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In diesem Bericht werden die umwälzenden Großprojekte für eine moderne Infrastruktur beschrieben, die in den Entwicklungsländern benötigt werden (siehe Neue Solidarität 50/2024). Wenn die Projekte klar sind, kommt es auf den politischen Willen an, in internationaler Zusammenarbeit Kredite für eine bessere Zukunft von Milliarden von Menschen in diesen Ländern zu schöpfen. Dazu müssen die maßgeblichen Länder des „Westens“ zusammen mit den BRICS-Staaten langfristige, zinsgünstige Kredite vergeben, die für diese großen neuen Infrastrukturinvestitionen erforderlich sind. In Verbindung damit sollte die rekordhohe Last unbezahlbarer Schulden, die seit dem globalen Finanzcrash von 2007-08 auf den Entwicklungsländern lastet, beseitigt werden. Die Welt hat sich von diesem Crash nie erholt und wird es ohne eine Revolution in der Kreditpolitik der wichtigsten westlichen Länder auch nie tun.
Nach dem Crash sackten die weltweiten Entwicklungskredite ab und blieben ein ganzes Jahrzehnt lang unter dem Niveau von 2008-09, mit Ausnahme der Kredite für Chinas Neue Seidenstraße (Gürtel- und Straßen-Initiative, BRI), die das teilweise ausglichen. Als sich die Weltbank und andere Entwicklungs-Kreditgeber Ende des letzten Jahrzehnts endlich erholten, belasteten die hohe Inflation bei Rohstoffen und die unvermittelt von der US-Notenbank ausgelöste weltweite Zinserhöhung von fünf Prozent und mehr die Entwicklungsländer mit neuen Schulden und Währungsabwertungen.
Die heutige Situation ähnelt der, die der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Staatsmann Lyndon LaRouche in seiner berühmten pädagogischen „Typischen Kollapsfunktion“ („Tripelkurve“) dargestellt hat (siehe Abbildung 1).
Laut einem aktuellen Bericht, den Debt Relief International und Norwegian Church Aid Ende Juli 2024 veröffentlichten, hat die Belastung der Staatshaushalte der Entwicklungsländer durch den Schuldendienst im Jahr 2024 ein Allzeithoch erreicht – er verschlingt nicht weniger als 42,2% ihrer Gesamtausgaben. Der jährliche Schuldendienst beträgt nun im Durchschnitt aller Entwicklungsländer 8,4% des BIP und ist damit 2,5-mal so hoch wie ihre Bildungsausgaben und 4,2-mal so hoch wie ihre Gesundheitsausgaben. Diese Schuldenlast vernichtet produktive und qualifizierte Arbeitsplätze und ist ein wesentlicher Grund für die Massenmigration aus allen Teilen des Entwicklungssektors mit Ausnahme Ostasiens.
Hinzu kommt noch die extrem spekulative Derivateblase, die die weltweiten Finanzaggregate über die 2 Billiarden-Dollar-Marke bringt (siehe Abbildung 2). Sie muß schlicht und einfach abgeschrieben werden. Ein wesentlicher Schritt dazu ist die Einführung eines Trennbankensystems nach dem Vorbild des amerikanischen Glass-Steagall-Gesetzes, das unter Präsident Franklin Roosevelt eingeführt wurde und bis Ende des letzten Jahrhunderts gute Dienste leistete (im Nachkriegseuropa gab es vergleichbare Regelungen). Unter dem Gesetz galt eine strikte Trennung zwischen Geschäftsbanken, die für eine geregelte Wirtschaft notwendig sind und deshalb vom Staat geschützt werden, aber keine Spekulationsgeschäfte tätigen dürfen, und Investmentbanken, die spekulieren, aber keine Kundengelder verwalten dürfen und im Fall einer Pleite auf sich selbst gestellt sind.
Diese Trennung bedeutet, daß es keinen „Bail-in“ – Enteignung von Bankkunden – und auch keinen „Bail-out“ – Bankenrettung durch den Steuerzahler – gibt. Die Schulden aus der Derivatspekulation müssen abgeschrieben werden – wenn nötig, durch ordentliche Konkursverfahren einzelner Banken.
Eine Zusammenarbeit bei der Kreditvergabe für Investitionen in Infrastruktur und Industrialisierung ist für Länder, die Investitionsgüter exportieren, absolut vordringlich. Der Schlüssel zu dieser Zusammenarbeit sind ihre Entwicklungsbanken.
Das Modell für diese Entwicklungskredite hat Lyndon LaRouche schon vor fast 50 Jahren entworfen. Er nannte es die Internationale Entwicklungsbank (IDB), die er den blockfreien Staaten vorschlug, die auf ihrer Konferenz in Colombo auf Sri Lanka 1976 großes Interesse daran zeigten. Sein Konzept ist immer noch gültig.
Es beginnt mit einem Moratorium, das die unbezahlbaren Schulden eines Entwicklungslandes einfriert, das Kredite für den Aufbau von Projekten aufnehmen muß. Die Voraussetzung für die Kreditvergabe ist, daß die Projektinvestitionen die Produktivität der Wirtschaft mit der Zeit erhöhen; die unbezahlbaren Schulden sinken, und ihre Rückzahlung ist an die industrielle Entwicklung gebunden. „Bedingungen“ oder „Konditionalitäten“ wie beim IWF soll es bei der Kreditvergabe der IDB nicht geben. Solche Konditionalitäten von IWF u.a. dienen heute als Waffe, um die Volkswirtschaften und die Souveränität von Nationen zu zerstören.
LaRouche präzisierte damals:
„Die wichtigsten Kategorien der nicht mehr tragbaren Altschulden werden in einem Moratorium ,eingefroren‘, und die Verhandlungen über die künftige Tilgung dieser Schulden werden getrennt vom Tagesgeschäft der neuen Institution geführt.
Zu diesem Zweck haben wir ... große, konkrete Entwicklungsprojekte identifiziert, die (über einen Entwicklungszeitraum von fünf bis zehn Jahren) leicht zu einer massiven Steigerung der Produktion und der sozialen Produktivität der Weltlandwirtschaft führen können und damit die infrastrukturelle Grundlage für eine massive industrielle Entwicklung schaffen. Daher sind Kredite, die für die Durchführung solcher Programme vergeben werden, sicher und liquide.
Die vorgeschlagene Internationale Entwicklungsbank ist daher im wesentlichen eine internationale Vertragsorganisation der teilnehmenden Volkswirtschaften (Staaten). Sie fungiert als Planungsforum für die Aushandlung umfassender Verträge über wirtschaftliche Zusammenarbeit...“
Für die Lösung der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise – mit sich ausbreitenden Kriegen, Milliarden „informellen“ Billiglohnjobs und chaotischer Massenmigration – brauchen wir eine solche Internationale Entwicklungsbank, die in der Lage ist, bis zum Ende des Jahrzehnts und länger jährlich mehrere Billionen Dollar an Krediten für die Entwicklung von Infrastruktur und Landwirtschaft zu vergeben.
Deshalb beschrieb LaRouche, wie Nationalbanken und multinationale Entwicklungsbanken Verträge über die langfristige Zusammenarbeit bei der Entwicklungsfinanzierung für eine solche umfangreiche Kreditvergabe schließen müssen – heute beträfe dies die BRICS-Länder und die großen westlichen Länder. Und deshalb muß man sich auf die wirklich „transformativen“ multinationalen Projekte konzentrieren, die Volkswirtschaften auf eine höhere Ebene heben, so wie sie in diesem Bericht vorgestellt werden.
Wichtige Elemente einer solchen Entwicklungsbank wären bereits vorhanden. Das sind neben der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten insbesondere die Europäische Investitionsbank (EIB) und die amerikanische International Development Finance Corporation (DFC), außerdem gibt es Einrichtungen auf nationaler Ebene wie die französische Caisse des dépôts et consignations International Capital (CDC IC), die italienische Cassa Depositi e Prestiti (CDP) oder die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Sie sind alle für den weltweiten Bedarf zu klein dimensioniert – die NDB laut Satzung mit maximal 100 Milliarden Dollar, die DFC laut BUILD Act des US-Kongresses von 2018 mit 60 Milliarden Dollar, die EIB mit 249 Milliarden Euro –, aber ihr Kapital kann und sollte sofort aufgestockt werden. Weder die NDB noch die DFC stellen formelle „Konditionalitäten“, da die Darlehen der NDB durch die Mitgliedsländer und die Direktdarlehen der DFC durch das US-Finanzministerium garantiert sind.
Leider gibt es zwischen diesen Instituten eine starke Tendenz zur Konkurrenz, vor allem von westlicher Seite. So steht die DFC aktiv im Wettbewerb mit chinesischen Staatsbanken, die Verkehrsinfrastruktur in Peru und im Lobito-Korridor im südlichen Afrika finanzieren. Dieser Wettbewerb erhöht die Kosten und verzögert die Fertigstellung der Projekte.
Diese Investitionsplattformen – die der BRICS-Staaten und westliche wie die DFC, die der ersten Präsidentschaft von Donald Trump zu verdanken ist – können und sollten Vereinbarungen über eine kooperative Finanzierung treffen, um Infrastruktur-Modellprojekte zu fördern, die Staaten oder Regionen, die beiden Seiten freundlich gesinnt sind, verändern und industrialisieren können.
Ein Beispiel dafür ist der Lobito-Schienenkorridor durch Angola, Sambia und Tansania. Ein zweites ist eine weitere „transkontinentale“ Eisenbahn: die längst überfällige „Bi-Ozeanische Eisenbahn“ (Bioceanica) von Peru nach Brasilien. Ein drittes Beispiel wäre die geplante Hochgeschwindigkeits-Nord-Süd-Bahnstrecke in Vietnam von Ho-Chi-Minh-Stadt nach Hanoi, ein 70 Milliarden-Dollar-Projekt, das Vietnam mit eigenen Haushaltseinnahmen und neuen Staatsanleihen finanzieren will.
Eine europäische Einrichtung, die mit der NDB der BRICS bei der Finanzierung von Aufbauprojekten im Globalen Süden kooperieren könnte und sollte, ist die Europäische Investitionsbank (EIB). Die EIB arbeitet als multilaterale Geschäftsbank und vergibt Kredite auf der Grundlage des Kapitals, das die Mitgliedsländer im Verhältnis zu ihrem BIP einzahlen.
Bisher dient dieses Geld vor allem zur Finanzierung „grüner“ Projekte: Green Deal, Dekarbonisierung, Great Reset sowie ausführende Finanzinstitute (die EIB ist laut Statut an solche „grünen“ Investitionen gebunden, deshalb müßte man das Statut ändern). Aber mit einem Richtungswechsel könnte die EIB eine sehr nützliche Rolle spielen.
Der Vorteil dieser Option gegenüber dem derzeitigen EU-System ist, daß der Aufbaufonds der EU nur verleihen kann, was er selbst leiht, während die EIB ein Vielfaches des eingezahlten Kapitals verleihen kann, wie es jede Geschäftsbank traditionell tut. Wir schlagen einen sehr konservativen „Hebel“ von 1:4 vor, d.h. das Vierfache des Kapitals. Das klingt viel, ist tatsächlich aber sehr wenig, wenn man bedenkt, daß z.B. die Deutsche Bank eine Hebelung von 1:24 hat und die EZB eine maximale Hebelung von 1:33 festgelegt hat.
Das bedeutet, daß die EIB mit einem Kapital von 800 Milliarden Euro genug Kredit schöpfen könnte, um zahlreiche Kooperationsprojekte Europas mit dem Globalen Süden zu realisieren. Gemäß ihrer Satzung kann die EIB maximal 248,8 Milliarden Euro von ihren Mitgliedern abrufen, sie sollte deshalb mit etwa 550 Milliarden mehr ausgestattet werden. Das ist weniger als das, was die Europäische Union als „Next Generation EU“ auszugeben plant, nämlich 750 Milliarden Euro, aber es wäre ein wichtiger Beitrag, um den Wirtschaftsaufbau im Globalen Süden voranzutreiben – und dies als „Zugpferd“ zu nutzen, um auch die stagnierenden europäischen Volkswirtschaften wieder in Schwung zu bringen.
Ein weiteres Potential: 2016 schlossen die französische Caisse des dépôts et consignations International Capital (CDC IC) und die China Investment Corporation (CIC) eine Vereinbarung zur Gründung des Sino-Französischen Drittländer-Investmentfonds.
Der Fonds verfügt über ein Anfangskapital von 300 Millionen Euro, das zu gleichen Teilen von CDC IC und CIC Capital bereitgestellt wird. In den kommenden Jahren soll dies auf 2 Milliarden Euro erhöht werden. Ein Drittel der Kredite wird in Afrika investiert. Der Direktor von CDC IC, Laurent Vigier, erklärte dazu: „Diese neuartige Allianz, die durch diesen Fonds besiegelt wird, zielt darauf ab, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern zu fördern. Anstatt in Afrika direkt miteinander zu konkurrieren, werden wir in Partnerschaft investieren.“ Der ehemalige französische Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin erklärte: „Der Sino-Französische Drittländer-Investmentfonds soll sich auf 2 Milliarden Euro belaufen und es uns ermöglichen, gemeinsame Projekte auf dem Kontinent zu finanzieren.“
China hatte einen viel ehrgeizigeren Fonds in der Größenordnung von 50 Milliarden Euro im Sinn, wie ein CDC-Vertreter berichtete; aber Frankreichs Staatsfinanzen ließen das nicht zu.
Kooperationsabkommen zwischen solchen Investitionsplattformen zur Ankurbelung der Wirtschaft in Entwicklungsländern sind Bestandteil einer IDB, wie sie LaRouche vor einem halben Jahrhundert prophetisch vorgeschlagen hat. Und sie sind der einzige Weg, Migranten als produktive Bürger in ihre Heimatländer zurückzuholen, anstatt immer neue und größere Flüchtlingswellen zu erleben.
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