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Von Daniel Burke
Daniel Burke ist Mitglied des amerikanischen Schiller-Instituts. Im vierten Abschnitt der Berliner Konferenz „Der Mensch ist nicht des Menschen Wolf!“ am 12. Und 13. Juli 2025 hielt er den folgenden Vortrag (Übersetzung aus dem Englischen).
„Große Geister weilen derzeit auf Erden.“ So beginnt ein Sonett von John Keats aus dem Jahr 1817. Mit erwartungsvollem Optimismus lobt er die genialen Dichter, die damals in England tätig waren und von denen er sagt, daß sie „der Welt ein neues Herz und einen neuen Puls geben werden“.
Sollten wir diesen Vers nicht auch heute rezitieren, wo unsere Hoffnungen und Wünsche für die Menschheit durch die Qualität der Führung geweckt werden, die heute auf diesem Planeten existiert und die sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschheit in eine neue Beziehung zum Universum zu führen – zunehmend als reife Spezies, die sich der Entwicklung der Menschheit als Ganzes verschrieben hat? Wer den Äußerungen der Staatschefs auf der jüngsten BRICS-Konferenz aufmerksam zuhört, wird dieses Potential erkennen.
Wenn die miserablen Leistungen der Politiker in den europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten Ihren Optimismus dämpfen, kann Ihnen niemand einen Vorwurf machen. Aber dann ist jeder von uns aufgerufen, diesen Zustand und die Kultur, die ihn hervorgebracht hat, zu ändern. Wir müssen unsere angeborene Fähigkeit zu kreativem Denken nutzen, um eine Idee einzubringen, die für unsere Gesellschaft und für die gesamte Menschheit notwendig ist – die Idee einer neuen, gerechten internationalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur.
In diesem Zusammenhang muß das Potential – und die Notwendigkeit – einer globalen Jugendbewegung, die sich gemeinsam für diesen Wandel einsetzt, tief empfunden werden. In der Jugend sehen die älteren Generationen die Zukunft. Wenn die jungen Generationen gemeinsam die Liebe zur Menschheit verkörpern, die unsere Welt braucht, welcher Elternteil könnte sie dann ablehnen?
Lyndon LaRouche hat uns oft geraten, daß der Schlüssel zu einem solchen Prozeß darin liegt, Spaß zu haben! Spaß daran, betrügerische Axiome zu widerlegen und andere zu inspirieren, ihre eigene kreative Identität zu entdecken.
Was steht dem Fortschritt eines so entscheidenden Wandels im Weg, der seit über fünfzig Jahren die Mission der internationalen LaRouche-Bewegung und aller ist, die Verantwortung für die nächsten fünfzig Jahre der Menschheit übernehmen? Was sind die Aspekte unserer eigenen kulturellen Identität, die wir für selbstverständlich halten – die wir nicht einmal sehen –, weil sie das Goldfischglas sind, in dem wir schwimmen? Wir befinden uns in Wirklichkeit in einem weiten blauen Ozean, schwimmen aber nur in kleinen Kreisen herum, als hätten wir unser Goldfischglas nie verlassen.
Denken Sie an die Menschen, mit denen Sie über diese Konferenz gesprochen haben. Was haben sie Ihnen geantwortet, als Sie ihnen Ihre inspirierende Vision davon vermittelt haben, wohin die Menschheit gehen sollte, und sie eingeladen haben, mitzukommen? „Ja, aber das Problem ist…“ – „Ja, aber…“ -„Denken Sie daran, was andere Leute sagen werden! Niemand sonst wird zustimmen.“ – „Seien Sie realistisch!“
Helga Zepp-LaRouche hat uns gebeten, die Ideologien zu untersuchen, die unsere Gesellschaften zurückhalten, um sie dann geschickt zu überwinden. Heute möchte ich kurz auf das Konzept der vox populi eingehen, auch „öffentliche Meinung“ (public opinion) genannt oder, wie Lyndon LaRouche es manchmal „Schamhaar-Meinung“ nannte, (pubic opinion).
Wir alle wissen, daß das, was populär ist oder nicht – was allgemein bekannt sein darf und akzeptiert wird und was verborgen bleibt oder verunglimpft wird – nicht eine Frage der Meinung der Bevölkerung ist. Ganz im Gegenteil. Eine fortgeschrittene Methode der „Massenpsychologie“, wie sie sich Lord Bertrand Russell, den Lyndon LaRouche als den bösesten Mann des 20. Jahrhunderts bezeichnete, erträumt hatte, wurde eingesetzt, um die sogenannten „Interessen“ des modernen britischen Imperiums und seiner Juniorpartner an der Wall Street zu verteidigen. Soziale Medien und künstliche Intelligenz sind hilfreiche Werkzeuge für diese ruchlosen Absichten.
Das Wesentliche ist jedoch eine Praxis, die viel weiter zurückreicht. Im Jahr 2000 schrieb Lyndon LaRouche Folgendes:
„Bis zum heutigen Tag dominiert das Erbe des heidnischen Roms und seines Reiches die Kulturen der weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation, einschließlich der USA selbst. Typisch für die Verbreitung der romantischen Degeneration, die heute in der politischen Kultur der USA vorherrscht, ist die seltsame Verehrung des bloßen Begriffs ,Demokratie‘, dessen derzeit vermeintlicher Bezugspunkt nichts anderes ist als eine Fortsetzung des Begriffs ,Volksmeinung‘, wie die alte heidnische Oligarchie des patrizischen Roms die vox populi definierte, als die Meinung der verdummten Massen von Raubtieren (populari), die die gemeinsame heidnisch-römische Pest darstellten, auch bekannt als Plebejer. Diese ,Volksmeinung‘ (vox populi) oder ,öffentliche Meinung‘, wie Walter Lippmann sie definierte, war der Mechanismus der Korruption, mit dessen Hilfe die römischen Plebejer als Einsatzkraft für Eroberung und Plünderung gegen die Ziele ihrer Verwüstungen kontrolliert wurden.“
Die riesige Propagandamaschine, bekannt als „Massenmedien“, und ihr häßlicher Cousin, die „sozialen Medien“, sind die offensichtlichsten Elemente dieser Methode der Korruption. Und dann gibt es noch den Profisport, die Popmusik und die Pornographie, die alle die Bevölkerung in dionysische Rasereien versetzen – die sogenannte „Verdummung“ der Bevölkerung.
Womit verbringen Sie Ihre Freizeit? Mit der Entwicklung Ihres Geistes? Mit dem Genuß klassischer Schönheit? Oder reichen Sie der Oligarchie Ihren Kopf auf einem Silbertablett, indem Sie nach dem suchen, was populär ist? Achten Sie darauf, wie unbewußt Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was nur deshalb bemerkenswert ist, weil es populär ist – weil es „trendig“ ist.
Wie oft haben Sie heute auf Ihr Handy geschaut? Wieviel davon liegt einfach daran, daß die Stimme des Volkes ständig an Ihrem Hemd zerrt und Ihnen manchmal ins Ohr schreit?
Sokrates behandelte dieses Thema in Platons Der Staat aus der Perspektive der Verderbnis der Jugend durch die Sophisten, die die Existenz der Wahrheit leugneten und die Vorherrschaft der Rhetorik behaupteten. Sokrates beschreibt den Druck auf die Jugend, Sophisten zu werden – den Jubel und die Buhrufe der Menge und ihrer Lehrer. Wie kann ein junger Mensch, dem beigebracht wurde, daß das gerecht ist, was die Menge dazu bringt, ihn zu akzeptieren, diesem Druck standhalten?
„Daß jeder von jenen um Lohn arbeitenden vereinzelten Leuten, welche von jenen als Sophisten bezeichnet und für Kunstnebenbuhler gehalten werden, nichts Anderes lehrt, als eben die Ansichten der Menge, welche sie hegt, wenn sie beisammen sitzt. Und daß jeder dies dann Weisheit nennt, gerade wie wenn er etwa die Leidenschaften und Begierden eines großen und starken Tieres, welches er füttert, studiert hatte, nämlich wie man sich demselben nähern und es anrühren dürfe; wann es am gefährlichsten und am sanftesten sei und wodurch es dies werde; und bei welchen Dingen es Töne von sich zu geben pflege, und bei welchen Lauten eines Anderen es zahm und wieder wild werde. Und er also dann, wenn er all dies in langem Zusammensein und vielem Zeitaufwande studiert hätte, dies Weisheit nennen und nach Kunstregeln zusammenstellen und hiermit an das Lehren sich machen würde, ohne in Wahrheit irgendwie bezüglich jener Ansichten und Begierden zu wissen, was schön oder schimpflich, oder gut, oder bös, oder gerecht, oder ungerecht sei, sondern alle diese Bezeichnungen nur je nach den Meinungen des großen Tieres gebrauchen würde: etwas Gutes dasjenige nennend, woran jenes Freude hat, und etwas Böses, worüber jenes ungehalten ist, und er hiermit keinen anderen Begriff von solchen Dingen hätte, sondern das Notwendige als das Gerechte und Schöne bezeichnen würde, die Natur aber des Notwendigen und des Guten in ihrem wirklichen Unterschiede weder jemals erblickt hätte, noch einem Anderen sie zu zeigen befähigt wäre.“
Nachdem wir Sokrates zu diesem Thema gehört haben, möchte ich noch auf eine weitere Implikation eingehen.
Jeremy Bentham ist vor allem für sein Werk „Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung“ von 1780 bekannt, in dem er die satanische Doktrin des Utilitarismus begründete – einen regelrechten Angriff auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 und deren republikanische Vorstellung von Mensch und Regierung.
Es war Bentham, der im Auftrag von Lord Shelburne den Jakobinerterror in Frankreich organisierte. Entscheidend dabei war seine Betonung des „Tribunals der öffentlichen Meinung“ – eine Methode, mit der die republikanische Bewegung Lafayettes brutal angegriffen werden konnte.
John Bowring, der Nachlaßverwalter Benthams, faßte dessen Ansichten zum Völkerrecht wie folgt zusammen:
„Auch wenn es keine eindeutige offizielle Autorität gibt, die in der Lage ist, die richtigen Grundsätze des Völkerrechts durchzusetzen, gibt es doch eine Macht, die mehr oder weniger Einfluß auf das Verhalten aller Nationen und aller Individuen hat, wie mächtig sie auch sein mögen. Dies ist die Macht der öffentlichen Meinung; und um diese Macht richtig zu lenken, sollten Regeln des Völkerrechts aufgestellt werden.”
Heute ist die regelbasierte liberale Ordnung nichts anderes als eine benthamitische globale Oligarchie, die versucht, Nationen durch die Macht der Stimme des Volkes zu lenken. Eine irrationalistische Methode, die nur zum Zusammenbruch führen kann.
Werden wir unsere Welt verändern und verbessern, indem wir gemeinsam nach wahren Prinzipien suchen, wie sie in Helga Zepp-LaRoches Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur zum Ausdruck kommen? Oder werden wir unsere Entdeckungskraft aufgeben und unsere kostbare Zeit damit verbringen, den Dreck der Bestie der öffentlichen Meinung wegzufegen?
Die Entscheidung liegt bei uns.
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