Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
[an error occurred while processing this directive]
Folgen Sie uns auf
acebook
Neue Solidarität
Nr. 5, 1. Februar 2024

Erinnerungen und Einsichten eines Weitgereisten

Buchbesprechung: „Bis an den Strand von Beidaihe“, von Wolf-Dietrich Karl-Rückert.

Dieses Buch von Prof. Karl-Rückert, dem Urururenkel des großen Dichters Friedrich Rückert, ist ein wertvoller Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen Osten und Westen und dem Lernen voneinander.

Rückert erzählt in diesem Buch die Geschichte seines Lebens. Wir begleiten ihn auf verschlungenen Wegen durch Deutschland und Österreich, in die Türkei, nach Amerika, Nordkorea und China, später auch nach Spanien und Indonesien. Seine offenen Worte gewinnen ihm den Respekt und das Vertrauen seiner Gesprächspartner und verschaffen ihm das Gehör höchster Stellen. Im Anhang seiner Erinnerungen zieht er – unter Bezug auf Verse seines berühmten Vorfahren – in Gedanken und Aphorismen die Summe seiner Ansichten und Einsichten.

Die große Aufgabe, als hochqualifizierter Schweißer erst in Nordkorea und dann in Maos China große Produktionsanlagen im chemischen Bereich zu bauen, bestärkt seine Überzeugungen. Im damaligen China trifft er auf den Willen, nach dem Vorbild der westlichen Industrienationen fortschrittliche Technik, Infrastruktur, Kraftwerksbau und Bildungssysteme aufzubauen – aber auch auf die großen Schwierigkeiten, dies zu tun. Man bedenke, daß noch zu Anfang der Regierungszeit Deng Xiaopings die Zahl von Naturwissenschaftlern oder überhaupt technisch ausgebildeten Universitätsabgängern sehr gering war und nur sehr wenige neue wissenschaftliche Talente ausgebildet wurden. Wie sich nach Rückerts Eintreffen in China herausstellt, gibt es auch kaum qualifizierten Arbeiter. Er braucht aber dringend 2700 Schweißer! Er überzeugt Mao von der Notwendigkeit, eine Schule zur Ausbildung von Schweiß-Lehrern zu bauen, die er selber ausbildet und die dann wiederum die 2700 Schweißer für das Riesen-Projekt ausbilden sollen.

Noch vor Fertigstellung des Chemiekombinats stirbt Mao, und kurz nach dessen Tod wird Rückert von der Viererbande ins Gefängnis gesteckt. Nach seiner Freilassung erholt er sich am Strand von Beidaihe, dem Ferienort der kommunistischen Parteiführung, von dieser Tortur – unter den Augen Deng Xiaopings, der zu jener Zeit Chinas Zukunft konzipiert und sich mit Rückert über diese Fragen austauscht. So wird der Tiefpunkt seiner physischen Kräfte zu einem Höhepunkt seines Lebens.

Trotz der in den vielen Bereichen sichtbaren Rückständigkeit gelangt Rückert zu der Erkenntnis, daß wir Westler von dieser hohen, 6000 Jahre alten Kultur lernen können – vor allem in der geistigen Ausbildung und im Denken der Führungselite. (Was könnte heutzutage offensichtlicher sein?) So kommt bei einem Geburtstagsempfang für Mao einer von Maos Mitarbeitern zu Rückerts Tisch und rezitiert ein Gedicht von Friedrich Rückert, und zwar einen Abschnitt aus dem „Schi King“, „Die Geister der Lieder“ aus der freien Übersetzung von Rückerts aus dem Chinesischen, das mit dem Satz endet: „Denn Weltpoesie ist Weltversöhnung.“

Rückert lernt, daß die Kulturgeschichte bis heute das Denken der Menschen in China prägt und formt, ihnen eine Flexibilität und Weisheit beim Bewältigen von großen Aufgaben ermöglicht, wie es bei der westlichen und vor allem der erst 250jährigen US-Geschichte hier einfach nicht möglich ist. Auch das Großprojekt und dabei das Miteinander beim Anlagenbau und bei den tausenden kleinen und großen Problemen bestärkt Rückert in der Überzeugung, daß wir ebenso von China lernen müssen.

Bis an den Strand von Beidaihe ist nicht nur eine Autobiographie, sondern eine beeindruckende, lebendige und miterlebte Darstellung, wie sich China unter Mao und dann unter Deng Xiaoping auf den Weg aus Isolierung und Armut hin zu einer wirtschaftlichen Großmacht begeben hat. Diese Weichen wurden gestellt in der Erkenntnis, daß die ganze Weisheit Chinas und die des Konfuzius nichts nützt, wenn man sie nicht für die Entwicklung und Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen der Welt einsetzt.

Rückerts Vater war Raketentechniker unter Wernher von Braun in Peenemünde gewesen, und vom Großvater lernt er: Wenn wir die ganze Kriegswirtschaft und Waffenproduktion in wirtschaftlich nützliche Produktionsstätten für Infrastruktur, Anlagenbau etc. umwandeln würden, dann hätten wir endlich dauerhaft Frieden auf der Welt. Dies wird Rückerts ganzes Leben lang ein persönliches Anliegen sein. Schon bei der Gründung der „Österreichischen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrttechnik“ viele Jahre vor seinem Aufenthalt in China ist sein Anliegen, „die Schaffung einer wissenschaftlichen Gesprächsbasis zwischen Ost und West im neutralen Österreich zu schaffen“.

Denn nach seiner Überzeugung kann nur die Umwandlung der Waffenindustrie in eine wirtschaftliche Produktion für Infrastruktur und Wohlergehen den Frieden herbeiführen. Diese Überzeugung zieht sich durch sein ganzes Leben, und sie war der Inhalt seiner langen Diskussionen mit Deng. „Wie ich ist Deng davon überzeugt, daß die Raumfahrt eine wichtige Komponente sei, sein Land nach vorne zu bringen. Wäre es nicht eine wunderbare Idee, die Produktion von Waffen einzustellen und die frei werdenden Ressourcen an Rohstoffen, Forschung, Zeit und Geld in die Raumfahrt zu investieren? Systeme zu entwickeln, die auf Produktion statt auf Destruktion ausgerichtet sind?“

Auch heute ist es an der Zeit, „für den Frieden umzurüsten“ und die bedeutenden wissenschaftlichen, technologischen und maschinellen Fähigkeiten dieses Sektors zum Wohle der Menschheit einzusetzen und zur gemeinsamen Aufbauarbeit dieser Welt zu nutzen. Auch die vielen Facharbeiter, Ingenieure und Wissenschaftler würden sicher vorziehen, ihre Talente besser einzusetzen. Und es wäre so einfach: „Wir investieren in den Weltraum. Wir produzieren für die Erschließung des Weltraums. Wir richten unsere Kreativität, unseren Erfindungsreichtum, unser Investitionspotential auf die Errichtung von Industrie im Weltraum. Arbeitsplätze könnten damit genügend erschaffen werden und wir zeigen zukünftigen Generationen ein Betätigungsfeld auf, das nicht auf Angst, Krieg und Vernichtung ausgerichtet ist... Denn, wer der Jugend Angst vor der Zukunft einimpft, hat schon verloren.“

Am Ende resümiert Rückert: „Meine Aufenthalte und Tätigkeiten rund um die Welt haben mir eines gezeigt: Es ist vollkommen egal, wer man ist oder woher man kommt. Lediglich unsere Ausbildung und unsere Entwicklung machen uns zu unterschiedlichen Menschen. Im kommunistischen China durfte ich hochkomplexe Anlagen mit Menschen bauen, die Soldaten oder Bauern waren, in Europa hatten wir Probleme mit Spezialisten, die mit Problemen nicht fertig wurden, weil sie außerhalb ihrer Denkweise lagen. Erfolg stellt sich nur dann ein, wenn es gelingt, eingeschulte Dummheiten zu beseitigen. Auch einmal um die Ecke zu denken. Wenn es gelingt, Vorurteile über Bord zu werfen, insbesondere Vorurteile über andere Menschen. Wenn es gelingt, Schulungen so aufzubauen, daß sie möglichst praxisnah sind. Der Wille zur Erneuerung steckt in jedem Menschen, egal, wo er geboren wurde. Mit der richtigen Lehrmethode wird er in seinen Fähigkeiten gefördert und die Möglichkeit geschaffen, seine Leistung und Schaffensfreude sinnvoll und produktiv zu nutzen.“

Ein lesenswertes Buch.

Caroline Hartmann

320 Seiten, Hardcover
(limitierte Auflage!)
ISBN: 978-3-925725-63-0
30,- € zzgl. Versandkosten
(Deutschland 3,- €, Ausland 5 €)
Zu beziehen über unseren
Online-Shop: www.eir.de/shop