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Von Scott Ritter, ehemaliger UN-Waffeninspekteur
Scott Ritter war Offizier der US-Marines und Waffeninspekteur der Vereinten Nationen.
Hallo, mein Name ist Scott Ritter. Helga Zepp-LaRouche hat mich um ein Video-Statement gebeten, weil ich nicht direkt an dieser sehr wichtigen Konferenz über internationale Sicherheit teilnehmen kann.
Mein Thema heute ist ein möglicher Atomkonflikt zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten. Ich sage schon seit einiger Zeit, daß ich das nicht nur für möglich halte, sondern angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Rußland, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine, zunehmend für wahrscheinlich halte.
Ich glaube auch, die Lage rechtfertigt es, von einer existentiellen Bedrohung für das Überleben nicht nur der Vereinigten Staaten und Rußlands, sondern der ganzen Welt zu sprechen, im Gegensatz zu öffentlichen Spekulationen oder Äußerungen amerikanischer Offizieller – insbesondere Konteradmiral Thomas Buchanan, Planungsdirektor des Strategischen Kommandos, das für die Atomwaffenarsenale der USA und die Vorbereitung ihres Einsatzes im Kriegsfall verantwortlich ist –, daß es einen begrenzten Atomkrieg geben könnte, daß man die Zerstörung und die geopolitischen und anderen Folgen eines Atomkriegs irgendwie begrenzen kann. Ich bin überzeugt, daß ein Atomkrieg das Ende der Menschheit, wie wir sie heute kennen, zur Folge hätte und im Endeffekt die Existenz moderner Nationalstaaten wie der Vereinigten Staaten und Rußlands unmöglich machen würde. Daher kann man mit Fug und Recht behaupten, daß die Lage, in der wir heute sind, vielleicht die gefährlichste ist, die die Welt im Atomzeitalter erlebt hat.
Nun mögen einige sagen: „Moment mal! Wir sind doch nicht in der Kubakrise.“ Dazu möchte ich auf ein paar Dinge hinweisen. Erstens war die Kubakrise eine sehr gefährliche Situation, die Geschichte beurteilt sie mit Recht so. Aber die Größe der Atomwaffenarsenale der USA und der damaligen Sowjetunion verblaßt im Vergleich zu den Arsenalen heute. Die Zerstörungskraft ist heute viel größer; mehr als je zuvor läßt sich diese Zerstörungskraft mit großer Präzision auf Ziele in der ganzen Welt richten.
Außerdem gab es damals direkte Kommunikation zwischen den USA und der Sowjetunion. Präsident John F. Kennedy konnte direkt und indirekt mit Nikita Chruschtschow kommunizieren, dem Ersten Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Außerdem trafen sich sowjetische Botschafter mit der amerikanischen Führung und US-Botschafter mit der sowjetischen Führung. Es gab einen wichtigen, funktionsfähigen Hintergrundkanal, der viel zur Erleichterung der Kommunikation betrug. Durch diese Kommunikation fand man eine Kompromißlösung, die die Atomkriegsgefahr beendete.
Heute gibt es keine sinnvolle Kommunikation zwischen der Regierung Biden und der Regierung von Präsident Wladimir Putin in Rußland. Nicht etwa, weil Rußland keine Kommunikation wünscht. US-Außenminister Antony Blinken hat das Außenministerium angewiesen, keine Kommunikation mit seinen russischen Kollegen zu führen. Das Verteidigungsministerium erteilte ähnliche Anweisungen für seine Verteidigungsattachés und Militärexperten.
Es gibt eine Handvoll Ausnahmen: Kanäle zur Konfliktvermeidung in Syrien und gelegentliche direkte Gespräche zwischen hochrangigen amerikanischen Militärs mit ihren russischen Kollegen. Aber nichts davon reicht auch nur im Entferntesten an das Niveau der Koordination während der Kubakrise heran.
Ohne eine solche Verbindung, ohne Kommunikation, ohne Möglichkeit einer Kompromißlösung – was bedeutet das für die Wahrscheinlichkeit von Mißverständnissen, Fehlern und Fehleinschätzungen? Für das eine ist sie geringer – eine Lösung – und für das andere exponentiell größer – nämlich für einen Fehler, eine Fehlkalkulation. Bei einem Irrtum im Zusammenhang mit einem Atomkrieg geht es um das Ende der Welt.
Wir haben heute eine Situation, in der das erklärte strategische Ziel, Rußland eine strategische Niederlage zuzufügen, das offizielle politische Ziel der Vereinigten Staaten gegenüber Rußland bleibt, insbesondere was die Ukraine betrifft. „Strategische Niederlage“ – Worte haben eine Bedeutung: Das bedeutet den Zusammenbruch der russischen Regierung, den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft, den Zusammenbruch der russischen Gesellschaft. Es bedeutet die Zerstückelung Rußlands. Es bedeutet, daß Rußland nicht mehr als einheitlicher Staat existiert, wie er sich derzeit in Form der Russischen Föderation manifestiert.
Würden die Russen den Spieß umdrehen und sagen, sie streben die strategische Niederlage der Vereinigten Staaten an, und wir würden feststellen, daß diese Begriffe in Bezug auf die Vereinigten Staaten verwendet werden, dann würden die amerikanische Öffentlichkeit und Politik nicht nur dagegen protestieren, sondern wir würden es als eine existentielle Bedrohung betrachten und entsprechend reagieren, zu Recht. Genauso sagt Rußland, daß das nicht akzeptabel ist.
Hinzu kommt, daß die USA in direkte Kampfhandlungen gegen Rußland verwickelt sind. Wir tun das indirekt, mit der Ukraine als Stellvertreter, aber das ATACMS-Artillerieraketensystem ist eine Waffe, die von der Ukraine nicht eingesetzt werden kann ohne a) die Erlaubnis der USA und b) eine umfassende Interaktion zwischen US-Militärexperten und dem Waffensystem, bevor es von der Ukraine eingesetzt wird, um Ziele auf russischem Boden zu beschießen – insbesondere Ziele, die durch die Grenzen zwischen Rußland und der Ukraine vor 2014 definiert sind.
Rußland sieht darin einen direkten Angriff, buchstäblich eine Kriegserklärung. Nun hat Außenminister Sergej Lawrow diese Rhetorik im Interview mit Tucker Carlson abgemildert. Er sagte, daß die Russen es nicht als direkten Krieg zwischen Rußland und den USA betrachten, sondern eher als Stellvertreterkonflikt. Zuvor jedoch hatten der russische Präsident und andere davon gesprochen, daß die USA eine direkte Partei im Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine geworden sind.
Nimmt man das zusammen mit der Politik der „strategischen Niederlage“ Rußlands und den Äußerungen von Konteradmiral Thomas Buchanan, dem Planungsdirektor des Strategischen Kommandos, der vor kurzem in einer Rede vor dem Internationalen Institut für Strategische Studien in Washington zum Ausdruck brachte, die Regierung Biden bereite einen Atomkonflikt mit Rußland vor, in dem die USA die Oberhand behalten, den Krieg gewinnen würden – dann kann man verstehen, daß die Russen so reagieren müssen, daß ihre strategische Abschreckung ins Spiel kommt. Das bedeutet, daß ihre Atomwaffen jetzt auf dem Tisch liegen.
In der Tat hat Rußland vor kurzem seine Nukleardoktrin geändert, um die Schwelle für den Atomwaffeneinsatz zu senken. Eine der Bedingungen für grünes Licht für den Einsatz russischer Atomwaffen ist ein Szenario, wo eine Atommacht einer nicht-nuklearen Macht die Möglichkeit verschafft, Rußland konventionell so zu treffen, daß es sein Überleben bedroht. Viele sind überzeugt, daß die derzeitige US-Politik, die es der Ukraine erlaubt, ATACMS-Raketen gegen Rußland einzusetzen, in diese Kategorie fällt. Der Kreml ist jedenfalls dieser Meinung, Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat sich in dem Sinn geäußert.
Wir sind also in einer sehr gefährlichen Lage, in der das Verhalten der USA in der Ukraine gegenüber Rußland die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Konflikts erhöht hat.
Die gute Nachricht ist, daß wir wissen, was das Problem ist und wie es zu lösen ist. Das Problem ist natürlich der Einsatz von ATACMS-Raketen durch die Ukraine gegen Rußland. Wenn wir das vom Tisch nehmen, beseitigen wir die eskalierenden Aspekte des Engagements in der Ukraine, die Rußlands Atomwaffen hineinziehen könnten. Wir hätten den Konflikt deeskaliert. Statt dessen haben wir durch den weiteren Einsatz von ATACMS Bedingungen geschaffen, wo eskalierende Faktoren im Spiel sind.
So hat Rußland die Entscheidung getroffen, die Mittelstreckenrakete Oreschnik einzusetzen, das erste Mal in der Weltgeschichte, daß ein solches strategisches Waffensystem im Kampf eingesetzt wurde. Glücklicherweise war es keine nukleare Nutzlast, aber unter dem Strich wurde eine weitere Schwelle überschritten, nachdem Rußland angedeutet hatte, daß sie überschritten würde, wenn es auf weitere Angriffe der Ukraine mit von den USA bereitgestellten und bedienten ATACMS reagieren müßte.
Während wir hier sprechen, laufen im US-Kongreß, im Repräsentantenhaus, mehrere Initiativen, um Druck auf die Regierung Biden auszuüben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Ich begrüße diese Schritte, aber da wir schon im Dezember sind, nur noch zwei Wochen der Legislaturperiode verbleiben und Anfang Januar ein neuer Kongreß zusammentritt, ist es unwahrscheinlich, daß mehr erreicht wird als eine Sensibilisierung für diese Lage.
Aber das ist an und für sich schon sehr wertvoll. Denn nicht die Rücknahme der ATACMS-Entscheidung durch die Regierung Biden wird die Situation retten, das werden Maßnahmen der neuen Trump-Regierung tun. Wenn die Atomkriegsgefahr und die vorhandene realistische Lösung für das Problem – nämlich die Rücknahme der Erlaubnis, daß die Ukraine ATACMS gegen russisches Territorium einsetzt – ins Rampenlicht rücken, dann kann man hoffen, daß die Trump-Administration entsprechende Erklärungen abgibt, daß diese Politik nicht fortgesetzt wird. Dann haben wir eine Situation, in der wir hoffen können, daß die Vertreter der Russischen Föderation zuhören und verstehen, daß etwas in dem Rahmen oder besser in der Absicht geschieht, die der berühmten Szene in „Jerry Maguire“ entspricht, wo Tom Cruise und Cuban Gooding über Zusammenarbeit sprechen und Cruise sagt: „Hilf mir, dir zu helfen.“
Das ist im Grunde der Punkt, an dem wir heute sind. Indem wir uns dafür einsetzen, die ATACMS-Entscheidung rückgängig zu machen, sagen wir den Russen, daß sie „uns helfen sollen, ihnen zu helfen“, indem sie von der Schwelle zu Atomwaffen abrücken und so dem Frieden eine Chance geben, indem sie der neuen Trump-Regierung ein Handeln ermöglichen, das diese hochgefährliche Politik der Biden-Regierung, das grüne Licht für den Einsatz von ATACMS gegen die Russen, rückgängig macht. Vielen Dank, daß Sie mir Gelegenheit zur Teilnahme geben, und viel Erfolg bei Ihrer Konferenz.