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Von Gerald Rose
Dies ist eine überarbeitete Abschrift eines Vortrags, den Gerald Rose, seit über einem halben Jahrhundert Mitarbeiter von Lyndon LaRouche, am 31. Mai 2025 auf der Sitzung des Manhattan-Projekts der LaRouche-Organisation gehalten hat.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat vor einer Versammlung von hundert Nationen (dem „13. Treffen der Hohen Vertreter für Sicherheitsfragen“ vom 27. bis 29. Mai 2025) eine Erklärung abgegeben, an der vielen von Ihnen, die die LaRouche-Bewegung verfolgen, etwas bekannt vorkommen wird. Ich zitiere aus Präsident Putins Erklärung:
„Wir [die Russische Föderation] halten auch an dem Grundsatz der souveränen Gleichheit und dem Recht auf ein eigenes Entwicklungsmodell fest. Was Rußland betrifft, so bleibt sein Ansatz prinzipiell unverändert. Ich habe es schon oft gesagt und ich wiederhole es: Wir sind überzeugt, daß die neue Sicherheitsarchitektur gleichberechtigt und unteilbar sein muß. Das heißt, alle Staaten sollten feste Garantien für ihre eigene Sicherheit erhalten, aber nicht auf Kosten der Sicherheit und der Interessen anderer Länder.“ Putin verwies dann auf die Vereinten Nationen und insbesondere auf die UN-Charta als Grundlage für die Umsetzung eines solchen Vorschlags.
Ich wollte diese Woche im Manhattan Project Podcast sprechen, weil ich zu diesem laufenden, tiefgreifenden Dialog etwas beitragen möchte, das sehr wichtig ist.
Kürzlich erklärte [der Kernwaffenexperte] Ted Postol in einer Diskussion mit Helga Zepp-LaRouche,1 er habe bis dahin nichts von dem Drohnenangriff auf Putins Hubschrauber gewußt. Aber als er davon hörte, sagte er: „Diese Leute sind verrückt. Putin ist der vernünftigste und besonnenste Staatschef auf diesem Planeten.“ Angesichts der kumulativen Wirkung all des Verrats, all der Lügen, all der Versuche, Rußland und ihn persönlich als russischen Staatschef zu provozieren, sei seine Reaktion sehr maßvoll.
Viele Menschen verstehen die entscheidende Rolle des Schiller-Instituts und speziell Helga Zepp-LaRouches für die Erkenntnis von etwas, das man als „höhere Hypothese“ bezeichnen könnte, oder als „Zusammenfall der Gegensätze“, wie wir es beschreiben – in dem Sinne, daß dieser Krieg nur auf einer höheren Ebene gelöst werden kann, mit einer höheren Vorstellung vom Menschen, wie Helga es in ihren „Zehn Prinzipien für eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur“2 entwickelt hat.
Der Grund, warum ich mich zu Wort melden wollte, ist, daß ich viele Diskussionen über die Vereinten Nationen und ihre Charta gehört habe. Diese Charta kann man nicht vollständig verstehen, wenn man die Mission und die Absichten des Mannes außer Acht läßt, der die UNO gegründet hat: Franklin Roosevelt.
Alles, was ich Ihnen sagen werde, ist dokumentiert, auch wenn es Ihnen nie in der Schule beigebracht wurde. Wenn Sie Elliott Roosevelts [Franklins Sohn] Ausführungen in seinem Buch As He Saw It („Wie er es sah“) lesen, werden Sie feststellen, daß das, was ich Ihnen sagen werde, absolut unbestreitbar ist. Und es zieht sich durch alles hindurch, was Franklin Roosevelt vor und während des Zweiten Weltkriegs getan hat.
Aus Elliott Roosevelts Augenzeugenbericht geht hervor, wie Franklin Roosevelt klar und leidenschaftlich deutlich gemacht hat, daß beide Weltkriege vom Britischen Empire und der Kolonialherrschaft verursacht wurden. Es ist unbestreitbar, daß er das wußte und es Elliott leidenschaftlich und detailliert beschrieb. Es gibt eine berühmte Szene in dem Buch, in der Franklin vor Wut an die Decke geht, als er mit Elliott spricht, weil Elliott sagen wollte, [Charles] de Gaulle habe einen Anspruch darauf, Indochina [Vietnam] nach dem Krieg als Kolonie zurückzufordern. Franklin war außer sich: Sie haben keinen Anspruch! Welchen Anspruch kann eine Nation auf die Rechte und die Zukunft anderer Nationen haben? Als Frankreich Indochina beherrschte, hat es das Land geplündert und zerstört! Die Japaner hätten nur deshalb so leicht in Indochina einmarschieren können, weil die Menschen in Indochina dachten: Was könnte schlimmer sein als die französische Kolonialherrschaft?
Und dann sagt Franklin zu seinem Sohn: „Wenn wir die Kolonialherrschaft nicht beenden – dein Sohn ist fünf Jahre alt. Er wird in den Krieg ziehen.“ Und tatsächlich, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute, seit 1945 waren die USA in über 30 verschiedene Kriege verwickelt, soweit ich weiß. Kein Weltkrieg, aber Kriege, in denen amerikanische Soldaten beteiligt waren und Amerikaner starben, weil wir die Kolonialherrschaft nicht genau so beendet haben, so wie Roosevelt gewarnt hatte. Und jetzt droht uns die nukleare Vernichtung.
Um die Charta der Vereinten Nationen zu verstehen, muß man das Treffen in Argentia (Kanada) verstehen, das erste Kriegstreffen mit Churchill. Franklin Roosevelt sagte ihm dort: „Wir werden diesen Krieg nicht führen, um Ihr Empire zu retten.“ Denken Sie daran, das war 1941. Ganz Frankreich war gerade gefallen. Großbritannien war bombardiert worden. Italien war schon seit 1926 faschistisch. Spanien war faschistisch. Und Roosevelt sagte: „Ich werde nicht in den Krieg eintreten, wenn Sie nicht hier unten das unterschreiben, was sich die Atlantik-Charta nennt.“ Die Charta stellte die Idee des Empires direkt in Frage, indem sie auf der Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Entwicklung ehemals kolonial beherrschter Länder bestand, darunter Indien, das „Juwel“ des Britischen Empire. Churchill verschluckte sich buchstäblich an seiner Zigarre!
Das ist die Idee und der Grund, warum die Charta der Vereinten Nationen heute die Grundlage für solche höheren Verhandlungen und Diskussionen ist. Wie Putin in seiner Rede bei dem Treffen im Mai angedeutet hat, war das erklärte Ziel bei dem Kampf für die UNO ausdrücklich das Ende der Kolonialherrschaft.
Über das Treffen von Jalta [zwischen Roosevelt, Stalin und Churchill im Februar 1945] wurden enorm viel Lügen verbreitet. Zum Beispiel: Roosevelt sei müde nach Jalta gekommen und habe Osteuropa an die Sowjets, an Stalin, verschenkt. Das ist einer der größten Geschichtsschwindel, der aber ständig wiederholt wird. Es ist alles gelogen.
Franklin Roosevelt wußte, daß er trotz seiner Krankheit nach Jalta reisen mußte. Der Grund für seine Reise nach Jalta war, sich Stalins Zustimmung zur Bildung der Vereinten Nationen nach dem Krieg zu sichern. Also reiste Franklin Roosevelt, er war tatsächlich sehr krank, mit Harry Hopkins, und sie legten, glaube ich, 6000 Meilen (fast 10.000 km) zurück, teilweise über feindliches Gebiet, um nach Jalta zu gelangen. Denn er wußte, was geschehen würde, wenn sie bis zum Kriegsende keine Einigung über eine neue Sicherheitsarchitektur für die Nachkriegszeit erzielen würden.
Diese neue Sicherheitsarchitektur war ein wesentlicher Bestandteil der sogenannten Bretton-Woods-Abkommen. Auch hier gibt es einen großen Schwindel – es ging nicht um den Dollar im Gegensatz zum Pfund Sterling. Das stand nie zur Debatte. Die einzige Währung, die es im Nachkriegseuropa gab, war der Dollar.
[Der US-Ökonom und Unterhändler] Harry Dexter White war nicht daran interessiert, mit [dem britischen Ökonomen] John Maynard Keynes zu debattieren, obwohl man das über Bretton Woods liest. Ein sehr aufschlußreiches Buch mit dem Titel Forgotten Foundations of Bretton Woods („Die vergessenen Grundlagen von Bretton Woods“ von Eric Helleiner) beschreibt detailliert die Entwicklungsprogramme, die – das war 1944 – für die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Krieg vorgeschlagen wurden.
Die indische Delegation schlug in Bretton Woods eine weltweite Behörde nach dem Vorbild der Tennessee Valley Authority (TVA) vor, dem bis dahin erfolgreichsten Entwicklungsprogramm der Weltgeschichte. Inzwischen haben die Chinesen das übertroffen, aber bis dahin war es das erfolgreichste Entwicklungsprogramm. Der erste Ort, an dem man etwas Ähnliches wie die TVA umsetzen wollte, war das Donautal. Damals kommunistische Länder und Westeuropa – die Donau fließt u.a. durch Deutschland und Österreich – wollten gemeinsam daran arbeiten, Mitteleuropa in der Nachkriegszeit zu entwickeln. Die TVA diente sowohl der Energieerzeugung als auch dem Hochwasserschutz, und durch die Energieerzeugung schufen sie Industrie. Es war wie ein Entwicklungskorridor, nur daß es sich nicht um eine Eisenbahnlinie handelte, sondern um einen großen Fluß. Das sollte dann die Volkswirtschaften Ost- und Westeuropas integrieren.
Interessanterweise hat Friedrich von Hayek in seinem Buch Der Weg zur Knechtschaft das Donau-Entwicklungsprojekt als eine Form der „Knechtschaft“ angegriffen. Er behauptete, ein rumänischer Bauer und ein deutscher Bauer hätten keine gemeinsamen Interessen – völlig verrückt! Aber die Beteiligten wußten, wo der Hase im Pfeffer lag.
Neben einer weltweiten TVA, an der sogar auch Afghanistan beteiligt sein sollte, lagen noch eine Reihe anderer Projekte auf dem Tisch, allem voran um die Donau. Bei der Bretton-Woods-Konferenz waren sowohl die Kommunistische Partei Chinas als auch die Kuomintang vertreten, die Chinas industrielle Entwicklung nach Sun Yat-sens Plan von 1919 vorschlugen – die industrielle Entwicklung Chinas durch internationale Investitionen in den Eisenbahnbau.
Es gab 1944 einen umfangreichen Entwicklungsplan, den Stalin Dexter White vorschlug und dem Roosevelt zustimmte. Die USA hätten nach dem Krieg enorme Kapazitäten an Werkzeugmaschinen, die sie nach dem Krieg nicht nutzen könnten. Stalin schlug vor, daß die Russen ein Darlehen über 10 Milliarden Dollar aufnehmen – und sie zahlten immer alles zurück, was sie geliehen hatten – und dieses Darlehen von 10 Milliarden Dollar zur Modernisierung Rußlands nach dem Krieg verwenden [mit Hilfe des US-Werkzeugmaschinensektors].
Es war völlig klar, daß es, wie Roosevelt in seiner Diskussion mit Elliott sagte, „die Entwicklung der Welt mit amerikanischen Methoden“ geben sollte. Darum ging es bei der Kombination aus der Sicherheitsarchitektur, die die Vereinten Nationen bilden sollten, und der Stabilisierung der Weltwährung. Die Weltbank sollte die Kreditinstitution zur Finanzierung dieser Projekte sein, so wie es die amerikanische Reconstruction Finance Corporation (RFC) getan hatte, um die Vereinigten Staaten aus der Depression zu führen.
Wenn man die UN-Charta liest, sieht man, daß es nicht nur um Sicherheit geht. Es gibt einen ganzen Abschnitt über Entwicklung – das Recht auf Entwicklung und das Recht auf wirtschaftliche Gerechtigkeit für die Welt. Das ist der Grund, warum Putin davon spricht, daß die UNO der Ort für solche höheren Beratungen sein sollte. Diese UN-Charta war eine Idee Roosevelts, und er arbeitete bis an sein Lebensende – er starb zwei Wochen nach der Rückkehr aus Jalta – daran, diese Vereinten Nationen zu gründen. Es heißt, Franklin Roosevelt habe nie vorgehabt, seine vierte Amtszeit zu beenden. Er hatte seinen Freunden vorgeschlagen, erster Präsident der Vereinten Nationen zu werden.
Es wird viel Quatsch über Jalta erzählt, über die polnische Frage usw. Roosevelt wollte sicherstellen, daß es im Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung Zusammenarbeit, Beratungen und Verhandlungen gab. Und in diesem Kontext hätte man die polnische Frage lösen können. All dies ist in Susan Butlers Buch Stalin and Roosevelt: Portrait of a Partnership („Stalin und Roosevelt: Portrait einer Partnerschaft“) dokumentiert. Ich werde nicht im Detail darauf eingehen, da wir nicht stundenlang Zeit haben –, aber Susan Butler beschreibt in dem Buch, wie Truman nach Roosevelts Tod praktisch von Churchill gesteuert wurde. Auf der Potsdam-Konferenz, der ersten Konferenz der vier Siegermächte, weigerte sich Truman, Stalin über die Atombombe zu informieren. Daran besteht kein Zweifel; ich werde nicht auf die Details eingehen, aber es ist vollständig dokumentiert.
[US-Außenminister] Edward Stettinius schlug vor, daß Roosevelts Kabinett eine Sitzung abhalten sollte, und Truman stimmte zu. Stettinius ist der Mann, der die Charta der Vereinten Nationen ausgearbeitet hat. Er schlug vor, daß die Vereinigten Staaten alle Atomgeheimnisse mit den Russen teilen. Das Kabinett, mit Ausnahme von Harriman und Forrestal, stimmte dafür. Die USA sollten alle Atomgeheimnisse weitergeben, denn erst der Abwurf der Atombombe als Signal an Stalin hatte den Kalten Krieg ausgelöst. Und dann tat Stalin genau das, was er unter einer solchen Drohung tun würde. Roosevelt wußte, daß er das tun würde. Stalin mußte Osteuropa plündern, um Rußland zu retten. Aber wer hat das verursacht? Wer hat den Kalten Krieg verursacht? Susan Butler behandelt des in ihrem Buch über Roosevelt und Stalin – es ist brillant, und es ist brillant dokumentiert.
Heute entwickelt sich die UNO wieder zu einer Institution, so wie sie gedacht war. Wir müssen mit unseren Interventionen in die Vereinten Nationen fordern, daß diese wahren Vereinten Nationen, für die Franklin Roosevelt gekämpft hat und gestorben ist, geschaffen werden.
Anmerkungen
1. Siehe Defense Expert Ted Postol Warns: Trump's “Golden Dome” Poses an “Enormous Danger”,
Youtube Video, Schiller-Institut, 28. Mai 2025.
2. Siehe Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur,
Helga Zepp-LaRouche, Schiller-Institut.
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