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Neue Solidarität
Nr. 51-52, 19. Dezember 2024

„Das Bewußtsein für die Atomkriegsgefahr
hinkt weit hinter der tatsächlichen Gefahr her“

Von Donald Ramotar

Donald Ramotar war Präsident von Guyana (2011-2015).

Genossen, unser Treffen findet in einer sehr komplexen Phase des Weltgeschehens statt. Es ist zweifellos eine der gefährlichsten Zeiten für die gesamte Menschheit. Während wir sprechen, werden in vielen Teilen der Welt Tausende in Kriegen getötet.

Es ist herzzerreißend, das offene Massaker am palästinensischen Volk in Gaza und im Westjordanland mitanzusehen. Es wird wahllos ein Völkermord begangen, bei dem Palästinenser getötet werden. Dies geschieht ungestraft. Die Opfer sind Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter, etwa 70% der Getöteten fallen in diese Kategorie. Hunger ist zu einer Kriegswaffe geworden, und zivile Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser und alle anderen sozialen Infrastrukturen werden systematisch zerstört.

Ich fühle mich heute besonders geehrt, das Podium mit Naledi Pandor, der ehemaligen Außenministerin Südafrikas, zu teilen, die die Anklage ihres Landes gegen das rassistische Apartheid-Regime Israels vor dem Internationalen Gerichtshof leitete. Die Bemühungen von Genossin Pandor und die ihres Landes haben dazu beigetragen, die Seele unserer Menschlichkeit zu retten, und sie haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geweckt.

Aber nicht nur die Palästinenser kämpfen um ihr Überleben. Das russische Volk und der russische Staat wurden in einen Kampf um seine Sicherheit und sein Recht auf ein Leben in Sicherheit und Frieden gezwungen. Seit 2014 versuchen die USA und ihre NATO-Verbündeten, sich über Rußland herzumachen, Rußland zu beherrschen und seinen sozioökonomischen Fortschritt zu verhindern. Seit Anfang der 1990er Jahre war es ihr Ziel, Rußland schwach und machtlos zu machen.

Dieser Kampf hat zu einer äußerst beängstigenden Situation geführt. Dies liegt daran, daß an dem militärischen Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine mindestens vier Länder beteiligt sind, die im Besitz von Atomwaffen sind, deren Einsatz das Leben auf der Erde sehr wohl beenden kann.

Leider sind sich die meisten Menschen auf der Welt dieser großen Gefahr nicht wirklich bewußt. Tatsächlich hinkt das Bewußtsein für eine solche Katastrophe weit hinter der tatsächlichen Gefahr her.

Das liegt daran, daß die imperialistischen Mächte aus früheren Kriegen, an denen sie beteiligt waren, ihre Lehren gezogen haben, insbesondere aus dem Vietnamkrieg. Heute haben sie es geschafft, die Medien und damit die Verbreitung von Informationen zu kontrollieren. Nachrichten werden entweder vor den Menschen der Welt verborgen oder verdreht und verzerrt, um ein falsches Bewußtsein zu schaffen. In den großen Nachrichtenredaktionen werden Bilder von „Bösen und Guten“ hergestellt. Daher werden überall Menschen mit den Ansichten der Banker und der Hersteller von Massenvernichtungswaffen infiziert. Diese Leute machen mit Kriegen gigantische Gewinne.

Diese Kontrolle der Medien ist für die imperiale Vorherrschaft über unsere Welt von entscheidender Bedeutung.

Wie und warum sind wir an diesen Punkt gekommen?

Man könnte fragen: Wie und warum sind wir an diesen Punkt gekommen? Ich möchte hiermit versuchen, eine Antwort zu geben.

Wir leben in einer Zeit des Übergangs von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt. Die Zeit, in der die USA die einzige militärische, wirtschaftliche und politische Supermacht waren, ist vorbei. Andere Länder, insbesondere Länder des Südens, beginnen sich zu rühren und sich aufzurichten.

Darüber hinaus hat Rußland, das Teil der mächtigen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken war und sich Ende der 1980er und 1990er Jahre in großen Schwierigkeiten befand, einen Großteil seiner Probleme überwunden. Auch wenn sich sein sozioökonomisches System geändert hat, hat es einige der besten Prinzipien der UdSSR übernommen. Ich spreche hier von internationaler Solidarität und Freundschaft mit unterdrückten Völkern im globalen Süden.

Dies ist einer der Gründe, warum die USA versuchen, sein Wachstum zu verhindern, und warum so viel in diesem Teil unserer Welt darauf ausgerichtet ist, Rußland maximale Probleme zu bereiten. Dies ist einer der Gründe für die Ausweitung der NATO an ihre Grenzen.

Der andere Grund hat mit der ausbeuterischen Natur imperialistischer Mächte zu tun. Wie bereits erwähnt, erzielen sie durch Kriege enorme Gewinne. Die Aktienkurse der Waffenhersteller sind auf einem Allzeithoch. Das ist kein Geheimnis. Sie haben das rassistische israelische Regime und die Marionettenregierung in der Ukraine mit so vielen Waffen beliefert, daß der militärisch-industrielle Komplex Schwierigkeiten hat, die Lieferungen aufrechtzuerhalten. Dies führt zu sagenhaften Supergewinnen für die Händler des Todes.

Der andere Grund ist, die Ressourcen im Süden und in Osteuropa in die Finger zu bekommen. Der ultrarechte US-Senator Lindsey Graham hat sich zu diesem Thema klar geäußert. Im Fall der Ukraine erwähnte er die Bodenschätze des Landes, zu denen auch seltene Erden gehören, die für die Elektronikindustrie und natürlich für das Militär von großer Bedeutung sind und in der Ukraine in großen Mengen vorkommen.

Ein weiterer Köder in der Ukraine ist der fruchtbare Ackerboden, der die Ukraine zu einem wichtigen Land in der Lebensmittelindustrie macht. Wie Sie wissen, handelt es sich hierbei um eine überaus strategische Branche. Wie bekannt, hat der multinationale Konzern „Black Rock“ große Landstriche in der Ukraine aufgekauft.

Die USA und andere imperialistische Staaten wollen weiterhin wertvolle natürliche Ressourcen abbauen und billige Arbeitskräfte ausbeuten, um ihre Gewinne zu maximieren. Für sie ist es wichtig, den globalen Süden in unterentwickeltem Zustand zu halten, in neokolonialen Beziehungen.

Neue Art von Beziehungen

Diese imperialistische Denkweise erklärt einen Großteil der Haltung der USA gegenüber der Volksrepublik China.

Die Feindseligkeit gegenüber China nahm nach 2008 besonders stark zu, als die VR China eine wichtige Rolle dabei spielte, der internationalen Wirtschaft aus einer der schlimmsten Krisen der jüngeren Zeit herauszuhelfen. Chinas Ansehen in der Welt ist stetig gewachsen. An diesem Punkt scheinen die USA die Entscheidung getroffen zu haben, Chinas Entwicklung zu bremsen.

Im globalen Süden haben Chinas Beziehungen dazu geführt, daß es hoch angesehen ist, Vertrauen genießt und ein bevorzugter Partner für Geschäfte ist. Dies liegt daran, daß Chinas Politik gegenüber dem globalen Süden auf gegenseitigem Respekt, Solidarität und Freundschaft beruht.

Es ist erwähnenswert, daß China, als es selbst wohlhabend wurde, begann, den ärmsten Ländern im Süden zu helfen, jenen Ländern, die als bankrott und aus wirtschaftlicher Sicht als risikoreich galten. Viele dieser Länder mußten die demütigende Erfahrung machen, die Bedingungen des IWF und der Weltbank akzeptieren zu müssen, die ihren Status als Rohstoffquellen und billige Arbeitskräfte für den Norden reduzierten und festigten.

An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, daß der globale Süden immer noch ein Nettoexporteur von Kapital in den globalen Norden ist. Die Politik der Weltbank und des IWF besteht darin, sie in dauerhafter Armut zu halten, damit sie leicht ausgebeutet werden können. Die Schätzungen des Nettokapitaltransfers von den Entwicklungsländern in den Westen variieren, belaufen sich aber seit den 1960er Jahren auf mindestens zehn Billionen Dollar pro Jahrzehnt.

Chinas Zusammenarbeit mit dem globalen Süden ist das genaue Gegenteil. Sie basiert auf gegenseitigem Nutzen oder, wie die Chinesen es nennen, auf einer „Win-Win“-Beziehung.

Wichtige Infrastrukturen wie Straßen, Schienen, Brücken, See- und Flughäfen entstehen nun im Süden. Das Fehlen einer solchen lebenswichtigen Infrastruktur war einer der Gründe für die anhaltende Armut in den ehemaligen Kolonien.

Darüber hinaus trägt die VR China auch zum Aufbau von Humankapital bei. Neben der Erhöhung der Stipendien für Studierende in ärmeren Ländern unterstützt China den Aufbau sozialer Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und Kulturhäuser in vielen Entwicklungsländern.

Diese Projekte ermöglichen es den Entwicklungsländern des Südens zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit in den 1950er und 1960er Jahren, eine gewisse wirtschaftliche Souveränität zu genießen. Die meisten Projekte, mit deren Bau China beauftragt wird, sind sehr transformativ. Dies ist mehr als alles andere die Ursache für die Feindseligkeit der USA gegenüber China.

Tatsächlich wird hier ein Gegensatz von Philosophie und Ideologie deutlich.

Einerseits will der Imperialismus auf Kosten des globalen Südens weiter expandieren und wachsen. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, daß die starke imperialistische Macht nicht nur den schwächeren Süden ausbeutet, sondern auch ihre Juniorpartner. Wie sonst können wir erklären, was in Europa passiert, wo die Industrie immer weiter in die Vereinigten Staaten abwandert. Es herrscht eine Ellbogenmentalität.

Die Beziehungen Chinas basieren auf seinen eigenen traditionellen Prinzipien und seiner marxistischen Herangehensweise an die Welt. So steht beispielsweise das chinesische Sprichwort „Die steigende Flut hebt alle Boote an“ im Einklang mit dem marxistischen Prinzip der „internationalen Solidarität“.

Chinas Herangehensweise besteht darin, zu einer gerechteren und wohlhabenderen Welt beizutragen. Der Win-Win-Ansatz untermauert die neu entstandene Allianz BRICS. Sie gewinnt zunehmend an Attraktivität, da sie eine humanere Welt verspricht.

Gleichzeitig hat sie, wie ich bereits angemerkt habe, die Schattenseiten des imperialistischen Systems ans Licht gebracht, das in vielen Teilen der Welt zu Kriegen und Zerstörung geführt hat.

Die große Sorge heute ist, daß der Imperialismus zwar als System überholt ist, was sich an seinen Bemühungen zeigt, wissenschaftliche Entdeckungen zu unterdrücken, z. B. beim Streit um die Chip-Technologie, aber dennoch sehr stark und rücksichtslos ist, wie sich in Gaza und der Ukraine zeigt.

Wie können wir die Kriege stoppen?

Ich möchte daher vorschlagen, daß wir als progressive Kräfte in der Welt zunächst einmal überlegen, wie wir Kriege stoppen können.

Ich glaube, der erste Schritt besteht darin, eine starke Bewegung zur Abschaffung von Atomwaffen aufzubauen. Diese Waffen bedrohen die gesamte Menschheit. Ein Großteil dieser Waffen befindet sich in den Händen einer imperialen Führung, die im Laufe der Jahre viel an Qualität verloren hat und im Grunde zur Handlangerin der feindlichsten Kräfte der Welt geworden ist.

Gleichzeitig müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um das wirtschaftliche Wohlergehen aller Völker zu verbessern. In diesem Zusammenhang sollten wir den Westen dazu aufrufen, sich mit den BRICS-Staaten zusammenzuschließen, um gemeinsam der Armut und Ungleichheit in allen Teilen der Welt ein Ende zu setzen. Wenn der Westen sich einigen Initiativen wie der Neuen Seidenstraße anschließt, könnten wir das Ende der Armut noch zu unseren Lebzeiten erleben. Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und weniger Konfrontationen.

Abschließend möchte ich sagen, daß wir, obwohl wir im Schatten schrecklicher Kriege leben, immer noch Hoffnung schöpfen können, daß ein neuer Tag möglich ist. Die enormen Fortschritte in allen Lebensbereichen, die China und andere BRICS-Staaten vorweisen, geben uns die Inspiration, unseren Kampf fortzusetzen. Wir müssen daran glauben, daß die Kriegstreiber aufgehalten werden können. Vielleicht sind das, was wir gerade erleben, nicht nur Tod und Zerstörung, sondern möglicherweise die Geburtswehen eines neuen Systems internationaler Beziehungen, das auf den Grundsätzen von Solidarität und Freundschaft beruht.