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Von S.E. Botschafter Prof. Dr. Manuel Hassassian
Prof. Dr. Manuel Hassassian ist Botschafter Palästinas in Dänemark. Für die Konferenz „Im Geiste Schillers und Beethovens: Alle Menschen werden Brüder!“ zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 7. Und 8. Dezember 2024 übermittelte er die folgende Videobotschaft. (Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.)
Hallo, ich bin Professor Manuel Hassassian, der Botschafter Palästinas in Kopenhagen, Dänemark. Ich freue mich, über dieses Video an Sie wenden zu können, da ich am Tag der Konferenz nicht bei Ihnen sein kann, weil ich ins Ausland reisen werde. In meinem Vortrag werde ich über die harten Realitäten und die optimistischen Aussichten sprechen, die meiner Meinung nach ein Weg zu Frieden und Gerechtigkeit sind. Und ich werde versuchen, meine Punkte innerhalb der zehn Minuten, die mir dafür zur Verfügung stehen, zu fokussieren.
Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß der palästinensisch-israelische Konflikt häufig im Mittelpunkt regionaler Spannungen steht, ein Konflikt, der trotz zahlreicher internationaler Resolutionen immer noch ungelöst ist. Derzeit leiden die Palästinenser unter der längsten Besatzung der modernen Geschichte und kämpfen immer noch um Selbstbestimmung und Freiheit. Sie sind mit der harten Realität von ethnischen Säuberungen, Vertreibungen, Völkermord und Apartheid konfrontiert, bewahren sich jedoch eine unverwüstliche Haltung der Standhaftigkeit und des Widerstands gegen all die schwierigen Hürden, mit denen sie konfrontiert sind.
Der Konflikt geht über bestimmte Daten wie den 7. Oktober hinaus. Die Ereignisse an diesem Tag können zwar Reaktionen hervorrufen, die zugrundeliegenden Ursachen sind jedoch auf tiefgreifende historische und politische Dynamiken zurückzuführen. Für diejenigen, die Jahrzehnte der Besatzung ertragen, können solche Handlungen als natürliche Reaktion auf ihre harten Umstände angesehen werden, die oft als Völkermord bezeichnet werden.
Diese Ereignisse haben die öffentliche Meinung weltweit erheblich verändert und weitverbreitete Sympathie und Empathie für die Notlage der Palästinenser hervorgerufen. Darüber hinaus wurde eine solch dramatische Veränderung durch die ausführliche Berichterstattung in den sozialen Medien und den Mainstream-Nachrichten verstärkt, die die anhaltenden Auswirkungen der Besatzung und der Greueltaten über Generationen hinweg beleuchtete. Heute setzen sich die Palästinenser für das grundlegende Menschenrechtsprinzip der Selbstbestimmung ein.
Es stellt sich die Frage, warum die Weltgemeinschaft die Selbstbestimmung, wie sie in Woodrow Wilsons 14-Punkte-Rede formuliert wurde, zwar allgemein unterstützt, dieses Prinzip im Zusammenhang mit Palästina jedoch oft mißachtet. Daher kann man davon ausgehen, daß Palästinenser von einigen Ländern als weniger beachtenswert in ihrem Streben nach Anerkennung als unabhängiger Nationalstaat innerhalb der internationalen Gemeinschaft angesehen werden.
Dieser seit vielen Jahren andauernde Konflikt hat das Gewissen der Weltgemeinschaft nicht ausreichend aufgerüttelt. Er wurde oft als regionaler Streit oder als Konflikt zwischen zwei Parteien angesehen, die um dasselbe Gebiet wetteifern. Die Palästinenser behaupten jedoch, daß sie nicht um das Land kämpfen, sondern vielmehr den rechtmäßigen Besitz des Landes geltend machen. Sie betrachten die Zionisten als koloniale Eindringlinge, die versucht haben, ihr Heimatland zu kontrollieren. Aus ihrer Sicht geht es bei dem Konflikt daher nicht nur um konkurrierende Ansprüche auf gemeinsames Land. Er wird als Übergriff der zionistischen Bewegung, die im Staat Israel verkörpert ist, wahrgenommen. Das zionistische Bestreben wurde von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, die die Verantwortung trägt, die Folgen dieser Handlungen der letzten 76 Jahre rückgängig zu machen.
Der Diskurs über die mit dieser umstrittenen Besetzung verbundenen Praktiken könnte sich zu einer langen Diskussion ausweiten. Doch der Kern der Sache ist klar: Wie können wir diesen Konflikt beenden? Und wer sind die Hauptakteure, die sich um eine Lösung bemühen?
Es ist frustrierend, daß die USA, obwohl sie sich in den letzten drei Jahrzehnten als treibende Kraft des Friedensprozesses positioniert haben, ins Straucheln geraten sind und sich mehr auf Krisenmanagement als auf Konfliktlösung konzentrieren. Gegenwärtig ist es offensichtlich, daß die USA in ihrer Rolle als ehrlicher Vermittler für den Frieden kläglich gescheitert sind, da sie Israel, die dominierende Partei gegenüber dem marginalisierten Gegenpart Palästina, überproportional unterstützt haben.
In der aktuellen globalen Landschaft wird die Vorstellung, Einzelpersonen oder Länder als bloße Schachfiguren in internationalen Konflikten zu benutzen, zunehmend als unhaltbar angesehen. Solche Konflikte können zwar zu regionalen oder sogar globalen Kriegen eskalieren. Die eigentlichen Ursachen lassen sich jedoch häufig auf grundlegende Probleme wie extremen Hunger, bittere Armut und nationale Interessen zurückführen.
Daher stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hätte die Anerkennung Palästinas als Staat für die internationale Gemeinschaft? Bemerkenswert ist, daß Palästina bereits in der Vergangenheit Kompromißbereitschaft gezeigt hat, wie die Tatsache beweist, daß es 1988 nur 22% des historischen Palästinas als Staat akzeptierte. Dieses Gebiet umfaßt das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem, während die restlichen 78% dem zionistischen Projekt des heutigen Israel zugesprochen wurden.
Trotz dieses großen Kompromisses besteht bei bestimmten extremen jüdischen Gruppierungen in Israel weiterhin das Streben nach einer weiteren territorialen Expansion, insbesondere im Westjordanland. Diese Gruppierungen werden von der Siedlerbewegung und ihren intensiven Aktivitäten zur Kolonisierung des besetzten Westjordanlandes vertreten und verhindern jegliche Möglichkeit der Schaffung eines nachhaltigen palästinensischen Staates.
Allerdings ist es wichtig zu wissen, daß Israels Interesse an Gaza nicht nur auf Sicherheitserwägungen beruht, sondern neben territorialen Ambitionen auch auf wirtschaftlichen Motiven, nämlich der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, wie z. B. des Gases an den Meeresküsten.
Zwar gibt es bereits Abkommen zwischen Jordanien, Ägypten und Israel, doch werden diese von vielen in der Region oft als kalter Frieden angesehen, da sie glauben, daß echter Frieden erst dann einkehren kann, wenn die Rechte der Palästinenser rechtmäßig anerkannt werden. Diese Stimmung bekräftigt die Notwendigkeit einer echten Selbstbestimmung für die Palästinenser, um den Weg für eine breitere Akzeptanz eines legitimen Israels in der arabischen Welt zu ebnen.
Meine Damen und Herren, verehrte Gäste. Die Friedenskonsolidierung umfaßt Bemühungen, die über diplomatische Vereinbarungen hinausgehen, darunter Basisinitiativen, zivilgesellschaftliches Engagement und die Stärkung demokratischer Werte auf beiden Seiten. Ein solcher Prozeß zielt darauf ab, einen offenen Dialog und förderliche Bedingungen für die Koexistenz zwischen Palästina und Israel zu fördern und letztlich zur Konfliktlösung und zur Entwicklung stabiler Demokratien beizutragen, die sich nicht gegenseitig bekämpfen.
Die wirtschaftliche Entwicklung ist ein Wegbereiter, der eine entscheidende Rolle bei der Schaffung globaler Sicherheit spielen könnte, indem er die regionale Sicherheit in langwierigen Konflikten wie dem palästinensisch-israelischen Konflikt in Angriff nimmt. Indem sie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Vorrang vor militärischen Lösungen einräumen, können Nationen weltweit einen Win-Win-Ansatz verfolgen, der globale Stabilität und Wohlstand fördert.
Allerdings bedeutet Frieden mehr als nur die Abwesenheit von Konflikten. Er ist ein Katalysator für wirtschaftlichen Fortschritt, der als Unterbau für Gesellschaften dient, um ihre gemeinsame moralische Verpflichtung zu erfüllen, und im Grunde eine Zukunftsvision für die Nutzung von Sicherheit und Stabilität bietet.
Die Konfliktlösung im Rahmen globaler Dynamiken könnte der Dreh- und Angelpunkt für nachhaltige Entwicklung, wirtschaftlichen Wohlstand und dauerhafte Stabilität sein. In diesem Zusammenhang liefert die Europäische Union ein bemerkenswertes historisches Beispiel dafür, wie Nationen, die sich im Krieg befinden, nach der Konfliktlösung wirtschaftliche Allianzen bilden können.
Mehrere private Sektoren werden florieren, wenn Frieden herrscht, insbesondere in den Bereichen Handel, Tourismus, Investitionen, Gesundheitswesen, Bildung und Sozialfürsorge. Im Allgemeinen sind wirtschaftliche Anreize für die globale Sicherheit und Stabilität von entscheidender Bedeutung.
Im Falle Palästinas könnte jedoch ausländische Hilfe die Entwicklung ankurbeln, die Stabilität verbessern und somit Konflikte verhindern. Man könnte daraus schließen, daß sich die Wirtschaft des Friedens parallel zum globalen Wohlstand entwickeln könnte und die Beendigung der langjährigen Besetzung Palästinas der erste Schritt zur Hoffnung auf ein Ende des Konflikts und zum Aufbau von Brücken für Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Israel und den benachbarten arabischen Staaten sein könnte. Die Entwicklung des Humankapitals und der Infrastruktur in Palästina wird die Hebel für Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit bilden und so sicherstellen, daß das soziale Wohlergehen mit den wirtschaftlichen Grundlagen in Einklang steht, was die wesentliche Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Entwicklung sein wird.
Nicht zuletzt sind politische Lösungen unerläßlich, damit sich die wirtschaftliche Entwicklung materialisieren kann. Kleine, aufeinander aufbauende Erfolge sind für die Erreichung der regionalen und globalen Sicherheit von Bedeutung. Letztendlich bleibt ein bedeutender Fortschritt bei der Verwirklichung dieser Bestrebungen aus, bis der Krieg mit einem dauerhaften Waffenstillstand beendet wird.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte über das Schiller-Institut und den Oasen-Plan für wirtschaftliche Entwicklung sagen. Natürlich möchte ich die Arbeit des Schiller-Instituts für seinen kontinuierlichen Kampf für Gerechtigkeit in der Welt loben, und ich denke, es ist eine edle Mission, von der wir glauben, daß sie durch die Sensibilisierung und die Darstellung der wahren Fakten vor Ort die Menschen dazu bringt, auf ihre Ziele zu hören. Und ich denke, daß der Ansatz, den das Schiller-Institut bei Konflikten verfolgt, nicht nur zwischen Palästinensern und Israelis, sondern auch auf internationaler Ebene, diesem Institut, das sich durch wirtschaftliche Entwicklung für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt, große Glaubwürdigkeit verleiht. Das Oasenplan-Video ist eines der beeindruckendsten, das ich je vom Schiller-Institut gesehen habe, ganz zu schweigen von einem Vergleich mit anderen.
Ich denke, Sie sollten mit dem, was Sie tun, weitermachen. Ich spreche dem Schiller-Institut meine Anerkennung für das aus, was es bisher getan hat, und ich werde dieses Institut, das ich für eines der brillantesten und beeindruckendsten halte, denen ich in Dänemark begegnet bin, auch weiterhin unterstützen.
Ich hege Ihnen gegenüber Loyalität und Respekt und hoffe, daß unsere zukünftigen Beziehungen dadurch fortgesetzt werden, daß wir mehr Menschen in den Dialog einbeziehen und versuchen, einen harmonischen Frieden zwischen Gegnern zu schaffen. Möge Gott uns auch bei diesem Prozeß helfen, denn dieser Prozeß ist wirklich voller Hürden und voller Komplexität. Aber letztendlich werden wir ihn meistern.
Und wenn sich der Staub gelegt hat, sollten wir meiner Meinung nach nicht weiter auf Godot warten. Wir brauchen zielführende, plausible Lösungen, um diesen Konflikt zu beenden, der seit 76 Jahren andauert, und ich hoffe, daß diese Konferenz die vielfältigen Probleme der Konflikte in der Welt anspricht, ganz zu schweigen davon, daß sie sich auf die aktuellen Geschehnisse in Palästina konzentriert.
Und wir hoffen bei Gott, daß dieser Krieg ein Ende findet, daß dieser Völkermord ein Ende findet, daß dieses Chaos ein für alle Mal ein Ende findet, und daß das palästinensische Volk, wie die übrigen Nationen, in naher Zukunft in den Genuß von Selbstbestimmung und Redefreiheit, der Sicherung der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit des Friedens kommt.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, und wünsche Ihnen allen viel Erfolg bei der Konferenz. Ich hoffe, daß zukünftige Veranstaltungen mit solchen Bemühungen fortgesetzt werden, bis der Frieden erreicht ist. Vielen Dank und Gott segne Sie.
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