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Aus der Neuen Solidarität Nr. 43/2007

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Ein Zentrum der Raumfahrtindustrie in Rußlands Amur-Region

Juri Krupnow, Direktor des Moskauer Instituts für Demographie, Migration und regionale Entwicklung, hat den folgenden Beitrag über das Swobodnij-Kosmodrom für die Schiller-Institut-Konferenz am 15.-16. September in Kiedrich eingereicht. Krupnow ist Experte für Erziehungsfragen und industrielle Projektentwicklung besonders auf dem Gebiet der Infrastruktur; außerdem gründete er die Entwicklungsbewegung und deren politischen Flügel, die Entwicklungspartei. In jüngster Zeit hat er verschiedene Regierungskreise im Fernen Osten Rußlands über Fragen des Aufbaus dichter Entwicklungskorridore beraten. Die Jugendorganisation der Entwicklungsbewegung nennt sich Bewegung für die Entwicklung der Welt (WDM). Ilnur Bartyschin, der die WDM-Organisation in Kasan leitet, trug Krupnows Beitrag auf der Konferenz vor und erweiterte ihn geringfügig. Der volle Titel lautete: „Das Swobodnij-Kosmodrom: Ein potentielles Zentrum der Raumfahrtindustrie und ein Entwicklungskorridor in Rußlands Amur-Region“.

Die Lage im Fernen Osten der Russischen Föderation gleicht einer Katastrophe: Es gibt große Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur, eine ganze Reihe von Industrien sind zerstört, und selbst die Gebäude vieler Betriebe wurden dem Erdboden gleichgemacht. Aber das größte, tödliche Problem des Fernen Ostens ist die anhaltende Entvölkerung der Region. Heute leben nur noch 18 Millionen Menschen dort, und jedes Jahr nimmt die Zahl weiter ab.

Dieser Beitrag über die potentielle Entwicklung des Swobodnij-Raumfahrtbahnhofs in der russischen Fernostregion Amur enthält einige Vorschläge für das Regierungsvorhaben, jetzt im Ausland lebende Einwohner zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen. Wladimir Putin hatte dieses Problem im Sinn, als er am 20. Dezember 2006 vor dem Staatsrat der Russischen Föderation sagte: „Letztendlich müssen alle unsere Pläne darauf hinauslaufen, den Fernen Osten zu einem angenehmen und attraktiven Lebensraum für die Menschen zu machen.“

Dieser Beitrag enthält einige Ideen und praktische Vorschläge, die die Entscheidung des Präsidenten unterstützen, um die Abwanderung russischer Bürger aus Fernost in einen Zustrom zu verwandeln: Wir brauchen den Zuzug von Menschen aus den westlichen Regionen Rußlands und unserer Landsleute aus dem Ausland. Ziel eines solchen staatlichen Programms muß es sein, die Entvölkerung dieser Region aufzuhalten und qualifizierte produktive Arbeitsplätze zu schaffen. Der kombinierte Effekt wird sein, daß die Bevölkerungsdichte entlang der Grenze mit China wächst und das Qualifikationsniveau steigt.

Die Bevölkerungsdichte der Amur-Region, eine bedeutende Region im Fernen Osten der Russischen Föderation, beträgt gerade einmal 2,4 Personen pro km2; im Vergleich: in der Provinz Heilongjiang auf der chinesischen Seite des Amur leben 80 Personen pro km2. Das Programm zielt darauf ab, die Bevölkerungsdichte auf 2,8 bis 3 Personen pro km2 zu erhöhen, d.h. die Bevölkerungszahl von jetzt 873.000 auf 1 Million anzuheben. Das sollte innerhalb der nächsten 5 Jahre geschehen. Um diese intensive Entwicklung der Amurregion zu ermöglichen und 10.000 neue hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen, hat der neue Gouverneur angekündigt, den Schwerpunkt auf die fünf folgenden Wirtschaftsbereiche zu legen: die Holzindustrie, den Raumfahrtsektor, den Maschinenbau, den Anbau von Sojabohnen und den Verkehrs- und Energiesektor.

1995-96 hatten das Verteidigungsministerium, der Generalstab der Streitkräfte, die russische Weltraumbehörde und andere Ministerien und Regierungsstellen der Föderation entschieden, in Swobodnij ein neues Zentrum für Weltraumstarts zu bauen. In der Nähe gibt es eine Militäreinrichtung namens Uglegorsk. Der Ausbau der Startrampe zu einem voll ausgelegten Weltraumzentrum könnte der Schlüssel des Projekts zur Neubesiedlung der Region werden.

Das Swobodnij-Kosmodrom hätte große Vorteile:

Eine strategische Vision für das Swobodnij-Kosmodrom ließe sich folgendermaßen ausdrücken: „Der erste wahrhaft russische Weltraumbahnhof - ein hochmodernes Kosmodrom für alle Einsatzmöglichkeiten.“

Seit seiner Gründung wurde die Swobodnij-Startrampe für kommerzielle Satellitenstarts genutzt, u.a. von Kunden aus den USA, Schweden und Israel. Jetzt wird darauf hingearbeitet, daraus den weltweit besten Startbahnhof für militärisch und zivil genutzte Satelliten für geostationäre und nicht-geostationäre Umlaufbahnen sowie für bemannte Weltraumflüge zu machen.

Swobodnij bleibt auch weiterhin wichtig für die militärische Nutzung. Es bietet Rußland einen garantierten Zugang zum Weltall und die Möglichkeit, die Region am westlichen Pazifik entlang der chinesischen Küste, die wir die weltstrategische Region Nr. 1 nennen, zu überwachen.

Darüber hinaus eröffnet der Bau des Kosmodroms das Potential, die Baikal-Amur-Magistrale (BAM) als zusätzliche Transportader der Region wiederzubeleben; so könnte eine 220 km lange Verbindungsstrecke zwischen der BAM und der Transsibirischen Eisenbahn durch Uglegorsk gebaut werden.

Über die Zukunft der Anlagen in Swobodnij und Uglegorsk ist noch nicht entschieden; sie könnten sogar geschlossen werden, doch dann würden 5.100 Einwohner aus der Amur-Region wegziehen, und 7 Milliarden Rubel an Infrastrukturausgaben wären vergeudet, die schon für Swobodnij ausgegeben worden sind. Eine zweite Möglichkeit wäre, die Einrichtungen auf dem relativ niedrigen Niveau der letzten Jahre weiterlaufen lassen.

Die dritte Option, die attraktivste und vielversprechendste, wäre die Schaffung des ersten russischen Kosmodroms. (Das Weltraumprogramm der Sowjetunion nutzte, wie Sie sicherlich wissen, das Weltraumzentrum Baikonur, das in Kasachstan liegt. Rußland muß jetzt die Einrichtungen von Kasachstan mieten.) Nach dieser Version entwickelte sich Swobodnij zu einem voll ausgebauten russischen Zentrum für die Weltraumfahrt, von dem aus Transportraketen des Typs Zenit und das wiederverwendbare Weltraumshuttle, jetzt Clipper genannt, starten würden.

Die Zenit-Raketen werden in der nahe gelegenen Stadt Komsomolsk am Amur gebaut. Das Ballungsgebiet um das Raumfahrtzentrum in Swobodnij und der östliche Entwicklungskorridor Swobodnij-Komsomolsk können die industrielle und technologische Basis für die Entwicklung des gesamten Fernen Ostens werden. Unter „Ballungsgebiet“ verstehen wir die besondere geographische Konzentration miteinander kooperierender Betriebe und Organisationen, die Güter und Dienstleistungen anbieten, Betriebe in angrenzenden Industriesektoren und auch Einrichtungen der Forschung, Entwicklung und Bildung.

Ich möchte hinzufügen, daß diese Region im Fernen Osten der Russischen Föderation eine wichtige Rolle für die Eurasische Landbrücke und für das Projekt der Beringstraßen-Untertunnelung spielt. Die Probleme dieser Region - ihre anhaltende Entvölkerung und andere Probleme - bedrohen das Projekt.

Der östliche Entwicklungskorridor verliefe von Uglegorsk ostwärts nach Komsomolsk am Amur in Richtung auf die Insel Sachalin und den Pazifischen Ozean (siehe Karte). Dieser Korridor definiert eine innovative Basis für die industrielle Entwicklung des Fernen Ostens. Der Aufbau dieses Korridors wäre auch ein Anreiz für die Wiederbelebung und Modernisierung der BAM-Eisenbahn und zur Ankurbelung der Industrieproduktion in der Amurregion und des Territoriums um Chabarowsk. Im Zuge dieses Prozesses entstünden in der Region Märkte für neue Betriebe der Stahlindustrie (die die Eisenerzvorkommen von Garin nutzten) und der Metallverarbeitung, deren Expansion die Grundlage zur Verdoppelung oder Verdreifachung der dortigen Bevölkerung in den nächsten 10 Jahren legte.

Der Entwicklungskorridor zwischen Uglegorsk und Komsomolsk am Amur.

Der Korridor wird ein Fundament für die Entwicklung des gesamten Fernen Ostens sein. Vom östlichen Entwicklungskorridor ist es ein natürlicher Schritt zum Bau eines Tunnels oder einer Brücke zur Insel Sachalin, dem Distrikt Rußlands, der an die nördlichste japanische Insel Hokkaido heranreicht. So könnte dieses Projekt Japan helfen, über Eisenbahnstrecken an das Projekt angebunden zu werden.

Das vorgeschlagene Ballungsgebiet der Weltraumindustrie in Fernost wäre einzigartig in der ganzen Welt. Sein Aufbau würde gutbezahlte Arbeitsplätze schaffen und könnte unsere Landsleute aus Westeuropa, den USA und Kanada und auch Absolventen russischer Universitäten anlocken. Die Entwicklung der Weltraumindustrie in der Region Amur und in Fernost wird mit ihren überdurchschnittlichen Wachstumsraten eine Nachfrage nach qualifizierten Ingenieuren, Entwicklungsplanern und Wissenschaftlern aus Städten östlich des Urals wie Tomsk, Nowosibirsk (mit seinem Wissenschaftszentrum Akademgorodok), Omsk und Krasnojarsk schaffen. Sie wird die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Sibirien und Rußland insgesamt aufhalten helfen.

Wenn wir ein Startzentrum für leichte Raketen und Minisatelliten bauen, werden wir in den nächsten 10 Jahren die Einwohnerzahl von Uglegorsk von jetzt 6000 auf 15-20.000 Bewohner erhöhen können. Wenn wir das Maximalprogramm für den Bau eines ersten nationalen russischen Kosmodroms anstreben, werden wir um Uglegorsk 50-70.000 Menschen ansiedeln und beschäftigen können.

Mit dem Aufbau neuer Betriebe für die ganze Palette der Raumfahrtindustrie samt Produktion und Dienstleistungen um das Swobodnij-Kosmodrom herum ließen sich mit der Komsomolsk-Luftfahrtgesellschaft und der Schiffswerft in derselben Stadt über 30.000 qualifizierte und mindestens weitere 60.000 halbqualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Die Bevölkerungsentwicklung, einschließlich der Arbeiter und ihrer Familien, erreichte 120.000 Menschen, während die Einwohnerzahl von Komsomolsk am Amur von jetzt 270.000 auf 500.000 anwüchse.

Uglegorsk verfügt über die Infrastruktur, um mit dem Bau des Weltraumzentrums zu beginnen, es hat ausgezeichnete Wohnmöglichkeiten und soziale Einrichtungen, leere Wohnungen wären sofort bezugsbereit. Der Bau zusätzlicher einstöckiger Holzhäuser würde der lokalen Holzindustrie einen Markt verschaffen.

400 Meter vor den Toren von Uglegorsk verläuft die nationale Autobahn von Tschita nach Chabarowsk. In nur 1 km Entfernung verläuft die Transsibirische Eisenbahn im Süden, während die BAM parallel zur Transsib, allerdings 220 km weiter nördlich, verläuft. In unmittelbarer Nähe gibt es zwei regionale Flughäfen und einen voll ausgebauten Flughafen auf der Ukrainka-Basis für strategische Bomber, einen Binnenhafen an der Zeja und weitere Häfen am Amur.

Durch diesen Korridor verläuft auch die neue Ostsibirien-Pazifik-Ölpipeline, die derzeit in einer Entfernung von 20 km von Uglegorsk gebaut wird. Parallel dazu befinden sich die elektrischen Überlandleitungen von den beiden Wasserkraftwerken an Burejsk und Zeja 3 km von Uglegorsk entfernt.

Die russischen Gesetze bieten die Möglichkeit, Sonderwirtschaftszonen einzurichten, die ein optimaler Ansatz für die Schaffung einer Hochtechnologie-Region sein könnten. Eine Sonderwirtschaftszone mit Schwerpunkt Raumfahrtindustrie würde russisches und ausländisches Kapital anlocken. Neben China wären Singapur, Südkorea und Japan als ausländische Partner denkbar.

Wichtige Probleme wie Umschulung und die Neuzuweisung alter Bürogebäude, die richtige Verwendung von Kapazitäten des Verteidigungsministeriums und die Zusammenarbeit zwischen den militärischen und zivilen Institutionen müssen bei der Realisierung gelöst werden. Das qualifizierte Militärpersonal in Uglegorsk stellt den größten Rückhalt für die Entwicklung der Region dar. Wenn diese Arbeitskräfte erhalten bleiben, haben wir die Grundlage, abgewanderte Bewohner in die Region zurückzuholen. Daraus wird ein beispielhaftes Umsiedlungsprogramm werden.

Wir sollten noch die vielversprechendsten, großen regionalen Entwicklungsprojekte mit Blick auf ihre Wettbewerbsvorteile und Potentiale hervorheben. Entwicklungsprojekte wie das Swobodnij-Kosmodrom sind die beste Methode für eine breitangelegte Entwicklungsstrategie.

Ich möchte zum Schluß anfügen, daß die Stadt Swobodnij in der fernöstlichen Region Amur eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der gesamten Region spielt. Sie ist auch für den Bau der Eurasischen Landbrücke wichtig, weil ein großer Teil der Eurasischen Landbrücke durch dieses Territorium des Fernen Ostens verläuft. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Bodenschätze und russische Infrastruktur
- Neue Solidarität Nr. 43/2007
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