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Neue Solidarität
Nr. 2, 9. Januar 2025

Die Globale Mehrheit hat Lösungen anzubieten

Von Glenn Diesen

Glenn Diesen ist Politikwissenschaftler und Professor an der Universität von Süd-Ost-Norwegen.

In meinem heutigen Vortrag geht es in erster Linie darum, daß die Globale Mehrheit oder der Globale Süden in der Lage ist, einige Lösungen für die großen Herausforderungen der Zukunft anzubieten. Meine Hauptannahme oder These ist, daß der Westen und Rußland in einen Konflikt verstrickt sind, der die meiste Aufmerksamkeit der Welt auf sich zieht. Dies ist im Grunde ein Konflikt, für den es keine Lösungen gibt – der Gewinner bekommt alles. Wir sehen daher, daß beide Seiten bereit sind, große Risiken einzugehen, weil es keinen akzeptablen Plan B gibt.

Daher lohnt es sich meiner Ansicht nach, zu untersuchen, wie wir an diesen Punkt gelangt sind, aber auch, warum es der Rest der Welt – eben der „Globale Süden“ – sein muß, der Lösungen liefert. Es geht jetzt um den Sicherheitsrahmen, der nicht auf die Ukraine beschränkt ist, wir schauen auch auf den Nahen Osten, aber auch auf Ostasien. Alles wird immer mehr im Sinne eines Nullsummenspiels definiert, und es ist auch bemerkenswert, daß niemand mehr wirklich von Frieden spricht, von Kompromissen, gegenseitigem Verständnis. All das gehört jetzt der Vergangenheit an.

Ich denke, das liegt zum großen Teil daran, daß es keine alternativen Ideen gibt und praktisch alles auf dem Spiel zu stehen scheint. Im Kern ist es meiner Meinung nach wichtig, die Panik zu verstehen, die derzeit im Westen herrscht, insbesondere im Krieg gegen Rußland. Vor allem die Europäer haben alles auf die Idee gesetzt, daß die Russen relativ schnell besiegt werden könnten. Wir [im Westen] haben einige ganz außergewöhnliche Dinge getan; es gab auch kaum Widerspruch, was ziemlich bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, daß wir jetzt die größte Atommacht der Welt direkt angreifen, drei Jahre lang jegliche Diplomatie boykottieren und nicht einmal fähig sind, zu definieren, was ein Sieg bedeutet, ohne einen Atomkrieg auszulösen. All das wurde ohne jeden Widerspruch hingenommen, sowohl politisch als auch intellektuell. Journalisten, Akademiker – alle haben sich mehr oder weniger der Linie angeschlossen. Es ist eine ganz außergewöhnliche historische Zeit.

Die Vorgeschichte

Nun ist es erwähnenswert, wie wir an diesen Punkt gekommen sind – dort liegt auch ein Grund, warum der Globale Süden höchstwahrscheinlich die Lösung hat.

Nach dem Kalten Krieg haben sich alle im Westen mehr oder weniger Fukuyamas Idee vom „Ende der Geschichte“ angeschlossen – diese Idee eines ewigen Friedens, in dem sich die Welt unter westlicher Führung vereinen würde. Alle würden unsere Normen, unsere Werte übernehmen. Das wäre die Quelle eines Friedens für die Ewigkeit. Unsere gesamte politische Klasse der nächsten Jahrzehnte ist in diesem System, unter dieser Ideologie, aufgewachsen, wenn man so will – überzeugt von diesem liberalen Traum. Das ist auch der Grund, warum es an Widerspruch mangelt. Es ist schwer, für etwas anderes zu argumentieren, für die Idee, daß wir Politik auf eine völlig neue Art und Weise betreiben könnten, die wertebasiert ist und nicht in die Großmachtpolitik der Vergangenheit verfällt.

So gingen alle davon aus, daß das ein Weg ohne Störungen würde, doch plötzlich ist alles aus den Fugen geraten. Ich denke, jetzt, wo sich eine Alternative zu dem entwickelt, was man für das zukünftige System hielt, sieht man in dieser Alternative nur mehr Chaos, Anarchie, unberechenbare Mächte, die nicht unbedingt unsere Werte teilen. Offensichtlich gilt Rußland als die Hauptmanifestation dessen, als die Quelle der meisten Probleme. Bei allen Herausforderungen auf dem Weg zur Multipolarität wird immer eine zentrale Macht als Bedrohung angesehen. Selbst wenn man Rußland aus der Gleichung herausnimmt, herrscht die Überzeugung, daß China die größte Bedrohung sein wird, einfach weil es die wichtigste Wirtschaftsmacht und der größte Rivale der Vereinigten Staaten ist.

Auch hier muß man kurz innehalten und über den Wahnsinn nachdenken, der dahintersteckt. Wenn man sich die Geschichte Chinas in den letzten Jahrzehnten ansieht, ist diese Geschichte wirklich bemerkenswert. Es war der außergewöhnlichste wirtschaftliche Aufstieg der Geschichte, und das alles ohne Beherrschung oder Eroberung anderer. Ungeachtet dieses ganz friedlichen Aufstiegs scheinen die USA und ihre europäischen Verbündeten nun bereit, sich China entgegenzustellen. Sie haben sich selbst eingeredet, Chinas Aufstieg sei etwas Unannehmbares, einfach weil er die ganze Welt durcheinanderbringt, von der uns versprochen wurde, daß sie nach dem Kalten Krieg Bestand haben würde.

Es gab für uns also einen Wechsel von dieser Ära der Utopie mit einem ewigen Frieden zu einer völligen Ungewißheit, und wir werden von der Vorstellung mitgerissen, daß uns neue Konflikte bevorstehen. Einige finden sogar Trost darin, die Vorstellung eines neuen Kalten Krieges ist für sie eine gute Sache. Denn wir erinnern uns an den ersten Kalten Krieg, in dem der Westen aus blühenden Demokratien bestand und wir die wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften hatten, als ein Gefühl moralischer Autorität und auch großes Vertrauen herrschten. Auch gab es einen weitgehenden inneren Zusammenhalt.

Natürlich ist das Konzept des Kalten Krieges meiner Meinung nach eher eine Täuschung als eine Hilfe, weil nichts mehr von alledem real ist. Wir haben unsere Demokratien stark ausgereizt, wenn man sich ansieht, was in den USA, Deutschland und Frankreich passiert. Fast täglich werden ganz undemokratische Entscheidungen getroffen. Wir sind wirtschaftlich nicht mehr wettbewerbsfähig. Amerika hat festgestellt, daß es nicht ohne China auskommen kann, aber China kann ohne Amerika auskommen. Ähnlich haben die Europäer festgestellt, daß Rußland ohne uns auskommen kann, aber wir nicht ohne Rußland. Die Idee eines neuen Kalten Krieges halte ich definitiv für den falschen Weg.

Die Rolle des Globalen Südens

Mein Punkt ist einfach, daß der Westen nicht unbedingt böse ist. Ich denke, es fehlt ihm derzeit einfach an politischer Vorstellungskraft. Offensichtlich wollen wir die Russen nicht anhören, angesichts der Feindseligkeit, die sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Unsere Politiker verbreiten derzeit viel Unsinn. Ich glaube, sie sind völlig ihren Narrativen verpflichtet, und diese Narrative entfernen sich immer mehr von der Realität, insbesondere da wir den Wirtschaftskrieg gegen China und den Stellvertreterkrieg gegen die Russen verlieren. Das zeichnet ein sehr düsteres Bild für die Zukunft.

Der Grund, warum ich denke, daß die Globale Mehrheit oder der „Rest der Welt“ die Lösung hat, ist der, daß derzeit niemand anderes da ist, der eine optimistischere Sicht auf die Welt verkörpert. Wir haben offensichtlich keine, und wenn wir die Russen sehen, sind wir überzeugt, daß sie eine „neue Sowjetunion“ sind, egal was sie sagen. Sie haben vielleicht gar nicht die Absicht oder die Fähigkeit, so zu herrschen wie in der Vergangenheit, aber auch hier hat die Realität keinen besonders großen Einfluß mehr auf unsere Sichtweise.

Ich halte es jetzt für dringend notwendig, daß die Globale Mehrheit beginnt, eine optimistischere Sicht auf die Welt zu formulieren, die gerade entsteht. Das ist eine multipolare Welt, in der eine multipolare Machtverteilung nicht als Bedrohung angesehen wird. Man sollte darin vielmehr als eine große Chance sehen. Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir die Möglichkeit, wirklich alles vom Atlantik bis zum Pazifik miteinander zu verbinden – dieser riesige eurasische Kontinent, der Europa und Asien vereint. Wir haben neue Technologien, die viele der Probleme der Vergangenheit lösen können. Und wir können endlich einige dieser Bündnissysteme überwinden, die uns während des Kalten Krieges geplagt haben. Anstatt also Zuflucht darin zu suchen, zu den Bündnissystemen zurückzukehren, haben wir eine neue Möglichkeit, sie zu überwinden.

Wir haben gesehen, was die Globale Mehrheit mit Institutionen wie den BRICS erreichen konnte. Auch die Chinesen bemühen sich, Bündnissysteme zu überwinden, indem sie etwa auf Frieden zwischen den Iranern und Saudis drängen, und wir sehen jetzt auch, wie die wirtschaftliche Vernetzung dazu beiträgt, China und Indien einander näher zu bringen.

Ich zitiere oft Adam Smith, weil er tatsächlich darüber geschrieben hat, er hoffte, daß wir irgendwann eine gleichmäßigere Verteilung des Reichtums auf der Welt erreichen könnten. Das ist nichts, wovor man Angst haben sollte, sondern etwas, wonach wir streben sollten. Denn was wir jetzt tun, ist nicht nur schlecht für den Westen, sondern auch schlecht für die ganze Welt. Wir sehen nun, daß die USA sich selbst erschöpfen, und das schafft Anreize für einen kollektiven Ausgleich. In Europa werden die Wirtschaftsbeziehungen nicht diversifiziert, was für Wohlstand und politische Autonomie erforderlich wäre. Stattdessen sehen wir, wie es sich jetzt ausschließlich mit den Vereinigten Staaten verbindet, und als Folge davon erlebt es wirtschaftlichen Niedergang, politische Unterordnung und Bedeutungslosigkeit.

Wenn man also viele der Probleme in der Welt lösen will, muß man Bündnissysteme überwinden. Die ältesten Kriege, die aus unipolarer Dominanz resultieren – diese ewigen Kriege –, und die massive Migration nach Europa als Folge dieser Kriege, viele dieser Probleme könnten gelöst werden. Das sind einige der großartigen Möglichkeiten, die uns dieses entstehende multipolare System bietet. Daher fordere ich die Globale Mehrheit nochmals auf, eine Führungsrolle bei der Formulierung einer positiven Zukunftsperspektive zu übernehmen.

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