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Ein ägyptischer Vorschlag zum Wiederaufbau von Gaza ohne Vertreibung der Palästinenser wird von den arabischen Nationen unterstützt.
Am 4. März fand in Kairo ein Krisengipfel der arabischen Staaten statt, der eine Alternative zu Präsident Trumps „Riviera-Plan“ für den Gazastreifen vorlegte, bei der anders als bei Trumps Plan keine Palästinenser zwangsumgesiedelt werden müssen. Nach einmonatigen Vorbereitungen mit dem Ziel, die arabische Welt um einen gemeinsamen Vorschlag für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu vereinen, stimmten die Delegierten in ihrem Schlußkommuniqué dem ägyptischen Vorschlag zu.
Der ägyptische Plan bleibt zwar weit hinter dem Oasen-Plan zurück, da er sich nur auf Gaza bezieht, aber er sieht vor, eine Region der Massenvernichtung in eine moderne High-Tech-Stadt und -Landschaft zu verwandeln.1 Das Konzept beruht auf Ideen und Prinzipien, die Ägypten beim Bau von 12 neuen „Smart Cities“ verwendet hat, wobei sich weitere 12 Städte in der Planungsphase befinden. Diese ägyptischen Städte sind für jeweils bis zu 5 Millionen Einwohner ausgelegt. Einige, wie die Stadt mit dem Namen „Egyptian New Administrative Capital“, wurden in Zusammenarbeit mit China gebaut.
Das Gaza-Projekt soll voraussichtlich fünf Jahre dauern, 53 Milliarden Dollar kosten und in drei Phasen umgesetzt werden. Der Gazastreifen soll für eine Bevölkerung von etwa 3 Millionen Menschen – heute sind es gut 2 Millionen – wiederaufgebaut werden. Insgesamt sollen 500.000 Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren geschaffen werden, darunter: Wohnungsbau (80.000), Industrie (70.000), Tourismus (60.000), Dienstleistungen (90.000), Landwirtschaft (120.000) und Fischerei (80.000). Im Mittelpunkt des Projekts stehen Wiederherstellung und Neubau von Wohnraum, grundlegenden Dienstleistungen und Infrastruktur sowie die Schaffung einer Wirtschaft, die Gaza zukünftig Wachstum und Wohlstand sichert.
Vorgesehen ist eine Aufteilung in fünf Hauptsektoren, von denen jeder einen bestimmten Schwerpunkt hat:
Die Finanzierung steht noch nicht fest, aber angestrebt ist eine Finanzierung durch die Vereinten Nationen, internationale Finanzinstitutionen, einzelne Geberländer, Entwicklungsbanken sowie ausländische Direktinvestitionen. Ein international beaufsichtigter Treuhandfonds soll die Mittel verteilen. Ägypten beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und den Vereinten Nationen eine hochrangige Ministerkonferenz in Kairo auszurichten, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Der Plan sieht insgesamt sechs Basiszonen vor, darunter Wohngebiete mit hoher, mittlerer und niedriger Bebauungsdichte. Hinzu kommen Gewerbe- sowie Mischgebiete mit Wohn- und Gewerbeflächen. Weitere Bereiche sind Dienstleistungs- und Entwicklungskorridore, die Regierungs- und Verwaltungssitze sowie Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Kulturzentren umfassen, Naherholungs- und Tourismusgebiete usw. Eine zentrale „grüne“ Achse mit Gärten, Grünflächen, Wander- und Radwegen solle entstehen, in den Agrar- und Industriegebieten am Stadtrand kleine Dörfer zur Unterstützung der Agrarindustrie, wie z.B. Lebensmittelverarbeitung und Leichtindustrie.
Auch ein detaillierter Zeitplan für die Umsetzung wurde ausgearbeitet. Die ersten sechs Monate sind eine anfängliche Erholungsphase mit 3 Milliarden Dollar Kosten für die Beseitigung von Trümmern, Vorbereitung des Baus von 200.000 temporären Wohneinheiten für 1,2 Millionen Menschen, Wiederherstellung von 60.000 beschädigten Häusern für 360.000 Menschen und ein Sozialprogramm.
Darauf folgen zwei Wiederaufbauphasen. Phase 1 dauert zwei Jahre und kostet 20 Milliarden Dollar. Sie umfaßt die Einrichtung von Versorgungsunternehmen und -netzen, den Bau von 200.000 Wohneinheiten für 1,6 Millionen Menschen und die Rückgewinnung von 20.000 Feddan (ca. 8000 ha) Land. Phase 2 dauert zweieinhalb Jahre und kostet 30 Milliarden Dollar. Sie umfaßt den weiteren Ausbau der Versorgungsnetze, den Bau von 200.000 Wohneinheiten für 1,2 Millionen Menschen und die Errichtung von insgesamt 460.000 Wohneinheiten für 2,75 Millionen Menschen. Hinzu kommt der Aufbau eines Industriegebiets, von Fischerei- und Handelshäfen sowie von Straßen und einem Flughafen in Gaza.
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi sagte Reuters zufolge auf dem Kairoer Gipfel, er sei sicher, daß US-Präsident Trump Frieden erreichen könne. Ägypten habe gemeinsam mit den Palästinensern auch an einer Nachkriegs-Regierungsstruktur für den Gazastreifen gearbeitet. Zu einem späteren Zeitpunkt werde die Palästinensische Autonomiebehörde wieder die Regierung übernehmen, sagte el-Sisi. Reuters berichtet, die Hamas habe in einer Erklärung den ägyptischen Vorschlag unterstützt.
Auch wenn der aktuelle ägyptische Vorschlag gegenüber dem notwendigen, umfassenderen Plan für die gesamte Region, wie LaRouches Oasenplan, noch viel zu wünschen übrig läßt, bietet er eine qualitativ neue, viel bessere Perspektive als die ethnische Säuberungsstrategie der Regierung Netanjahu oder als Trumps Idee der „Riviera für den Nahen Osten“.
Pünktlich zu dem Gipfel erschien international ein Artikel von Hussein Askary vom Schiller-Institut, der auch stellvertretender Vorsitzender des Belt and Road Institute in Schweden (BRIX) ist; er bietet die richtige Ergänzung zu dem ägyptischen Plan. Unter dem Titel Eine Lösung für Gaza und Palästina im Kontext der Belt and Road Initiative2 präsentiert Askary „eine Reihe von Ideen im Rahmen des sogenannten ,Oasenplans‘, einer Idee, die von dem verstorbenen amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Lyndon LaRouche in den 1970er Jahren entwickelt wurde und auf dem Konzept ‚Frieden durch Entwicklung‘ beruht, bei dem es keinen Frieden ohne Entwicklung und keine Entwicklung ohne Frieden gibt und bei dem beides parallel laufen muß.“
Das sei bei den Osloer Verträgen Anfang der 90er Jahre nicht der Fall gewesen, weil die wirtschaftlichen Vorhaben des dritten und vierten Anhangs der Verträge ausgeklammert wurden und man sich nur auf politische Lösungen konzentrierte, stellt Askary fest. „Das veranlaßte LaRouche, das Scheitern des Oslo-Abkommens vorherzusagen und vor der Rolle der extremen israelischen Rechten und ihrer Unterstützer in den christlich-zionistischen Bewegungen der USA und Großbritanniens zu warnen, die jede Grundlage für Frieden zerstören und seine Befürworter auf beiden Seiten ermorden und inhaftieren.“
Der Artikel erschien auf Englisch im EIR-Magazin vom 28. Februar 2025, wurde dann auf Arabisch von der libanesischen Denkfabrik Center for Asian and China Studies veröffentlicht und anschließend von der omanischen Wirtschaftszeitung Al-Roya und der Nachrichtenseite Sharquakhbar aus Bahrein aufgegriffen.
slb/alh
Anmerkungen
1. Everything you need to know about Egypt's Gaza reconstruction plan, Ahram Online, 7. März 2025.
2. A Solution for Gaza and Palestine in the Context of the Belt and Road Initiative,
Hussein Askary, EIR Magazine No. 9, 28. Februar 2025, auch als PDF erhältlich.
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