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Neue Solidarität
Nr. 28-29, 10. Juli 2025

Die Zukunft gehört souveränen Nationen
und gemeinsamer Entwicklung

Von Botschafter Dmitrij Tschumakow

Seine Exzellenz Dmitrij Tschumakow, Botschafter und stellvertretender Ständiger Vertreter der Mission der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen, sprach am 24. Mai auf der Eröffnungssitzung der zweitägigen internationalen Konferenz des Schiller-Instituts „Eine schöne Vision für die Menschheit in Zeiten großer Turbulenzen!“ Die Sitzung befaßte sich mit dem Thema „Strategische Herausforderungen und die entstehende neue Ordnung“. Übersetzung aus dem Englischen, die Mitschrift seiner Ausführungen wurde von der Redaktion bearbeitet und mit Untertiteln versehen.

Ich beginne meine Reden normalerweise mit dem Wort „Exzellenzen“, aber heute möchte ich meine Rede mit dem Wort „Freunde“ beginnen.

Sie wissen, daß es üblich ist, Reden mit „Ich freue mich, hier zu sein“ zu beginnen; das Wort „freuen“ ist eine Art abgedroschene Höflichkeitsfloskel. Aber ich möchte sagen, daß ich mich wirklich freue, heute hier zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich höre, daß es hier Menschen mit gesundem Menschenverstand gibt. Das ist wirklich eine Freude und Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels. Wir müssen wirklich alle aufwachen, unseren gesunden Menschenverstand einsetzen und so weitermachen.

Ich habe alle Redner, die ich gehört habe, sehr bewundert. Ich möchte nicht über den Ukraine-Konflikt sprechen, da meiner Meinung nach bereits viel sehr objektiv gesagt wurde, mit dem Bemühen, die Ursachen zu betrachten. Ich bin mir sicher, daß diese Dinge verbreitet werden müssen, da leider nicht alle Medien in der westlichen Welt wirklich demokratisch sind. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber vieles wird dort nicht gezeigt, und ich denke, wenn Informationen aus verschiedenen Quellen vermittelt würden, ließe sich viel Ärger vermeiden.

Aber ich möchte über wirtschaftliche Dinge sprechen. Ich bin der Stellvertretende Ständige Vertreter für Wirtschaftsfragen – wir haben mehrere Stellvertreter. Die wirtschaftlichen Diskussionen in den Vereinten Nationen sind derzeit an einem sehr gefährlichen Punkt, denn die reichen Länder weigern sich, ihrer Verantwortung zur Unterstützung der armen Länder nachzukommen, und das ist eine sehr gefährliche Phase. Die reichen Länder glauben, daß sie keine Hilfe leisten müssen. Leider wird es für die reichen Länder viel schmerzhafter sein, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, und die Vernunft, über die wir heute diskutieren, muß sich durchsetzen, um diese Diskussionen zu retten.

Strukturelle Krise der Weltwirtschaft

Ich denke, es besteht heute kein Zweifel daran, daß sich die Weltwirtschaft in einer großen Turbulenz, in einer strukturellen Krise befindet. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, klingt manchmal wie ein echter Sozialist, und er versucht wirklich, auch den reichen Ländern die Wahrheit zu sagen.

Offensichtlich sehen wir eine Erosion aller bisherigen systematischen Ordnungen. Wir brauchen eine multipolare Welt, wie Ihnen die Vorredner bereits gesagt haben und wie es auch unser Präsident Wladimir Putin sagt. Wir brauchen eine multipolare Ordnung.

Wir sehen Verzerrungen in der Wirtschaft verschiedener Länder, und das ist natürlich ein Merkmal des wilden Kapitalismus, den wir heute erleben, wenn die Produktionsmittel monopolisiert sind, wenn die Kapitalströme kontrolliert werden und Technologien nicht Gegenstand des Handels sind. Leider verstärken diese Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft die Ungleichheiten: Ungleichheiten zwischen Ländern, Ungleichheiten innerhalb von Ländern. Wir sehen, daß die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Sie haben keinen Zugang zu den grundlegenden Errungenschaften der Zivilisation.

Ich möchte Ihnen einige Zahlen nennen, will Sie damit aber nicht langweilen:

Bei den Vereinten Nationen haben wir ein großes Rahmendokument, das „Agenda 2030“ heißt (2030 Agenda for Sustainable Development1). Es umfaßt 17 Hauptziele für nachhaltige Entwicklung.

Ich denke, Sie alle wissen, daß nachhaltige Entwicklung das Gleichgewicht zwischen drei Säulen ist: der wirtschaftlichen Säule, der sozialen Säule und der ökologischen Säule. Diese Agenda 2030 wurde 2015 von allen UN-Mitgliedstaaten verabschiedet, aber nur 17% der Ziele sind derzeit erreichbar – ganze 17%. Alle anderen sind nicht erreichbar. Die Beseitigung der Armut, die Ernährungssicherheit und der Zugang zu Energie sind noch nicht einmal annähernd erreicht.

Viele Länder sind in einer neuen Falle, einem neuen Hinterhalt. Ein Drittel der afrikanischen Staaten steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit oder ist bereits zahlungsunfähig. Ihre Schulden sind viermal so hoch wie ihr BIP! Diese Schuldenfalle, in der sie sich befinden, nimmt ihnen natürlich auch die Chance, die Ressourcen zu beschaffen, die sie für den Beginn der Entwicklung benötigen.

Wir haben daher viele politische Krisen zwischen dem sogenannten Süden und Norden. Der Norden umfaßt alle reichen Länder, der Süden die armen Länder. Aber auch innerhalb des Nordens gibt es viele Diskrepanzen, und wir sehen, daß es viele Konflikte gibt. Gestern haben wir die Zahl von über 130 Konflikten auf der Welt gehört. Es gibt heute fünfmal so viele Konflikte wie vor 25 Jahren. Die Zahl der Konflikte wächst exponentiell.

Wie wir vom ehemaligen US-Botschafter in der Sowjetunion [Botschafter Jack Matlock] gehört haben, gab es schon immer viele Konflikte, die aber lokal anfingen. Heute haben wir viele Konflikte, die auch unter dem Einfluß von außen entstanden sind. Außerdem gibt es hybride Kriege, die totale Zerstörung des internationalen Handelssystems und den Mißbrauch des Dollars als Waffe.

Letztes Jahr wurde auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro eine sehr gefährliche Zahl genannt: Die weltweiten Militärausgaben belaufen sich auf 2,4 Billionen Dollar. Bei solchen Ausgaben gibt es natürlich wenig Aussicht auf globales Wirtschaftswachstum und globale Entwicklung. Und es gibt Schläge gegen Elemente der globalen Wirtschaftsketten. Heute richtet sich der Schlag nicht nur gegen Rußland, sondern auch gegen andere Elemente dieser globalen Kette, wie beispielsweise China. Diese Schläge werden zu globalen Schocks führen. Ich versuche, mich sehr diplomatisch auszudrücken, wie Sie verstehen werden.

Wir sehen im Grunde genommen, wie die Schlange sich in den Schwanz beißt: Sanktionen gegen Rußland und China, die Zerstörung von Infrastruktur wie die Explosion der Nord Stream-Pipeline, treffen die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen, die diese Schläge ausführen, also vor allem Europa. Außerdem heizen sie die Inflation an, was dem globalen Wirtschaftswachstum entgegenwirkt und die weltweite Entwicklung destabilisiert.

Übergang zu einem Modell der gemeinsamen Entwicklung

Rußland versucht kontinuierlich, verschiedene Initiativen mit globalem Charakter vorzuschlagen, die denen des Schiller-Instituts sehr ähnlich sind. Diese Vorschläge umfassen einen Übergang von einem militärischen und konfliktorientierten Paradigma zu einem Modell der gemeinsamen Entwicklung der Regionen, zu Investitionen in die Realwirtschaft, in die Produktion und zu einer neuen technologischen Ordnung. Zusammen mit den BRICS-Staaten und anderen gleichgesinnten Ländern des Globalen Südens versuchen wir, auf weltweiter Ebene in verschiedenen Formaten, u.a. in den Vereinten Nationen, der G20 und den Bretton-Woods-Institutionen, Anerkennung für die Gerechtigkeit dieser Ansätze zu erreichen.

Ich möchte zitieren, worauf sich die Staats- und Regierungschefs der G20 im vergangenen Jahr in Rio de Janeiro geeinigt haben. Es geht darum, „ein offenes, nachhaltiges, inklusives und stabiles Finanzsystem zu fördern, das das Wirtschaftswachstum unterstützt und auf der vollständigen, zeitnahen und konsequenten Umsetzung koordinierter internationaler Standards auf der Grundlage einer ständigen politischen Koordinierung beruht“. Soweit die Erklärung der G20 in Rio de Janeiro.

Was wir ablehnen, sind einseitige Ansätze. Wenn man Entscheidungen trifft, ohne die Interessen der Nachbarn oder anderer Länder zu berücksichtigen, dann scheitert man. Und diese Interessen umfassen eine Vielzahl von Bereichen: Klima, Umwelt, Menschenrechte. Wir nehmen auch zur Kenntnis, daß die Menschenrechtsagenda instrumentalisiert wird. Sie dient als Vorwand für Einmischung von außen. Leider werden viele wirtschaftliche Fragen instrumentalisiert und ebenfalls für Einmischungen in innere Angelegenheiten mißbraucht.

Wichtige Reservewährungen wurden zu Instrumenten politischen Drucks. Zahlungskanäle werden blockiert, Auslandsvermögen eingefroren, und die sekundären Sanktionen – die abschreckende Wirkung einseitiger Sanktionen – haben ebenfalls große Auswirkungen. Diese Verstöße gegen das Völkerrecht sind also enorm, aber sie werden auch große Konsequenzen für diejenigen haben, die sie initiieren.

Der Globale Süden erkennt zunehmend, daß er nicht Geisel ausländischer politischer Entscheidungen von Monopolen sein kann. Im Jahr 2022 haben die BRICS-Staaten laut BIP-Kennzahlen begonnen, die G7-Staaten zu überholen. Ich glaube, dies wurde von meinem chinesischen Kollegen und Ihrer Exzellenz aus Südafrika erwähnt.2 Heute machen die BRICS-Staaten 37% des weltweiten BIP aus, die G7-Länder nur noch 29%. Diese BRICS-Staaten haben erkannt, daß sie vorangehen müssen. So wurden sie unter anderem auch im Bereich der künstlichen Intelligenz zur Quelle neuer, bahnbrechender Entscheidungen.

Wir versuchen also, mit unseren westlichen Gegnern auf Augenhöhe zu sprechen, und was wir fördern und vereinbaren wollen, ist folgendes:

Wir sind fest davon überzeugt, daß die Zukunft freien Partnerschaften, souveränen Entscheidungen und verantwortungsbewußten Staaten gehört. Wir sind auch sicher, daß man nicht aus einer Position der Macht heraus mit anderen Ländern sprechen kann. Diejenigen, die gegenüber Rußland und der Sowjetunion die Sprache der Macht gesprochen haben, sollten die Geschichte besser studieren.


Anmerkungen

1. Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development.

2. Prof. Zhang Wei Wei und Dr. Naledi Pandor, die vor Tschumakow gesprochen hatten, vgl. Neue Solidarität Nr. 26/2025.

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