kollege, der italienische Verteidigungsminister, gerade gesagt hat, oder das, was er gesagt hat, war ungenau. Ich jedenfalls habe verstanden, daß der Einsatz von Gewalt nur legitim sein könne, wenn die Entscheidung von der NATO, der EU oder den UN getroffen würde. Wenn er das wirklich meint, dann haben wir unterschiedliche Ansichten. Oder ich habe es nicht richtig gehört.“ Der Einsatz von Gewalt könne nur dann als legitim betrachtet werden, wenn diese Entscheidung von den Vereinten Nationen sanktioniert ist. „Und wir dürfen die NATO oder die EU nicht an die Stelle der Vereinten Nationen setzen. Wenn die Vereinten Nationen wirklich die Kräfte der internationalen Gemeinschaft bündeln und auf die Entwicklungen in verschiedenen Ländern reagieren können - wenn wir die Geringschätzung des Völkerrechtes überwinden -, dann werden wir die Lage ändern können.“
Putin wiederholte auch sehr nachdrücklich Rußlands Einwände gegen die Errichtung von Raketenabwehrsystemen in Mitteleuropa und gegen das „Heranrücken der NATO-Kräfte an unsere Grenzen“, und er wiederholte auch den russischen Vorschlag, internationale Kernbrennstoffzentren einzurichten, während Länder ihre eigene Nuklearindustrie aufbauen.
Abschließend erklärte Putin: „Ich persönlich höre oft Aufrufe von unseren Partnern, auch unseren europäischen Partnern, Rußland solle mehr und mehr eine aktive Rolle in der Weltpolitik spielen... Wir brauchen eigentlich keine Anstupser und Anreize dafür. Rußland ist ein Land mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte, das fast immer das Privileg einer unabhängigen Außenpolitik genoß. Wir haben nicht vor, heute von dieser Tradition abzuweichen. Gleichzeitig sehen wir sehr wohl, wie sich die Welt verändert hat, und wir bewerten unsere eigenen Fähigkeiten und unser Potential realistisch. Und natürlich möchten wir es gerne mit verantwortungsbewußten und ebenso unabhängigen Partnern zu tun haben, mit denen wir daran arbeiten können, eine gerechte und demokratische Weltordnung aufzubauen, um Sicherheit und Wohlstand nicht nur für Auserwählte, sondern für alle sicherzustellen.“
Ursprünglich hatte die Washingtoner Kriegspartei vorgehabt, die diesjährige Sicherheitskonferenz in München vom 9.-11. Februar zu einem Forum für massive Angriffe auf die russische Politik, Forderungen nach mehr militärischem Engagement der NATO im Irak und in Afghanistan und Werben für ein Vorgehen gegen den Iran zu machen. Diese Politik vertraten in München US-Verteidigungsminister Robert Gates, die Senatoren John McCain, Joe Lieberman und John Kyl sowie die drei früheren US-Botschafter John Kornblum, Richard Burt und Richard Holbrooke. Etwa ein Drittel der 250 Teilnehmer kam aus den USA. Neben Politikern und Verteidigungsexperten aus den NATO-Mitgliedsstaaten nahmen auch der iranische Chefunterhändler in der Nuklearfrage, Ali Laridschani, der indische Nationale Sicherheitsberater M.K. Narayanan und der chinesische Vizeaußenminister Zhang Yesui an der Konferenz teil. Zunächst standen Attacken auf den Iran im Mittelpunkt. Die israelische Außenministerin Tsipi Livni warf dem Iran erneut vor, er sei die größte Bedrohung in der Region, Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, der Iran müsse sein Atomprogramm einstellen, und Washingtons Vertreter geiferten über die kriegerischen Absichten des Irans. Aber Putins Intervention warf die Tagesordnung über den Haufen. Statt Rußland waren nun die Vertreter der Kriegspartei in der Defensive, und sie machten sich in wütenden Protesten gegen Putins Rede Luft.
Helga Zepp-LaRouche fuhr dazu in ihrem Interview fort:
„Putin nutzte dieses Forum, das ein Weltforum ist. Er sprach nicht nur zu den Teilnehmern der Konferenz, er wollte der ganzen Welt eine wichtige Botschaft übermitteln. Tatsächlich sagte sein Sprecher Dmitrij Peskow später, als nach Putins Rede große Aufregung herrschte, dies sei ein Alarm gewesen, um die Weltöffentlichkeit aufzuwecken...
In letzter Zeit haben Rußland, China und Indien zwar manche Kompromisse mit der Globalisierung gemacht, aber tief in ihrer nationalen Identität lehnen sie sie völlig ab, sie bestehen auf ihrer nationalen Souveränität. Tatsächlich wird Putins Münchner Rede in aller Welt als eine Zurückweisung der Vorstellung aufgefaßt, Rußland würde sich einem Weltreich unterwerfen. Man sollte beachten, daß China und Indien ähnliche Schritte tun...
Wir befinden uns also auf dem Weg in einen Weltkonflikt, wenn der Economist prahlt, wir sind darauf aus, wieder ein britisches Empire zu errichten... Die Briten sind erschrocken darüber, daß das Finanzsystem vor dem Platzen steht. Sie machen sich Sorgen über neue LTCMs - Hedgefonds, die Bankrott machen - und die ganzen Schulden aus den feindlichen Übernahmen und der Fusionsmanie in den letzten Monaten, was die Welt an den Rand eines Zusammenbruchs treibt. Ganz zu schweigen vom Zusammenbruch des amerikanischen Automobilsektors oder des US-Immobiliensektors und ähnlicher Probleme. Und wenn die Briten an diesem Punkt sagen: ,Kehren wir zurück zum Empire’, dann auch, um ihre eigenen Nerven und die Nerven ihrer Genossen in der Welt der Hedgefonds zu beruhigen.
Aber ich denke, wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen. Wenn diese Kräfte, die alten britischen und anglo-holländischen Finanzmächte, die Erzfeinde der Amerikanischen Revolution, unbedingt ein neues Weltreich schaffen wollen, und wenn gleichzeitig deutlich ist, daß sich Rußland, China und Indien nicht unterwerfen werden, dann sitzen wir auf einem Pulverfaß, das uns in kurzer Zeit in den Dritten Weltkrieg treiben könnte. Deshalb betont Lyndon LaRouche, daß man nicht nur denken sollte, das Problem sei Bush oder Cheney oder nur zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran. Die Lage ist viel komplizierter. Man sollte nicht so sehr die täglichen aktuellen Entwicklungen betrachten, sondern die historischen - wie sich diese Konflikte langfristig entwickeln. Dann versteht man viel leichter..., daß das britische Empire immer noch der alte Feind der Vereinigten Staaten ist, und daß sich daran überhaupt nichts ändert, wenn es zur Zeit verräterische Elemente in den Vereinigten Staaten selbst gibt.“
Alexander Hartmann
Lesen Sie hierzu bitte auch:
„Das eigentliche Thema ist die Globalisierung!“ - Neue Solidarität Nr. 8/2007 Andropows Fehler und die Folgen - Neue Solidarität Nr. 8/2007 Roosevelts Streit mit Churchill über den britischen Imperialismus - Neue Solidarität Nr. 8/2007 Das strategische Dreieck Rußland-China-Indien - Neue Solidarität Nr. 15/2003 Stellungnahmen der BüSo-Vorsitzenden Helga Zepp-LaRouche - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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