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Neue Solidarität
Nr. 44-45, 30. Oktober 2025

Die Zukunft gehört Afrika

Von John Dramani Mahama,
Präsident von Ghana

Ausführliche Auszüge aus der Rede des Präsidenten von Ghana, John Dramani Mahama, am 25. September 2025 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen; Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.

(…) Anläßlich dieser 80. Jahrestagung der Vollversammlung der Vereinten Nationen möchte ich über die Rolle Afrikas in der Zukunft der Organisation sprechen. Dies ist jedoch nicht möglich, ohne zuvor die kollektive Rolle Afrikas bei der Gründung der Organisation zu betrachten, die gering und relativ unbedeutend war. Von den 51 Mitgliedstaaten, die 1945 an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt waren, waren nur vier afrikanische Staaten: Ägypten, Äthiopien, Liberia und Südafrika.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daß die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen wurden, weil ihr Vorläufer, der Völkerbund, nicht in der Lage war, einen großen globalen Konflikt zu verhindern, was sein Leitziel bei seiner Gründung 1920 nach dem Ersten Weltkrieg gewesen war. Von den 42 Gründungsmitgliedern des Völkerbundes waren nur drei afrikanische Staaten: Liberia, die Union Südafrika und Äthiopien. Ägypten trat später, im Jahr 1937, bei. Die kollektive Beteiligung Afrikas an der Gründung dieser Organisation war ebenfalls gering und relativ unbedeutend. Das liegt daran, daß vor allen anderen Gesprächen und Treffen Vertreter einer Gruppe von 14 Nationen in Berlin zu einer Reihe von Gesprächen zusammenkamen, die 1884 begannen und zur Aufteilung und formellen Kolonialisierung des Kontinents führten - auch bekannt als „Wettlauf um Afrika“.

Bekanntlich „ist die Vergangenheit der Prolog“. Nun, in der Vergangenheit wurde die Mehrheit der 54 Nationen, aus denen Afrika heute besteht, nie an den Tisch eingeladen, an dem Pläne für eine neue Weltordnung entworfen wurden. Aber wie es das Schicksal so wollte, hat sich das Blatt gewendet, und Afrika wird eine große und folgenreiche Rolle bei der Gestaltung der Zukunft dieser Welt spielen. Nach Prognosen der Vereinten Nationen werden bis zum Jahr 2050 mehr als 25% der Weltbevölkerung vom afrikanischen Kontinent stammen. Darüber hinaus wird bis 2050 ein Drittel aller jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent leben. Sie sehen also, die Zukunft gehört Afrika.

Lassen Sie mich das noch einmal sagen, etwas lauter für die Leute hinten: Die Zukunft gehört Afrika!

Schon heute ist Afrika ein Katalysator für menschliches Potential und Entwicklung sowie für wirtschaftliche Reformen und ökologische Stabilität. Afrika ist ein Katalysator für systemischen Wandel. Wenn diese Realität - die auf Fakten basiert und eindeutig ist - provokativ oder beunruhigend erscheint, liegt das vielleicht daran, daß man sie durch den Filter von Jahrhunderten des Rassismus, Kolonialismus, Imperialismus und der daraus resultierenden impliziten Voreingenommenheit betrachtet.

Vielleicht ist man sich der Widerstandsfähigkeit der afrikanischen Nationen oder ihrer bemerkenswerten Fähigkeit nicht bewußt, ein starkes Comeback zu feiern, gerade wenn man sie schon abgeschrieben hat. Genau das geschieht derzeit in Ghana…

Zu Ehren dieser bedeutenden Feierlichkeit sollten auch die Vereinten Nationen einen Prozeß der ernsthaften Neukalibrierung einleiten und ihre eigene Agenda für einen Neuanfang aufstellen. Seit der Gründung der Organisation hat sich die Zahl der UN-Mitgliedstaaten fast vervierfacht. Und ganz offen gesagt ist die Welt nicht mehr dieselbe wie damals…

1945 war die Sonne über dem größten Imperium der Geschichte noch nicht untergegangen; die gängigste Art des internationalen Reisens war die Seefahrt; der Computer war noch nicht erfunden, geschweige denn ein tragbarer; und das Fernsehen, eine neue Errungenschaft, steckte noch in den Kinderschuhen, und das in Schwarz-Weiß…  80 Jahre später, in der heutigen Welt, starten und landen täglich 100.000 kommerzielle Flüge; Bibliotheken wurden digitalisiert, sodaß ganze Literaturwerke auf einem Gerät gespeichert werden können, das klein genug ist, um in Ihre Tasche zu passen…

UN-Charta ist veraltet

Die Gründungsurkunde der Vereinten Nationen ist in Bezug auf die Repräsentation veraltet. Die mächtigsten Nationen der Nachkriegszeit werden immer noch mit einer fast totalitären Vormundschaft über den Rest der Welt belohnt. Und doch heißt es im ersten Satz von Kapitel 2, Artikel 1 der UN-Charta: „Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.“

Wenn das tatsächlich der Fall wäre, hätte ein Kontinent, der so groß ist und so viele UN-Mitgliedstaaten hat wie Afrika, mindestens einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Darüber hinaus sollte das Vetorecht nicht auf fünf Nationen beschränkt sein und es sollte nicht absolut sein. Es muß eine Möglichkeit für die Vollversammlung geben, einem Veto entgegenzuwirken. Keine einzelnes Land sollte in der Lage sein, ein absolutes Veto einzulegen, um eigene Interessen in einem Konflikt durchzusetzen.

1995, anläßlich des 50jährigen Bestehens der Vereinten Nationen, stand Nelson Mandela genau an dieser Stelle. Er sagte: „Die Vereinten Nationen müssen ihre Rolle neu bewerten, ihr Profil neu definieren und ihre Strukturen neu gestalten. Sie sollten die Vielfalt unseres Universums wirklich widerspiegeln und die Gleichberechtigung der Nationen bei der Ausübung von Macht innerhalb des Systems der internationalen Beziehungen gewährleisten. Im allgemeinen und speziell im Sicherheitsrat.“

30 Jahre später stellen wir afrikanischen Staats- und Regierungschefs immer noch dieselbe Forderung: einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat mit Vetorecht. Deshalb stehe ich heute, Frau Präsidentin, an ebendieser Stelle und frage: Wenn nicht jetzt, wann sonst? Wir fordern nicht nur eine Reform des Sicherheitsrats, sondern auch eine Neugestaltung der globalen Finanzarchitektur, die bisher gegen Afrika gerichtet ist. Afrika muß mehr Mitspracherecht in den multilateralen Finanzinstitutionen der Welt haben…

Zusammenbruch des Multilateralismus

Wir leben in gefährlichen Zeiten. Unsere Welt erlebt derzeit eine Zunahme von Nationalismus und wirtschaftlicher Instabilität. Es gibt einen allgemeinen Zusammenbruch des Multilateralismus; es wurden verschiedene Aggressionen gegen die Souveränität anderer begangen, und Nationen versuchen, eben die Schutzmaßnahmen zu umgehen, die eingerichtet wurden, um einen großangelegten globalen Konflikt zu verhindern. Diese Bedingungen ähneln nur allzusehr denen, die dazu führten, daß der Völkerbund sein Mandat nicht erfüllen konnte.

Die Verweigerung von Visa für Präsident Abbas und die palästinensische Delegation schafft einen negativen Präzedenzfall und sollte allen Mitgliedstaaten große Sorge bereiten. Ghana hat den Staat Palästina seit langem anerkannt und unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung des Konflikts. Entgegen den Behauptungen einiger wäre eine Zwei-Staaten-Lösung keine Belohnung für die Hamas, sondern eine Gnadenfrist für Hunderttausende unschuldige Menschen, die nur deshalb kollektiver Bestrafung und erzwungener Hungersnot ausgesetzt sind, weil sie Palästinenser sind.

Seit fast zwei Jahren haben wir hier in dieser Vollversammlung aus Angst vor Repressalien mit Worten Verstecken gespielt, um die richtigen Formulierungen zu finden, mit denen wir das, was wir alle wissen, was dort geschieht, umgehen oder entschuldigen können. Aber die Sache ist die: Egal wie man es nennt, wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann...

Das Problem der Migration

Vergessen wir einmal Euphemismen und codierte Botschaften und sprechen offen. Es ist kein Geheimnis, daß die Regierungen westlicher Länder, wenn sie sich über ihre Migrationsprobleme beklagen, das oft auf Einwanderer aus dem Globalen Süden beziehen…

Warsan Shire, eine somalisch-britische Dichterin, die als Tochter somalischer Flüchtlinge in Kenia geboren wurde, war Londons erste Jugend-Poeta Laureata. In ihrem Gedicht „Heimat” schreibt sie:

Frau Präsidentin, in einer zunehmend unsicheren Welt steigen die Verteidigungsausgaben der bilateralen Partner, und die öffentliche Entwicklungshilfe wird drastisch gekürzt. Seit Juli 2024 ist die humanitäre Hilfe für Afrika um 40% zurückgegangen. In dieser Zeit globaler Unsicherheit muß Afrika seine Souveränität über seine natürlichen Ressourcen ausüben, um die notwendigen Mittel zur Sicherung des Wohlergehens seiner Bürger aufzubringen. Die Zeiten, in denen riesige Konzessionsgebiete an ausländische Interessen zur Ausbeutung vergeben wurden, müssen ein Ende haben. Wir werden ausländische Investitionen weiter begrüßen, aber wir müssen besser verhandeln, um einen größeren Anteil an den natürlichen Ressourcen zu erhalten, die uns gehören.

Wir sind es leid, immer wieder das Bild von armen, von Krankheiten geplagten ländlichen Gemeinden zu sehen, die am Rande riesiger, von ausländischen Unternehmen kontrollierter Konzessionsgebiete leben.

Wir sind es leid, daß Menschen uns so viel wie möglich ausbeuten und uns im Gegenzug nur ein Minimum an Respekt, Rücksichtnahme und Würde entgegenbringen.

Wir sind es leid, nicht so dargestellt zu werden, daß der Reichtum und die Komplexität unserer Geschichte zum Ausdruck kommen und all das anerkannt wird, was wir überwunden haben, um hierher zu gelangen, an diesen Schwellenort unermeßlicher Möglichkeiten.

Ich möchte mich den Worten der indisch-amerikanischen Schriftstellerin Arundhati Roy anschließen, die schrieb: „Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist bereits auf dem Weg. An einem ruhigen Tag kann ich sie atmen hören.“

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