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Aus der Neuen Solidarität Nr. 4/2007

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Die Neue Politik (Teil I)

Johannes Kepler und die Herausforderung für die Demokratische Partei

Von Lyndon H. LaRouche jr.

Eine Zusammenfassung jüngster wichtiger Veränderungen in der soziopolitischen Dynamik der internationalen Situation.

Selbst die Führungsspitze der Demokratischen Partei ist immer noch von der überraschenden Art und Weise irritiert, wie der Erdrutschsieg bei der jüngsten Wahl des Repräsentantenhauses errungen wurde. Es ist die wichtigste Lehre, welche die gesamte Demokratische Partei um ihrer selbst und der USA willen zu lernen hat.

Die Lehre ist, daß unter bestimmten Umständen etwas, das lediglich als eine neuartige taktische Methode gilt, im Konfliktfall auch strategisch entscheidend sein kann - ob in der Kriegführung oder durch den Beitrag einer relativ kleinen Anzahl junger Erwachsener, die im Prinzip bewiesen haben, daß sie durch bestimmtes Vorgehen einen potentiell entscheidenden strategischen Stimmenvorsprung bei politischen Auseinandersetzungen wie den letzten amerikanischen Zwischenwahlen erreichen können. Im vorliegenden Fall dreht es sich um die historisch bedeutsame Rolle, wie die LaRouche-Jugendbewegung (LYM) die Taktik des LaRouche Political Action Committee (LPAC) bei den amerikanischen Kongreßwahlen strategisch umgesetzt hat.

Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, zu untersuchen, wie sich dieselbe Methode auf die Notwendigkeit anwenden läßt, der globalen strategischen Bedrohung zu begegnen - der Gefahr eines allgemeinen, weltweiten physischen und finanziellen Kollapses nicht nur der US-Wirtschaft, sondern der derzeitigen realwirtschaftlichen Weltsysteme.

Dadurch läßt sich verdeutlichen, welche Bedeutung dem heutigen Begriff „Neue Politik“ gegeben werden muß.

Als gewisse Kreise der Demokratischen Partei nach der Wahl auf den Sieg im Senat und den Erdrutschsieg im Repräsentantenhaus zurückschauten, waren sie erstaunt darüber, was die Wahlanalyse aussagte. Sie fragen sich noch immer: Wie konnte eine Elitegruppe junger erwachsener Mitglieder meiner LPAC-Jugendbewegung an genügend vielen Schlüsselstellen das Blatt wenden, um unter dem viel größeren Anteil von Jungwählern zwischen 18 und 35 Jahren eine Stimmlawine für den Wahlsieg auszulösen?

Die Antwort auf diese Frage ist elementar, wie ich im Laufe dieses Artikels zeigen werde; doch wie bei allen gültigen, wirklich elementaren Entdeckungen eines Prinzips, ist der Prozeß, durch den man zur wesentlichen Wahrheit eines Prinzips gelangt, niemals wirklich einfach. Genau wie bei der erfolgreichen Aufführung eines großen kontrapunktischen Werkes von Johann Sebastian Bach erscheint die Einfachheit der Wahrheit erst, nachdem man die sinnliche Wirklichkeit des wahren Prinzips tatsächlich entdeckt hat.

In früheren Darstellungen, die in den USA und weltweit verbreitet wurden, habe ich die Methode, mit der dies bewerkstelligt wurde, als „Masseneffekt“ bezeichnet, der durch gezielte Aktionen einer relativ kleinen Anzahl junger Erwachsener ausgelöst wurde. Genau dieses Prinzip des „Masseneffekts“ hatte ich bei einem Treffen einer ähnlichen Gruppe junger Erwachsener in Berlin am 3. November - nur einige Tage vor den amerikanischen Zwischenwahlen - nachdrücklich unterstrichen. Die Umsetzung meiner Anweisungen vom 3. November war zu der Zeit innerhalb des amerikanischen Wahlkampfes schon in vollem Gange.

Wenn man versuchen will, diesen „Masseneffekt“ zu definieren, ist es wichtig, die zwei bis drei Wochen vor der eigentlichen Wahl auflaufende Flut mit dem Fehlen einer irgendwie vergleichbaren solchen Wählerflut in der Altersgruppe der 18- bis 35jährigen zu kontrastieren, die durch das Programm der offiziellen demokratischen Parteiorganisation erzeugt worden wäre.

Der Begriff „Masseneffekt“ ist mit dem physikalisch-wissenschaftlichen Begriff Dynamik austauschbar, einem Begriff, der von Gottfried Leibniz in die europäische Wissenschaft eingebracht wurde. Leibniz leitete diesen Begriff explizit aus dem griechischen dynamis ab, welchen Leibniz unmittelbar aus dem Gebrauch der Pythagoräer, Plato u.a. übernahm. Dieser Gebrauch steht in ausdrücklichem Gegensatz zu jenem Begriff von „Mechanik“, der mit der wissenschaftlich falschen Methode Descartes’ in Verbindung steht. Er steht auch im Gegensatz zu der heute verbreiteten, doch gewöhnlich gescheiterten mechanistisch-statistischen Methode, wie sie weithin in den inhärent inkompetenten Praktiken der gemeinhin akzeptierten Wirtschaftsvorhersage zum Ausdruck kommt.1

Angesichts der heraufziehenden globalen finanziellen Zusammenbruchskrise ist es an der Zeit, einen neuen - strategisch relevanten - taktischen Faktor, eine Art Rückkehr zu dem politischen Stil von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, in die Politik einzubringen. In der Geschichte treten Prinzipien immer wieder auf, jedoch niemals in genau derselben Form wie in früheren Zeiten großer Veränderungen. Es ist eine wesentliche Tatsache der gegenwärtigen Weltlage, daß die heraufziehende globale Krise bereits voll eingesetzt hat - eine strategische, wirtschaftliche und soziale Krise, vergleichbar derjenigen der 30er Jahre, jedoch viel bedrohlicher als jene. Es gibt bestimmte weitere Unterschiede, die ich an gegebener Stelle ebenfalls in Betracht ziehen werde.

Die Politik aller führenden Parteien West- und Mitteleuropas sowie der USA war in ihrem Einfluß auf die Richtung der transatlantischen Geschichte seit Mitte der 60er Jahre nach allen realwirtschaftlichen Maßstäben ein Fehlschlag. Die alte Politik des heutigen Gestern, der gewohnte politische Stiefel, hat sich bei der Anwendung auf die Realitäten der heutigen Krise als katastrophaler Fehler herausgestellt. Der plötzliche Anstieg von Jungwählerstimmen in den letzten Wochen vor den jüngsten US-Wahlen ist ein entscheidend wichtiges klinisches Beispiel dafür, wie alle relevante Politik, die neue Politik, zukünftig aussehen muß. Deswegen ist eine Neue Politik, mit ihrer Betonung auf Dynamik, wie sie an der bahnbrechenden Rolle der LPAC-Jugendbrigaden deutlich wurde, unverzichtbar.

1. Menschliches oder statistisches Verhalten

Der Unterschied zwischen den dynamischen Eigenschaften der erwähnten Zunahme von Jungwählern und anderen Wählern, die sich in den letzten Wochen des Wahlkampfs für die Demokratische Partei registriert haben, hängt von einem grundsätzlichen, aber leider selten erkannten Umstand der Soziologie ab, einem Umstand, der zwar durch das reine statistische Ergebnis veranschaulicht wird, von diesem aber nicht allein ableitbar ist.

Der Fehler, der als Grundursache dieses Unterschiedes erscheinen mag, ist ein verbreiteter, deformierter Begriff vom Wesen des menschlichen Individuums und der Gesellschaft. Diese falsche Vorstellung zieht sich durch die mechanistische Sicht der Menschheit, die sich etwa in den gängigen soziologischen und verwandten heutigen Lehren findet. Obwohl man dabei häufig auf den Begriff „Kreativität“ trifft, wird die ontologische Aktualität des individuellen Prozesses menschlicher Kreativität in heute gängigen Definitionen und Anwendungen des Begriffs praktisch nie aufgezeigt. Der strittige Punkt in dieser Sache ist, daß sich Kreativität, richtig definiert, nicht nur als experimentell erkennbare souveräne Form individuellen Verhaltens ausdrückt, sondern auch die qualitative „Energie“ - im ontologischen Sinne der „bewegenden Kraft“ - aller großen, positiven Veränderungen in der Entwicklungsrichtung sozialer Prozesse als solcher liefert.

Solche Manifestationen des dem Menschen angeborenen kreativen Potentials zeigen sich - außer sie treten als Ausdruck individuellen Verhaltens auf - normalerweise am deutlichsten in Handlungen, deren historische Bedeutung in gesellschaftlichen Massenprozessen liegt. In der modernen Geschichte, wie zum Beispiel in der Amerikanischen Revolution, die sich in der Periode von 1763-1789 abspielte, äußerte sich ein solches Ferment hauptsächlich in Form von Massenbewegungen in der Schicht junger Erwachsener im Altersbereich von 18-35. Es kann dann von diesem Kern junger Erwachsener auf soziale Prozesse im weiteren Sinne übergreifen, wie dies auch in der Wirkung meiner jungen Mitarbeiter in der erfolgreichen Zwischenwahl zum US-Kongreß erkennbar war.

Die Prinzipien, die in solcher Weise Ausdruck finden, verdeutlichen den wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier.

In der üblichen Auslegung der Hauptschriften der hebräischen Tradition, des Christentums und des Islams deckt sich dieser gleiche Unterschied zwischen Mann und Frau und niederen Lebensformen mit der in Genesis 1:26-30 gegebenen Definition. Zudem steht diese Aussage in Einklang mit historischen und verwandten Belegen in der historischen Erfahrung eines absoluten Unterschieds zwischen den Eigenschaften der Menschheit und allen anderen Lebensformen. Der Faktor, der individuelles menschliches Verhalten von dem der Tiere unterscheidet, ist die Qualität individueller Kreativität im Zusammenhang mit der Entdeckung universeller physikalischer Prinzipien oder vergleichbarer Prinzipien klassischer Kunstformen.

Im vorliegenden Fall war es der Jugendfaktor in entscheidenden Schauplätzen der jüngsten Zwischenwahl, der als organisierter sozialer Prozeß in typischer Weise die individuelle Kreativität verstärkte und somit letztlich für den Gesamtausgang der Wahl von strategisch entscheidender Bedeutung war. Das ist die Lehre, die aus dem Wahlergebnis als Ganzem gezogen werden muß.

Die beste Reflexion der Frage von Kreativität in der modernen Wissenschaft findet sich bei dem russischen Akademiemitglied W.I. Wernadskij, der die strenge Unterscheidung zwischen lebenden und nichtlebendigen Prozessen entdeckte: die Biosphäre; sowie die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier: die Noosphäre. Die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen, wie sie sich in der Entdeckung universeller physikalischer Prinzipien ausdrücken, erscheinen ausschließlich im Verhalten des menschlichen Individuums, treten aber nicht als Bestimmungsfaktor der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte innerhalb der Grenzen des Verhaltenspotentials anderer lebender Gattungen auf.

Was sich als Potential des individuellen Geistes in Form kohärenter Masseneffekte ausdrückt, ist eine strategisch entscheidende Überlegung, um historisch wichtige Auftriebstendenzen im Kampf für menschlichen Fortschritt und Würde während der letzten dreitausend Jahre europäischer Geschichte zu verstehen. Diese kritischen Auftriebe erscheinen insbesondere in Form revolutionären Aufbegehrens der Art, wie ich sie mit der angedeuteten Form von Masseneffekten verbinde; sie definieren jene entscheidenden Wendepunkte in der Geschichte, auf die wir uns heute wieder konzentrieren müssen, wenn wir uns mit der tödlichen globalen Krise befassen, die über die Welt hereinbricht.

Während sich bei einzelnen normalen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unserer Gesellschaft immer ein gewisser Ausdruck dieses kreativen Potentials zeigt, stumpfen die kreativen Geistespotentiale der meisten in unserer Gesellschaft infolge der vorherrschenden Bildung mit ihren mechanistischen Denkmethoden immer mehr ab. Dies ist während des größten Teils der jüngsten Vergangenheit der Fall gewesen.

Zum Beispiel hinterließ die Konditionierung, die den oberen zwanzig Prozent der 68er Generation in den Jahren 1945-56 und später aufgezwungen wurde, umfangreiche, tiefgreifende Schäden in ihren kognitiven geistigen Fähigkeiten. Infolgedessen zeigt nur noch ein immer kleiner werdender Teil jener vom Sophismus geprägten Generation einen Entwicklungsgrad kreativer Fähigkeiten, der noch bei den zwei vorhergehenden Generationen zu finden war.

  • ichtsdestoweniger kann ein solches kreatives Potential in jungen Menschen wachgerufen werden, wie meine eigenen Erfahrungen sowie mein Studium dieses Faktors in der Geschichte beweisen. Glücklicherweise treten, wie Percy Shelley dies in den abschließenden Seiten seiner Verteidigung der Poesie betonte, in bestimmten kulturellen Geschichtsperioden - wie zum Beispiel der italienischen Renaissance des 15. Jh. oder dem Aufbegehren der Klassik in Deutschland und anderswo zwischen 1750 und 1789 - regelrechte schöpferische Explosionen im breiteren Umfeld klassischer Kunst und Wissenschaft auf.2 Shelleys Verteidigung der Poesie ist Ausdruck seiner Erfahrung mit dem Kulturoptimismus vor 1789, der von der Zusammenarbeit zwischen Moses Mendelssohn und Gotthold Lessing ausstrahlte.

    Aus dem geschichtlichen Rückblick folgt, daß es gelungen ist, Perioden hoher, leidenschaftlicher Vorstellungen über Mensch und Natur zu fördern, die wir als Renaissance erkennen sollten. Die außergewöhnlichen Aspekte des jüngsten Wahlsiegs der Demokratischen Partei, auf die ich hier hinweise, verdeutlichen dies.

    Die LaRouche-Jugendbewegung katalysierte den Zustrom von Jungwählern, indem sie die dynamische Organisierungsmethode um Ideen in einer Weise einsetzte, daß eine relative Handvoll der Bevölkerung in der Lage war, in größeren regionalen Gruppen von 18- bis 35jährigen einen Masseneffekt in Übereinstimmung mit Shelleys Prinzip - dem Renaissanceprinzip - hervorzurufen. Die auf diese Weise dynamisch in Umlauf gebrachten Ideen veranlaßten viele, einfach wählen zu gehen und nach eigenem Gewissen ihre Stimme abzugeben.

    Was in dieser Hinsicht während der letzten Wochen vor der Wahl geschah, war eine vollkommen gesetzmäßige, wenn auch zugegebenermaßen ungewöhnliche Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Nicht nur könnte das gleiche auch in unmittelbarer Zukunft wieder erreicht werden; solche Entwicklungen sind notwendig, um drastische Verbesserungen in der Regierungspolitik zu ermöglichen, die notwendig sind, um der heranstürmenden globalen Finanz- und Kulturkrise zu begegnen.

    Zwei Quellen von Dynamik

    Die moderne europäische Wissenschaft verdankt ihre beachtlichen Einsichten in diese Frage hauptsächlich zwei bekannten antiken bzw. modernen Denkströmungen. Die erste verbindet man maßgeblich mit den Pythagoräern und Platon. Die zweite, moderne Strömung verbindet man beispielhaft mit dem Einfluß von Kardinal Nikolaus von Kues aus dem 15. Jahrhundert, der die systematische experimentelle Wissenschaft begründete. Die Ergebnisse hiervon sieht man in seinen Anhängern Leonardo da Vinci, Johannes Kepler, Pierre de Fermat, Gottfried Leibniz und den Kreisen von Carl F. Gauß und Bernhard Riemann. Auf letzteren gründete Wernadskij seine eigene dynamische Methode, die im Gegensatz zu den gescheiterten kartesischen mechanistisch-statistischen Methoden steht.

    Der gegenteilige, irrationale, jedoch jüngst wieder verbreitete Trend in der modernen europäischen Geschichte geht vorrangig auf den Einfluß der „neuen venezianischen“ Lehre Paolo Sarpis zurück, der als Herr seines Lakaien Galileo Galilei bekannt ist. Sarpi ist Urheber des reduktionistischen Dogmas, das als Empirismus bekannt ist, wovon die groben Formen des modernen Materialismus sowie Positivismus und Existentialismus abgeleitet sind. Die empiristische Doktrin, von der die heute gängigsten Lehren der Soziologie abstammen, lehnte die antiken und modernen Wissenschaftsrichtungen ab, wie sie sich im Werk von Cusanus, Leonardo, Kepler u.a. ausdrücken, aber sie war ironischerweise eine Abkehr von den schlimmsten Aspekten mittelalterlicher europäischer Kultur insofern, als sie begrenzten technologischen Fortschritt zuließ, wobei aber die Untersuchung der tatsächlichen Erkenntnisprozesse verboten war, durch die z.B. mit den Methoden von Brunelleschi, Cusanus, Leonardo, Kepler, Fermat, Leibniz, Gauß und Riemann experimentell beweisbare universelle physikalische Prinzipien erzeugt werden.

    Leider gründen sich die meisten herrschenden Lehren der modernen Soziologie, der politischen Theorie und Wirtschaftsvorhersage auf jene reduktionistischen Ideologien, die sich vom empiristischen Einfluß Paolo Sarpis ableiten.

    Um den Punkt zu verdeutlichen, der für die Soziologie des jüngsten Wahlsiegs der Demokraten maßgeblich ist, nehme man Wernadskijs dynamische Definition lebender Prozesse aus den 30er Jahren als Beispiel. Wernadskij betonte, daß zwar in lebenden wie nichtlebenden Prozessen die gleiche Auswahl atomarer Materie auftritt, doch die Organisationsweise lebender Prozesse unterscheide sich vollkommen von der nichtlebender Prozesse. Dadurch definiert sich der Bereich lebender Prozesse und ihrer Produkte als Biosphäre, ein Bereich, der sich von dem Bereich nichtlebender Prozesse als solcher unterscheidet.3

    Ähnlich drücken sich in den Eigenschaften, wie nichtlebende und lebende Prozesse in der spezifisch menschlichen Geschichte organisiert sind, Prozesse aus, die weder im nichtlebenden Bereich oder der Biospäre als solcher auftreten. Das sind die Eigenschaften von Wernadskijs Noosphäre. Überdies besitzt der Bereich menschlicher Geschichte einen höheren Grad antientropischer Entwicklung als der nichtlebende Bereich oder die Biosphäre.4

    Die Welt ist jüngst in eine neue Phase der Geschichte, insbesondere der modernen europäischen Geschichte eingetreten, in der die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie und deren Anwendung zur Förderung von Wachstum und einer höheren Lebenserwartung der Bevölkerung eine Situation erzeugt hat, in der das Führen langwieriger Kriege als Mittel der Politik für vernünftige Regierungen keine verfügbare Option mehr ist. Sie hat vielmehr die Menschheit vor die dringende Aufgabe gestellt, weltweit die Herrschaft der Kernspaltung zu ermöglichen, die zum Beispiel ein unverzichtbares Mittel zur wirtschaftlichen Energieerzeugung und zur dringend benötigten umfangreichen Meerwasserentsalzung ist. Wir stehen darüber hinaus am Rande der Möglichkeit, die Kernfusion umfassend zu nutzen, nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Mittel zur Bewirtschaftung der Rohstoffe des ganzen Planeten im weiteren Sinne.5

    Jetzt, wo die alten Angewohnheiten, die sich die Regierung während der letzten Jahrzehnte zugelegt haben, versagen und sich neue Herausforderungen stellen, muß die Politik von den Gewohnheiten abrücken, die den kulturellen und wirtschaftlichen Absturz der transatlantischen Gesellschaft in den vergangenen vierzig Jahren verursacht haben. Es ist Zeit für eine neue Politik, die eine neue Qualität wissenschaftlicher und klassischer künstlerischer Kreativität betont - eine Veränderung, die in der Entwicklung des schöpferischen Potentials der jungen erwachsenen Bevölkerung wurzeln muß.

    2. Die alte Politik

    Die „alte Politik“, wie sie selbst in den USA noch immer wie eine Art Glaubensritual betrieben wird, ging im Prinzip auf die olympischen Feinde des Prometheus zurück, über den der antike Dramatiker Aischylos in seinem Der gefesselte Prometheus berichtet. Prometheus wurde von dem eigentlichen Satan des Stückes, dem olympischen Zeus, zu ewiger Folter verdammt, weil er die sterblichen Menschen über den Gebrauch des Feuers - oder, wie wir heute vielleicht sagen würden, der Kernspaltung als Energiequelle - aufklärte.

    Diese Tradition, die menschliche Bevölkerung in einem relativ bestialischen Zustand der Verdummung, fast wie Vieh auf der Weide oder im Stall, zu halten, war das schicksalhafte Los des größten Teils der Menschheit in der bekannten antiken, mittelalterlichen und sogar modernen Geschichte. Die spanischen, portugiesischen, holländischen, britischen und französischen Befürworter des Sklavenhandels waren bis zum Sieg von US-Präsident Lincoln über die britische Unterstützung des Sklavenhandels der spanischen Monarchie im 19. Jh. das relativ extreme Beispiel dieser Politik des zutiefst satanischen Zeus, wie dieser von Aischylos dargestellt wird. Bemerkenswert sind dabei die Todesstrafen, die in den von London gestützten Südstaaten gegen diejenigen verhängt wurden, die Sklaven das Lesen oder Schreiben lehrten.

    Selbst der Bruch mit Europas Politik der Sklaverei in Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent -  ein von Präsident Lincolns Sieg über Lord Palmerstons Südstaaten und den Nazivorläufer Kaiser Maximilian in Mexiko definierter Wendepunkt - befreite die Menschheit nicht notwendigerweise von der damit verbundenen Sklaverei kultureller Dekadenz. Diese fortdauernde Dekadenz drückte sich dadurch aus, daß tierische Triebe und Begierden die Rolle kreativer Vernunft bei der Verbesserung der menschlichen Lebensumstände ersetzten.

    Die nötigen Veränderungen der menschlichen Verhältnisse entstehen dadurch, daß das menschliche Denken durch die Entwicklung kreativer Fähigkeiten, die auf dem höchsten Ausdruck wissenschaftlicher und künstlerischer Revolutionen in der Geschichte gründen, verändert wird. Der alte Satan, der olympische Zeus aus Aischylos’ Der gefesselte Prometheus, herrschte noch immer im Rahmen der verbreiteten Volksmeinung. Die Menschen ließen sich von Tyrannen beherrschen, weil sie sich nicht selbst regiert haben; das wäre nur möglich gewesen, wenn sie den in der Knechtschaft wurzelnden Populismus aufgegeben und sich zu Repräsentanten dessen gemacht hätten, was ich hier die Neue Politik nenne.

    Sarpis Empirismus und der seiner Anhänger Galileo, Sir Francis Bacon, Thomas Hobbes, John Locke, Descartes, de Moivre, D’Alembert, Leonhard Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy u.a. untersagte jedes Wissen wirklicher universeller physikalischer Prinzipien, ganz ähnlich wie ihr Vorkämpfer Voltaire versuchte, die Naturwissenschaften wie auch die Künste dazu zu mißbrauchen, nur noch Ramsch wie die seelenlose Musik von Rameau und Fuchs zu erzeugen. Die Maßregeln der Empiristen erlaubten damals wie heute nur mit großer Mißgunst ein gewisses Maß an intellektueller Schwangerschaft, unter der Bedingung, daß die fruchtbaren Methoden geistiger Fortpflanzung nicht nur verheimlicht, sondern regelrecht geleugnet würden.

    In der modernen europäischen Gesellschaft führte der „aufgeklärte“ empiristische Bann gegen das allgemeine Wissen von der Entdeckungsmethode universeller physikalischer und klassischer Kunstprinzipien zum Aufkommen „populistischer“ Lobgesänge auf die angeblichen Tugenden allgemeiner Unwissenheit über die gesetzmäßigen Entdeckungsprinzipien in Naturwissenschaften und klassischer Kunst. Die Ideologie der heutigen „Populärwissenschaft“ und „Unterhaltung“ sind oft ein Ausdruck davon, wie moderne Liberale und andere aus der allgemeinen Ignoranz einen Kult gemacht haben: Ignoranz jener Prinzipien, die den grundlegenden Unterschied zwischen dem Menschen und niederen Lebensformen ausdrücken.

    Die Rolle, die der satanistische „Kongreß für kulturelle Freiheit“ im Europa nach Franklin Roosevelts Tod spielte, sowie die prosatanische US-Unterstützung für die existentialistischen Kreise von Heidegger, Adorno, Horkheimer, Arendt u.a. und die damit verwandte Förderung Bertolt Brechts sind typisch dafür, wie die USA die Tradition der anglo-holländischen Liberalen übernahmen und damit eine Politik menschlicher kultureller Neotenie (bzw. Neotonie)6 betrieben, so wie ich die Absicht hinter einer solchen induzierten Neotenie in einem kürzlich erschienenen Aufsatz beschrieben habe.

    Diese Entwicklung, für die der satanische Kongreß für kulturelle Freiheit in Europa und ein paralleles Programm, welches sich gegen die Bevölkerung der USA richtete, stehen, war von den maßgeblichen anglophilen Strömungen innerhalb der USA zusammen mit ihren anglo-holländischen liberalen Partnern entworfen worden, um die Wurzeln der oligarchischen Traditionen im „alten Europa“ aufzufrischen. Der so erneuerte Ausdruck des Sophismus basierte wie derjenige, der das Athen von Perikles dem Untergang weihte, auf der vermeintlichen Unveränderlichkeit der Traditionen, hinter denen sich die oligarchischen Einflüsse wie Drachenzähne verbergen, bereit, sich zu erheben und die Nation im Namen der Tradition erneut zu erfassen. Zu diesem Zweck mußte man nur die kulturellen „Kinderkrankheiten“ der Menschheit wiedererwecken, besonders jene, die sich heimlich im infizierten Boden des „alten Europa“ verbergen.

    Der Begriff des „alten Europa“

    Das, was die USA mit ihrer antiempiristischen Unabhängigkeitserklärung und Verfassung wurden, war eine Schöpfung von Europäern, denen die Umsicht gebot, in relativ sicherer Entfernung vom „alten Europa“ und seiner tiefsitzenden Fäulnis oligarchischer Traditionen eine wahre Republik mit den besten Traditionen und Ideen Europas zu errichten.

    Der ursprüngliche Impuls für die Besiedelung des amerikanischen Kontinents kam bereits aus der „Goldenen Renaissance“, als im Rahmen des großen ökumenischen Konzils von Florenz die moderne Zivilisation geboren wurde. Die Rückschläge, die die Umsetzung der Konzilbeschlüsse durch den Fall Konstantinopels und die von Spanien entfesselten Religionskriege erlitten, veranlaßte maßgebliche Europäer dazu, nach Örtlichkeiten jenseits des problembehafteten Mittelmeerraumes zu suchen, wo man die Prinzipien des Konzils verwirklichen könnte.

     Der erste spezifische Ansatz in dieser Richtung kam von Nikolaus von Kues, der mit seiner Lehre die moderne europäische Wissenschaft begründete.

    Nikolaus von Kues reagierte auf den Fall Konstantinopels mit dem Vorschlag, die Ozeane zu erkunden und Verbindungen zu entwickeln, auf denen eine zukünftige Weltordnung zwischen den Völkern aufgebaut werden könnte. Dieser Vorschlag des Kardinals Nikolaus von Kues, der 1464 starb, erlangte die Aufmerksamkeit eines genuesischen Kapitäns, der im Dienste der Portugiesen stand: Christopher Kolumbus. Kolumbus’ Briefwechsel mit einem Freund des Cusaners, dem italienischen Wissenschaftler Paolo dal Pozzo Toscanelli, in der Zeit um 1480 erweiterte Kolumbus’ Kenntnis über die Werke des Nikolaus von Kues und lieferte entscheidende wissenschaftliche Hilfen für die Wiederentdeckung des Kontinents jenseits des Atlantik durch den erfahrenen Seefahrer Kolumbus.

    Während dieser Zeit verbreiteten sich die Ideen des Kardinals Nikolaus von Kues in Breite und Tiefe als die wesentlichen Konzepte bei der Entstehung der modernen europäischen Zivilisation aus dem selbstverschuldeten Ruin der bis dahin herrschenden ultramontanen Allianz aus normannischen Kreuzfahrern und der venezianischen Finanzoligarchie. Vor allem definierte der Kusaner das Konzept des modernen souveränen Nationalstaates (Concordantia Catholica), der modernen experimentellen Wissenschaft (De Docta Ignorantia) und des ökumenischen Prinzips eines Religionsfriedens (De Pace Fidei) (letzteres spielte später für Kardinal Mazarin beim Zustandekommen des Westfälischen Friedens 1648 eine entscheidende Rolle). Gestärkt durch die neue Form von Gemeinwesen, die Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England errichteten, ebneten diese Entwicklungen den Weg für die Bestrebungen im Massachusetts Bay Commonwealth der Winthrops und Mathers - wie sie bereits in Thomas Morus’ Utopia anklangen -,  auf dem amerikanischen Kontinent neue Republiken zu errichten und die besten Ideen und Traditionen Europas als neue Formen von Commonwealth-Gesellschaften in kluger geographischer Entfernung weiterzutragen.

    Diese Entwicklungen des 15. Jh. definieren den Begriff des „alten Europa“ im Unterschied zu dem ganz verschiedenen Gesellschaftssystem, welches das moderne Europa darstellte. Die Wiederbelebung von Altlasten wie dem mittelalterlichen ultramontanen System durch das Anknüpfen an feudale Systeme und die venezianische Finanzoligarchie pflanzte den Fluch des „alten Europa“ erneut in den innerlich zerrissenen Körper des neuen ein.

    Die Krise der modernen europäischen Kultur

    Die Werke des großen François Rabelais, die sich in Cervantes’ Spott über die moralische und intellektuelle Dekadenz der spanischen Habsburger wiederfinden, sind beispielhaft, uns zu helfen, den inneren Konflikt des Kulturkrieges zwischen der italienischen Renaissance und der dem neuen finsteren Zeitalter verhafteten Mentalität des bösen Großinquisitors Tomás de Torquemada darzustellen, jener kriminellen Hitler-Tradition, die in denselben Jahren von Spanien ausging, als Kolumbus 1492 seine erste Amerika-Überfahrt antrat.

    Der London nahestehende savoyische Graf Joseph de Maistre definierte die Antirenaissance-Politik, die seit 1492 bis heute den Maßstab für die unerbittliche Opposition gegen das Erbe der „Goldenen Renaissance“ des 15. Jh. in Europa abgibt. Dieser Maßstab wurzelt in einer radikalen Rückkehr zu jener mittelalterlichen, ultramontanen Allianz der venezianischen Finanzoligarchie und der normannischen Ritterschaft, die von 1492 an eine wütende Judenverfolgung betrieb und an die mittelalterlichen Kreuzzüge gegen den Islam anknüpfte. Diese Kombination ist bis zum heutigen Tag das zentrale Merkmal der traditionellen Kraft für das größte Übel innerhalb Europas. Der gesamte Zeitraum von der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 bis zum Westfälischen Frieden 1648 ist die Wasserscheide, an der die europäische Zivilisation, die jetzt implizit weltweiten Einfluß hat, bis zum heutigen Tag zwischen den Kräften der modernen Zivilisation und dem barbarischen normannisch-venezianischen Erbe gespalten ist.

    Um die Bedeutung der Rolle Torquemadas zu verstehen, muß man die Schriften des martinistischen Freimaurers de Maistre studieren, der darin die prosatanische Politik Torquemadas als juristischen Präzedenzfall für die Massenhinrichtungen während des Jakobinerterrors bezeichnet. De Maistre war es auch, der eigenhändig die neue Persönlichkeit Napoleon Bonapartes maßschneiderte und so Napoleon zum Vorläufer und Vorbild für die Erschaffung der öffentlichen Person eines Adolf Hitlers machte, dessen Antisemitismus und verwandten Praktiken sich über den Jakobinerterror und Napoleon Bonaparte direkt auf den Großinquisitor Tomás de Torquemada zurückführen lassen. Diese Tradition findet noch heute Ausdruck in der aktiven faschistischen Internationale, und das nicht nur bei den synarchistischen Faschistenbanden Pinochets in Mittel- und Südamerikas, sondern auch bei den verwandten rechtsradikalen Kreisen der Familie William F. Buckleys in den USA.

    Das ist die Haupttrennlinie politischer Trends, die noch heute von Mittel- und Westeuropa bis nach Amerika und darüber hinaus verläuft. Genauso ist auch Europa seit der Zeit des Großinquisitors Torquemada bis zum heutigen Tag gespalten. Dieses Übel verfolgte die europäischen Siedler  über den Atlantik, und es ist noch heute die Hauptkraft des Übels, das in der ganzen Welt zusammen mit venezianischen finanzoligarchischen Interessen wirksam ist.

    Somit hat Kolumbus 1492 solches Übel nicht mit nach Amerika gebracht. Vielmehr repräsentieren Kolumbus und Torquemada den Konflikt zwischen den sich gegenüberstehenden Kräften von Gut und Böse im Spanien der damaligen Zeit. Der Umstand, daß das moderne Europa im Blut des langen Konfliktes von 1492-1648 ertränkt wurde, ist entscheidend zum Verständnis jenes Konflikts, der der einzige wirkliche Ozean ist, der die Gründung der konstitutionellen Republik der USA von der Pest der oligarchischen Traditionen trennt, die in Mittel- und Westeuropa noch heute auf ihre Entwurzelung wartet.

    Natürlich hielten auch in dem, woraus dann die USA wurden, entsprechende Komplikationen Einzug.

    Der Frieden von Paris im Februar 1763 begründete den offenen Konflikt, den wir heute als den Kampf um politische Freiheit von der imperialistischen Tyrannei der anglo-holländischen liberalen Ostindiengesellschaft Lord Shelbournes kennen. Wie die Kernfragen dieser Geschichtsepoche von meinen Mitarbeitern Allen Salisbury, Anton Chaitkin und H. Graham Lowry7 ausgearbeitet wurden, unterteilten die Entwicklungen in London seit Februar 1763 die einflußreichen Kreise in den englischsprachigen Kolonien Amerikas in zwei Fraktionen. Für die erste stand der international angesehene Wissenschaftler und Patriot Benjamin Franklin, die zweite bestand aus Franklins Widersachern, die im Gebiet Neuenglands von derselben Fraktion verkörpert wurden, die schon gegen die Winthrops und Mathers als notorische britische Agenten Front machten, die sogenannte Essex-Junto. Der Verräter Aaron Burr zum Beispiel, ein Agent von Shelbournes außenpolitischem Drahtzieher Jeremy Bentham, steht für all die faktischen Verräter, die mit ihren Nachfahren und einigen Ergänzungen aus der Familie Bonaparte bis heute meine eigenen erbittertesten politischen Feinde innerhalb der USA sind.

    Die siegreiche Mobilisierung von US-Präsident Abraham Lincoln gegen die von London geschaffene Confederacy (die Konföderation der Südstaaten) machte die USA zum führenden Nationalstaat der Welt und zum aufsteigenden Rivalen um die Seevormacht des britischen Weltreichs der anglo-holländischen liberalen Finanziers. In der Zeit um die Jahrhundertausstellung 1876 in Philadelphia bis etwa 1879 hatte sich das amerikanische Wirtschaftsmodell als führender Einfluß nach Deutschland, Rußland, Japan und anderswohin ausgebreitet. Für London war diese Ausdehnung des amerikanischen Systems der politischen Ökonomie eine tödliche Bedrohung seiner imperialen Überlegenheit zur See.

    Entsprechend wurde 1890 mit der Entlassung von Reichskanzler Bismarck, die durch des Kaisers britischen Onkel, Prinz Edward Albert („Der Herr der Inseln“), veranlaßt wurde, und durch Prinz Edwards anderen unglückseligen Neffen, Rußlands Zar Nikolaus II. ein Prozeß in Gang gesetzt, der über den Zeitraum von der Entlassung Bismarcks bis zur Ermordung des patriotischen US-Präsident McKinley am 14. September 1901 dazu führte, daß letztlich die Kreise zweier Kinder der Confederacy in die Präsidentschaft kamen: Theodore Roosevelt, ein Neffe des Chefs des konföderierten Geheimdienstes in London, und der fanatische Ku-Klux-Klan-Anhänger Woodrow Wilson.

    Abgesehen von den Präsidentschaften unter Taft und Harding wandelte sich die US-amerikanische Politik seit der Ermordung McKinleys 1901 bis zur Amtseinführung Franklin D. Roosevelts am 4. März 1933 radikal um. London galt nicht mehr als Sitz des Hauptfeindes unserer Nation, sondern es entstand eine Allianz der USA mit dem britischen König Edward VII. zur Unterstützung von dessen imperialen geopolitischen Kriegen gegen jene Nationen Europas, die das amerikanische System der politischen Ökonomie als ihr Entwicklungsmodell angenommen hatten!

    Mit dem Tod Franklin Roosevelts am 12. April 1945 und der Amtseinführung seines Nachfolgers setzte wieder ein Trend zurück zum Erbe Theodore Roosevelts, Wilsons und Coolidges ein. Die Präsidenten Eisenhower und Kennedy waren Ausnahmen, und auch Präsident Lyndon Johnson zeigte ähnliche Absichten, aber mit der Amtseinführung von Präsident Nixon saß London wieder im amerikanischen Wirtschaftssattel, wie schon zuvor unter Theodore Roosevelt, Wilson und Coolidge.

    Diese Teilung in der europäischen Kultur ist der Schlüssel zum Verständnis der existentiellen Bedrohung, vor der die USA heute stehen.

    Die gegenwärtige Bedrohung durch das „alte Europa“

    Wie der Vergleich zwischen Franklin Roosevelt und seinen erwähnten Vorgängern zeigt, ist das institutionelle Erbe der Amerikanischen Revolution und ihrer Verfassung ein starker, tief verwurzelter Teil der amerikanischen politischen Tradition. Ein Tier ist kulturell sozusagen gerade erst geboren; ein Mensch, eine Gesellschaft jedoch ist überwiegend ein Erzeugnis der Geistesgeschichte seines Volkes, und folglich erbt der einzelne Mensch tief in der Gesellschaft eingebettetes „Keimmaterial“, welches - wie neugebornes Leben - erneut aufgehen kann, selbst wenn es in der Gesellschaft über Generationen hinweg geruht zu haben scheint.

    Das ist es, was unsere Gegner, insbesondere jene in Europa, heute an den USA fürchten. Die britische Oligarchie ist sich der Kränkungen, die es in den letzten Jahrhunderten von amerikanischer Hand erlitten hat, empfindlich bewußt, und da wir und jene Oligarchie durch eine vermeintlich gemeinsame Sprache voneinander getrennt sind, sind sich die britischen Meisterspione und ähnliche Ideologen überaus bewußt darüber, welche Gefahr unsere Tradition für ihr System bedeutet, sollten wir uns wie die Präsidenten Washington, Lincoln und Roosevelt sowie auch Präsident Eisenhower dafür entscheiden, uns aus dem Griff der korrumpierenden intellektuellen Ketten des anglo-holländischen Liberalismus zu befreien.

    Auf ähnliche Schwierigkeiten trifft man in anderen Gegenden des alten Europas: In Frankreich auf das napoleonische Erbe, in Deutschland auf die oligarchische Tradition sozialer Klassen. Italien ist in ganz West- und Mitteleuropa den USA in mancherlei Weise am nächsten, und dafür gibt es Gründe.

    Diese Frage kann und muß näher untersucht werden. Der Schlüssel für die tiefgreifende moralisch-politische und andere kulturelle Korruption Europas ist die Tatsache, daß die Regierungen dort ihr Geburtsrecht auf Freiheit wie in der Legende für einen Teller Suppe verkauft haben. Sie haben parlamentarische Systeme, unter denen Regierungen, so wie heute, im wesentlichen Lakaien privater Finanzinteressen sind, die das Zentralbankenwesen kontrollieren. Dementsprechend haben sie in allen Bereichen, die von der liberalen Vormachtstellung privater Zentralbankensysteme aus venezianischer Tradition in Fesseln gelegt sind, keinerlei wirkliche Souveränität.

    Dieser potentiell tödliche oligarchische Schwachpunkt im europäischen Souveränitätsverständnis ist die wesentlichste Korruption, sozusagen das Wesen des alten Europas im modernen Europa unserer Tage.

    Unter Bedingungen, wo fehlgeleitete Europäer und andere den anglo-holländischen Liberalismus der üblichen Verfassungskultur der USA vorziehen, sind die Europäer viel leichter potentielle Sklaven für anglo-holländische diktatorische Systeme wirtschaftlicher und ähnlicher Vergewaltigung. Sie wollen aus diesem Grund lieber von den Briten vergewaltigt werden, anstatt das zukünftige Eheglück mit Amerikanern zu suchen. Es ist jedoch für unseren unmittelbaren Zweck hier entscheidend, daß ihnen das tiefsitzende Gefühl moralischer Autorität fehlt, wie es Franklin Roosevelt vom 4. März 1933 an zeigte - eine Qualität nationaler Souveränität, die typisch amerikanisch ist.

    Fortsetzung folgt


    Anmerkungen

    1. Kompetente langfristige Wirtschaftsvorhersagen gründen sich auf das Modell der Astronomie Johannes Keplers, wie es dann durch die Leibnizsche Dynamik weiterentwickelt und durch Bernhard Riemanns Methode der physikalischen Hypergeometrien (d.h. physikalische Tensoren) ausgedrückt wurde.

    2. Dazu beachte man die wiederholten Hinweise meiner Ehefrau Helga auf das epochemachende Urteil Friedrich Schillers über die schrecklichen Implikationen des Terrors der Französischen Revolution für die Geschichte: Ein großer Moment hat ein kleines Geschlecht gefunden. Die Hauptrichtung des Kulturoptimismus und wissenschaftlicher und künstlerischer Fruchtbarkeit, die aus der kombinierten Wirkung der klassischen Renaissance Moses Mendelssohns, Gotthold Lessings und der Amerikanischen Revolution von 1776-1789 entstand und der europäischen Zivilisation jener Zeit neuen Auftrieb gab, wurde durch die dekadente Romantik des frühen 19. Jh. verdrängt. Das geschah insbesondere infolge der kombinierten Wirkung des Hitler-Vorgängers Napoleon Bonaparte, einer Schöpfung des martinistischen Freimaurers Graf Joseph de Maistre, und des Wiener Kongresses von 1814-15.

    3. Lyndon H. LaRouche, jr. “Wernadskij und das Dirichlet-Prinzip”, 3. Juni 2005, deutsch in Fusion 2/2005.

    4. Ebenda

    5. D.h. die Vorstellung einer „eurasischen Wirtschaft“, die Idee einer Gruppe souveräner Nationalstaaten, die gemeinsam ihre eigenen und kombinierten Volkswirtschaften durch langfristige Vertragsabkommen im Geiste von Präsident Franklin Roosevelts Bretton Woods-System relativ fester Wechselkurse und niedriger Zinsen langfristig entwickeln. Hierzu siehe die Mitschrift des ersten LPAC-Internetforums in Berlin am 6. 9. 2006 (in EIR, 15. September 2006).

    6.  Eine Wortschöpfung (abgel. von Neotonie), die sich an einen von Julian Huxley u.a. eingeführten Begriff anlehnt. Die Alternative ist Neotenie, beide vom Altgriechischen abgeleitet. Andere Nebenbedeutungen sind die Erzeugung der Veränderung oder der Zustand, der der Veränderung folgt. Ich betone beide Möglichkeiten, um den Vorgang der Veränderung zu unterstreichen.

    7. Allen Salisbury, The Civil War and the American System: America’s Battle with Britain, 1860-1876, New York, Campaigner Publications, 1978; Anton Chaitkin, Treason in America: From Aaron Burr to Averell. Harriman, New York, New Benjamin Franklin House, 1985; H. Graham Lowry, How The Nation Was Won: America’s Untold Story, Washington, D.C., Executive Intelligence Review, 1987.

    Lesen Sie hierzu bitte auch:
    Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
    - Internetseite des Schiller-Instituts
    Internetseite der LaRouche-Jugendbewegung in Deutschland
    Internetseite der internationalen LaRouche-Jugendbewegung
    - in englischer Sprache

     

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